sey. Zu einem tüchtigen Meister zu gehen und ganz von vorne anzufangen, das war mein Plan.
Was nun den Meister betraf, so lag in meinen Gedanken kein anderer als Ramberg in Hannover; auch dachte ich in dieser Stadt mich um so eher hal¬ ten zu können, als ein geliebter Jugendfreund dort in glücklichen Umständen lebte, von dessen Treue ich mir jede Stütze versprechen durfte, und dessen Einladungen sich wiederholten.
Ich säumte daher auch nicht lange und schnürte meinen Bündel und machte mitten im Winter 1815 den fast vierzigstündigen Weg durch die öde Haide bey tiefem Schnee einsam zu Fuß, und erreichte in einigen Tagen glücklich Hannover.
Ich verfehlte nicht alsobald zu Ramberg zu gehen und ihm meine Wünsche vorzutragen. Nach den vor¬ gelegten Proben schien er an meinem Talent nicht zu zweifeln, doch machte er mir bemerklich, daß die Kunst nach Brod gehe, daß die Überwindung des Technischen viel Zeit verlange, und daß die Aussicht, der Kunst zugleich die äußere Existenz zu verdanken, sehr ferne sey. Indessen zeigte er sich sehr bereit, mir seinerseits alle Hülfe zu schenken; er suchte sogleich aus der Masse seiner Zeichnungen einige passende Blätter mit Theilen des menschlichen Körpers hervor, die er mir zum Nach¬ zeichnen mitgab.
So wohnte ich denn bey meinem Freunde und zeich¬
ſey. Zu einem tuͤchtigen Meiſter zu gehen und ganz von vorne anzufangen, das war mein Plan.
Was nun den Meiſter betraf, ſo lag in meinen Gedanken kein anderer als Ramberg in Hannover; auch dachte ich in dieſer Stadt mich um ſo eher hal¬ ten zu koͤnnen, als ein geliebter Jugendfreund dort in gluͤcklichen Umſtaͤnden lebte, von deſſen Treue ich mir jede Stuͤtze verſprechen durfte, und deſſen Einladungen ſich wiederholten.
Ich ſaͤumte daher auch nicht lange und ſchnuͤrte meinen Buͤndel und machte mitten im Winter 1815 den faſt vierzigſtuͤndigen Weg durch die oͤde Haide bey tiefem Schnee einſam zu Fuß, und erreichte in einigen Tagen gluͤcklich Hannover.
Ich verfehlte nicht alſobald zu Ramberg zu gehen und ihm meine Wuͤnſche vorzutragen. Nach den vor¬ gelegten Proben ſchien er an meinem Talent nicht zu zweifeln, doch machte er mir bemerklich, daß die Kunſt nach Brod gehe, daß die Überwindung des Techniſchen viel Zeit verlange, und daß die Ausſicht, der Kunſt zugleich die aͤußere Exiſtenz zu verdanken, ſehr ferne ſey. Indeſſen zeigte er ſich ſehr bereit, mir ſeinerſeits alle Huͤlfe zu ſchenken; er ſuchte ſogleich aus der Maſſe ſeiner Zeichnungen einige paſſende Blaͤtter mit Theilen des menſchlichen Koͤrpers hervor, die er mir zum Nach¬ zeichnen mitgab.
So wohnte ich denn bey meinem Freunde und zeich¬
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ſey. Zu einem tuͤchtigen Meiſter zu gehen und ganz
von vorne anzufangen, das war mein Plan.
Was nun den Meiſter betraf, ſo lag in meinen
Gedanken kein anderer als Ramberg in Hannover;
auch dachte ich in dieſer Stadt mich um ſo eher hal¬
ten zu koͤnnen, als ein geliebter Jugendfreund dort in
gluͤcklichen Umſtaͤnden lebte, von deſſen Treue ich mir
jede Stuͤtze verſprechen durfte, und deſſen Einladungen
ſich wiederholten.
Ich ſaͤumte daher auch nicht lange und ſchnuͤrte
meinen Buͤndel und machte mitten im Winter 1815
den faſt vierzigſtuͤndigen Weg durch die oͤde Haide bey
tiefem Schnee einſam zu Fuß, und erreichte in einigen
Tagen gluͤcklich Hannover.
Ich verfehlte nicht alſobald zu Ramberg zu gehen
und ihm meine Wuͤnſche vorzutragen. Nach den vor¬
gelegten Proben ſchien er an meinem Talent nicht zu
zweifeln, doch machte er mir bemerklich, daß die Kunſt
nach Brod gehe, daß die Überwindung des Techniſchen
viel Zeit verlange, und daß die Ausſicht, der Kunſt
zugleich die aͤußere Exiſtenz zu verdanken, ſehr ferne
ſey. Indeſſen zeigte er ſich ſehr bereit, mir ſeinerſeits
alle Huͤlfe zu ſchenken; er ſuchte ſogleich aus der Maſſe
ſeiner Zeichnungen einige paſſende Blaͤtter mit Theilen
des menſchlichen Koͤrpers hervor, die er mir zum Nach¬
zeichnen mitgab.
So wohnte ich denn bey meinem Freunde und zeich¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/33>, abgerufen am 31.01.2025.
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