Geiste würde gesagt haben. Ob wohl Byron bey Schil¬ lers Leben schon etwas publicirt hat?"
Ich zweifelte, konnte es aber nicht mit Gewißheit sagen. Goethe nahm daher das Conversations-Lexicon und las den Artikel über Byron vor, wobey er nicht fehlen ließ, manche flüchtige Bemerkung einzuschalten. Es fand sich, daß Lord Byron vor 1807 nichts hatte drucken lassen und daß also Schiller nichts von ihm gesehen.
"Durch Schillers alle Werke, fuhr Goethe fort, geht die Idee von Freyheit, und diese Idee nahm eine andere Gestalt an, so wie Schiller in seiner Cultur weiter ging und selbst ein Anderer wurde. In seiner Jugend war es die physische Freyheit, die ihm zu schaf¬ fen machte und die in seine Dichtungen überging; in seinem spätern Leben die ideelle."
"Es ist mit der Freyheit ein wunderlich Ding und jeder hat leicht genug, wenn er sich nur zu begnügen und zu finden weiß. Und was hilft uns ein Überfluß von Freyheit, die wir nicht gebrauchen können! Sehen Sie dieses Zimmer und diese angrenzende Kammer, in der Sie durch die offene Thür mein Bette sehen, beyde sind nicht groß, sie sind ohnedieß durch vielerley Be¬ darf, Bücher, Manuscripte und Kunstsachen eingeengt, aber sie sind mir genug, ich habe den ganzen Winter darin gewohnt und meine vorderen Zimmer fast nicht betreten. Was habe ich nun von meinem geräumigen
Geiſte wuͤrde geſagt haben. Ob wohl Byron bey Schil¬ lers Leben ſchon etwas publicirt hat?“
Ich zweifelte, konnte es aber nicht mit Gewißheit ſagen. Goethe nahm daher das Converſations-Lexicon und las den Artikel uͤber Byron vor, wobey er nicht fehlen ließ, manche fluͤchtige Bemerkung einzuſchalten. Es fand ſich, daß Lord Byron vor 1807 nichts hatte drucken laſſen und daß alſo Schiller nichts von ihm geſehen.
„Durch Schillers alle Werke, fuhr Goethe fort, geht die Idee von Freyheit, und dieſe Idee nahm eine andere Geſtalt an, ſo wie Schiller in ſeiner Cultur weiter ging und ſelbſt ein Anderer wurde. In ſeiner Jugend war es die phyſiſche Freyheit, die ihm zu ſchaf¬ fen machte und die in ſeine Dichtungen uͤberging; in ſeinem ſpaͤtern Leben die ideelle.“
„Es iſt mit der Freyheit ein wunderlich Ding und jeder hat leicht genug, wenn er ſich nur zu begnuͤgen und zu finden weiß. Und was hilft uns ein Überfluß von Freyheit, die wir nicht gebrauchen koͤnnen! Sehen Sie dieſes Zimmer und dieſe angrenzende Kammer, in der Sie durch die offene Thuͤr mein Bette ſehen, beyde ſind nicht groß, ſie ſind ohnedieß durch vielerley Be¬ darf, Buͤcher, Manuſcripte und Kunſtſachen eingeengt, aber ſie ſind mir genug, ich habe den ganzen Winter darin gewohnt und meine vorderen Zimmer faſt nicht betreten. Was habe ich nun von meinem geraͤumigen
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Geiſte wuͤrde geſagt haben. Ob wohl Byron bey Schil¬
lers Leben ſchon etwas publicirt hat?“
Ich zweifelte, konnte es aber nicht mit Gewißheit
ſagen. Goethe nahm daher das Converſations-Lexicon
und las den Artikel uͤber Byron vor, wobey er nicht
fehlen ließ, manche fluͤchtige Bemerkung einzuſchalten.
Es fand ſich, daß Lord Byron vor 1807 nichts hatte
drucken laſſen und daß alſo Schiller nichts von ihm
geſehen.
„Durch Schillers alle Werke, fuhr Goethe fort,
geht die Idee von Freyheit, und dieſe Idee nahm eine
andere Geſtalt an, ſo wie Schiller in ſeiner Cultur
weiter ging und ſelbſt ein Anderer wurde. In ſeiner
Jugend war es die phyſiſche Freyheit, die ihm zu ſchaf¬
fen machte und die in ſeine Dichtungen uͤberging; in
ſeinem ſpaͤtern Leben die ideelle.“
„Es iſt mit der Freyheit ein wunderlich Ding und
jeder hat leicht genug, wenn er ſich nur zu begnuͤgen
und zu finden weiß. Und was hilft uns ein Überfluß
von Freyheit, die wir nicht gebrauchen koͤnnen! Sehen
Sie dieſes Zimmer und dieſe angrenzende Kammer, in
der Sie durch die offene Thuͤr mein Bette ſehen, beyde
ſind nicht groß, ſie ſind ohnedieß durch vielerley Be¬
darf, Buͤcher, Manuſcripte und Kunſtſachen eingeengt,
aber ſie ſind mir genug, ich habe den ganzen Winter
darin gewohnt und meine vorderen Zimmer faſt nicht
betreten. Was habe ich nun von meinem geraͤumigen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/326>, abgerufen am 25.11.2024.
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