aber den Brief nicht wieder entbehren. "Sie haben ihn mir einmal geschenkt, lieber Vater, sagte sie, und ich gebe ihn nicht zurück; und wenn Sie denn einmal wol¬ len, daß das Gleiche zum Gleichen soll, so geben Sie mir lieber dieses köstliche Blatt von heute noch dazu und ich verwahre sodann alles miteinander." Das wollte Goethe noch weniger und der anmuthige Streit ging noch eine Weile fort bis er sich in ein allgemeines munteres Gespräch auflöste.
Nachdem wir vom Tisch aufgestanden und die Frauen hinaufgangen waren, blieb ich mit Goethe allein. Er holte aus seiner Arbeitsstube ein rothes Portefeuille, womit er mit mir ans Fenster trat und es auseinander legte. "Sehen Sie, sagte er, hier habe ich alles bey¬ sammen, was auf mein Verhältniß zu Lord Byron Bezug hat. Hier ist sein Brief aus Livorno, dieß ist ein Abdruck seiner Dedication, dieß mein Gedicht, hier das, was ich zu Medwins Conversationen geschrieben; nun fehlt mir bloß sein Brief aus Genua, aber sie will ihn nicht hergeben."
Goethe sagte mir sodann von einer freundlichen Aufforderung, die in Bezug auf Lord Byron heute aus England an ihn ergangen und die ihn sehr ange¬ nehm berührt habe. Sein Geist war bey dieser Gele¬ genheit ganz von Byron voll und er ergoß sich über ihn, seine Werke und sein Talent in tausend interes¬ santen Äußerungen.
aber den Brief nicht wieder entbehren. „Sie haben ihn mir einmal geſchenkt, lieber Vater, ſagte ſie, und ich gebe ihn nicht zuruͤck; und wenn Sie denn einmal wol¬ len, daß das Gleiche zum Gleichen ſoll, ſo geben Sie mir lieber dieſes koͤſtliche Blatt von heute noch dazu und ich verwahre ſodann alles miteinander.“ Das wollte Goethe noch weniger und der anmuthige Streit ging noch eine Weile fort bis er ſich in ein allgemeines munteres Geſpraͤch aufloͤste.
Nachdem wir vom Tiſch aufgeſtanden und die Frauen hinaufgangen waren, blieb ich mit Goethe allein. Er holte aus ſeiner Arbeitsſtube ein rothes Portefeuille, womit er mit mir ans Fenſter trat und es auseinander legte. „Sehen Sie, ſagte er, hier habe ich alles bey¬ ſammen, was auf mein Verhaͤltniß zu Lord Byron Bezug hat. Hier iſt ſein Brief aus Livorno, dieß iſt ein Abdruck ſeiner Dedication, dieß mein Gedicht, hier das, was ich zu Medwins Converſationen geſchrieben; nun fehlt mir bloß ſein Brief aus Genua, aber ſie will ihn nicht hergeben.“
Goethe ſagte mir ſodann von einer freundlichen Aufforderung, die in Bezug auf Lord Byron heute aus England an ihn ergangen und die ihn ſehr ange¬ nehm beruͤhrt habe. Sein Geiſt war bey dieſer Gele¬ genheit ganz von Byron voll und er ergoß ſich uͤber ihn, ſeine Werke und ſein Talent in tauſend intereſ¬ ſanten Äußerungen.
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aber den Brief nicht wieder entbehren. „Sie haben
ihn mir einmal geſchenkt, lieber Vater, ſagte ſie, und ich
gebe ihn nicht zuruͤck; und wenn Sie denn einmal wol¬
len, daß das Gleiche zum Gleichen ſoll, ſo geben Sie
mir lieber dieſes koͤſtliche Blatt von heute noch dazu
und ich verwahre ſodann alles miteinander.“ Das
wollte Goethe noch weniger und der anmuthige Streit
ging noch eine Weile fort bis er ſich in ein allgemeines
munteres Geſpraͤch aufloͤste.
Nachdem wir vom Tiſch aufgeſtanden und die Frauen
hinaufgangen waren, blieb ich mit Goethe allein. Er
holte aus ſeiner Arbeitsſtube ein rothes Portefeuille,
womit er mit mir ans Fenſter trat und es auseinander
legte. „Sehen Sie, ſagte er, hier habe ich alles bey¬
ſammen, was auf mein Verhaͤltniß zu Lord Byron
Bezug hat. Hier iſt ſein Brief aus Livorno, dieß iſt
ein Abdruck ſeiner Dedication, dieß mein Gedicht, hier
das, was ich zu Medwins Converſationen geſchrieben;
nun fehlt mir bloß ſein Brief aus Genua, aber ſie will
ihn nicht hergeben.“
Goethe ſagte mir ſodann von einer freundlichen
Aufforderung, die in Bezug auf Lord Byron heute
aus England an ihn ergangen und die ihn ſehr ange¬
nehm beruͤhrt habe. Sein Geiſt war bey dieſer Gele¬
genheit ganz von Byron voll und er ergoß ſich uͤber
ihn, ſeine Werke und ſein Talent in tauſend intereſ¬
ſanten Äußerungen.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/268>, abgerufen am 28.11.2024.
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