ward mit Bewunderung von dem Kupferstich gesprochen und Goethe erzählte mir, es sey ein Werk des berühm¬ ten Gerard in Paris, womit dieser ihm in den letzten Tagen ein Geschenk gemacht. "Gehen Sie geschwind hin, fügte er hinzu, und nehmen Sie noch ein paar Augenvoll, ehe die Suppe kommt."
Ich that nach seinem Wunsch und meiner Neigung; ich freute mich an dem Anblick des bewundernswürdigen Werkes, nicht weniger an der Unterschrift des Malers, wodurch er es Goethen als einen Beweis seiner Achtung zueignet. Ich konnte jedoch nicht lange betrachten, Frau v. Goethe trat herein und ich eilte nach meinem Platz zurück. "Nicht wahr? sagte Goethe, das ist etwas Großes! Man kann es Tage- und Wochenlang studiren, ehe man die reichen Gedanken und Vollkommenheiten alle herausfindet. Dieses, sagte er, soll Ihnen auf andere Tage vorbehalten bleiben."
Wir waren bey Tisch sehr heiter. Der Canzler theilte einen Brief eines bedeutenden Mannes aus Paris mit, der zur Zeit der französischen Occupation als Ge¬ sandter hier einen schweren Posten behauptet und von jener Zeit her mit Weimar ein freundliches Verhältniß fortgesetzt hatte. Er gedachte des Großherzogs und Goethe's und pries Weimar glücklich, wo das Genie mit der höchsten Gewalt ein so vertrautes Verhältniß haben könne.
Frau von Goethe brachte in die Unterhaltung große
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ward mit Bewunderung von dem Kupferſtich geſprochen und Goethe erzaͤhlte mir, es ſey ein Werk des beruͤhm¬ ten Gérard in Paris, womit dieſer ihm in den letzten Tagen ein Geſchenk gemacht. „Gehen Sie geſchwind hin, fuͤgte er hinzu, und nehmen Sie noch ein paar Augenvoll, ehe die Suppe kommt.“
Ich that nach ſeinem Wunſch und meiner Neigung; ich freute mich an dem Anblick des bewundernswuͤrdigen Werkes, nicht weniger an der Unterſchrift des Malers, wodurch er es Goethen als einen Beweis ſeiner Achtung zueignet. Ich konnte jedoch nicht lange betrachten, Frau v. Goethe trat herein und ich eilte nach meinem Platz zuruͤck. „Nicht wahr? ſagte Goethe, das iſt etwas Großes! Man kann es Tage- und Wochenlang ſtudiren, ehe man die reichen Gedanken und Vollkommenheiten alle herausfindet. Dieſes, ſagte er, ſoll Ihnen auf andere Tage vorbehalten bleiben.“
Wir waren bey Tiſch ſehr heiter. Der Canzler theilte einen Brief eines bedeutenden Mannes aus Paris mit, der zur Zeit der franzoͤſiſchen Occupation als Ge¬ ſandter hier einen ſchweren Poſten behauptet und von jener Zeit her mit Weimar ein freundliches Verhaͤltniß fortgeſetzt hatte. Er gedachte des Großherzogs und Goethe's und pries Weimar gluͤcklich, wo das Genie mit der hoͤchſten Gewalt ein ſo vertrautes Verhaͤltniß haben koͤnne.
Frau von Goethe brachte in die Unterhaltung große
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ward mit Bewunderung von dem Kupferſtich geſprochen
und Goethe erzaͤhlte mir, es ſey ein Werk des beruͤhm¬
ten Gérard in Paris, womit dieſer ihm in den letzten
Tagen ein Geſchenk gemacht. „Gehen Sie geſchwind
hin, fuͤgte er hinzu, und nehmen Sie noch ein paar
Augenvoll, ehe die Suppe kommt.“
Ich that nach ſeinem Wunſch und meiner Neigung;
ich freute mich an dem Anblick des bewundernswuͤrdigen
Werkes, nicht weniger an der Unterſchrift des Malers,
wodurch er es Goethen als einen Beweis ſeiner Achtung
zueignet. Ich konnte jedoch nicht lange betrachten, Frau
v. Goethe trat herein und ich eilte nach meinem Platz
zuruͤck. „Nicht wahr? ſagte Goethe, das iſt etwas
Großes! Man kann es Tage- und Wochenlang ſtudiren,
ehe man die reichen Gedanken und Vollkommenheiten alle
herausfindet. Dieſes, ſagte er, ſoll Ihnen auf andere
Tage vorbehalten bleiben.“
Wir waren bey Tiſch ſehr heiter. Der Canzler
theilte einen Brief eines bedeutenden Mannes aus Paris
mit, der zur Zeit der franzoͤſiſchen Occupation als Ge¬
ſandter hier einen ſchweren Poſten behauptet und von
jener Zeit her mit Weimar ein freundliches Verhaͤltniß
fortgeſetzt hatte. Er gedachte des Großherzogs und
Goethe's und pries Weimar gluͤcklich, wo das Genie
mit der hoͤchſten Gewalt ein ſo vertrautes Verhaͤltniß
haben koͤnne.
Frau von Goethe brachte in die Unterhaltung große
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/311>, abgerufen am 25.11.2024.
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