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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Anmuth. Es war von einigen Anschaffungen die Rede,
womit sie den jungen Goethe neckte und wozu dieser
sich nicht verstehen wollte. "Man muß den schönen
Frauen nicht gar zu viel angewöhnen, sagte Goethe,
denn sie gehen leicht ins Grenzenlose. Napoleon erhielt
noch auf Elba Rechnungen von Putzmacherinnen, die
er bezahlen sollte. Doch mochte er in solchen Dingen
leicht zu wenig thun als zu viel. Früher in den Tui¬
lerien wurden einst in seinem Beyseyn seiner Gemahlin
von einem Modehändler kostbare Sachen präsentirt. Als
Napoleon aber keine Miene machte, etwas zu kaufen,
gab ihm der Mann zu verstehen, daß er doch wenig
in dieser Hinsicht für seine Gemahlin thue. Hierauf
sagte Napoleon kein Wort, aber er sah ihn mit einem
solchen Blick an, daß der Mann seine Sachen sogleich
zusammenpackte und sich nie wieder sehen ließ." --
That er dieses als Consul? fragte Frau von Goethe.
"Wahrscheinlich als Kaiser, antwortete Goethe, denn
sonst wäre sein Blick wohl nicht so furchtbar gewesen.
Aber ich muß über den Mann lachen, dem der Blick
in die Glieder fuhr und der sich wahrscheinlich schon
geköpft oder erschossen sah."

Wir waren in der heitersten Laune und sprachen
über Napoleon weiter fort. Ich möchte, sagte der junge
Goethe, alle seine Thaten in trefflichen Gemälden oder
Kupferstichen besitzen und damit ein großes Zimmer de¬
coriren. "Das müßte sehr groß seyn, erwiederte Goethe,

Anmuth. Es war von einigen Anſchaffungen die Rede,
womit ſie den jungen Goethe neckte und wozu dieſer
ſich nicht verſtehen wollte. „Man muß den ſchoͤnen
Frauen nicht gar zu viel angewoͤhnen, ſagte Goethe,
denn ſie gehen leicht ins Grenzenloſe. Napoleon erhielt
noch auf Elba Rechnungen von Putzmacherinnen, die
er bezahlen ſollte. Doch mochte er in ſolchen Dingen
leicht zu wenig thun als zu viel. Fruͤher in den Tui¬
lerien wurden einſt in ſeinem Beyſeyn ſeiner Gemahlin
von einem Modehaͤndler koſtbare Sachen praͤſentirt. Als
Napoleon aber keine Miene machte, etwas zu kaufen,
gab ihm der Mann zu verſtehen, daß er doch wenig
in dieſer Hinſicht fuͤr ſeine Gemahlin thue. Hierauf
ſagte Napoleon kein Wort, aber er ſah ihn mit einem
ſolchen Blick an, daß der Mann ſeine Sachen ſogleich
zuſammenpackte und ſich nie wieder ſehen ließ.“ —
That er dieſes als Conſul? fragte Frau von Goethe.
„Wahrſcheinlich als Kaiſer, antwortete Goethe, denn
ſonſt waͤre ſein Blick wohl nicht ſo furchtbar geweſen.
Aber ich muß uͤber den Mann lachen, dem der Blick
in die Glieder fuhr und der ſich wahrſcheinlich ſchon
gekoͤpft oder erſchoſſen ſah.“

Wir waren in der heiterſten Laune und ſprachen
uͤber Napoleon weiter fort. Ich moͤchte, ſagte der junge
Goethe, alle ſeine Thaten in trefflichen Gemaͤlden oder
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[292/0312] Anmuth. Es war von einigen Anſchaffungen die Rede, womit ſie den jungen Goethe neckte und wozu dieſer ſich nicht verſtehen wollte. „Man muß den ſchoͤnen Frauen nicht gar zu viel angewoͤhnen, ſagte Goethe, denn ſie gehen leicht ins Grenzenloſe. Napoleon erhielt noch auf Elba Rechnungen von Putzmacherinnen, die er bezahlen ſollte. Doch mochte er in ſolchen Dingen leicht zu wenig thun als zu viel. Fruͤher in den Tui¬ lerien wurden einſt in ſeinem Beyſeyn ſeiner Gemahlin von einem Modehaͤndler koſtbare Sachen praͤſentirt. Als Napoleon aber keine Miene machte, etwas zu kaufen, gab ihm der Mann zu verſtehen, daß er doch wenig in dieſer Hinſicht fuͤr ſeine Gemahlin thue. Hierauf ſagte Napoleon kein Wort, aber er ſah ihn mit einem ſolchen Blick an, daß der Mann ſeine Sachen ſogleich zuſammenpackte und ſich nie wieder ſehen ließ.“ — That er dieſes als Conſul? fragte Frau von Goethe. „Wahrſcheinlich als Kaiſer, antwortete Goethe, denn ſonſt waͤre ſein Blick wohl nicht ſo furchtbar geweſen. Aber ich muß uͤber den Mann lachen, dem der Blick in die Glieder fuhr und der ſich wahrſcheinlich ſchon gekoͤpft oder erſchoſſen ſah.“ Wir waren in der heiterſten Laune und ſprachen uͤber Napoleon weiter fort. Ich moͤchte, ſagte der junge Goethe, alle ſeine Thaten in trefflichen Gemaͤlden oder Kupferſtichen beſitzen und damit ein großes Zimmer de¬ coriren. „Das muͤßte ſehr groß ſeyn, erwiederte Goethe,

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/312>, abgerufen am 25.11.2024.