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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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wieder und Goethe hielt oft inne, um sich mit mir
über das Treffende einzelner Stellen zu freuen.

"Macbeth, sagte Goethe bey dieser Gelegenheit,
halte ich für Shakspeare's bestes Theaterstück, es ist
darin der meiste Verstand in Bezug auf die Bühne.
Wollen Sie aber seinen freyen Geist erkennen, so lesen
Sie Troilus und Cressida, wo er den Stoff der Ilias
auf seine Weise behandelt."

Das Gespräch wendete sich auf Byron, und zwar
wie er gegen Shakspeare's unschuldige Heiterkeit im
Nachtheil stehe, und wie er durch sein vielfältig nega¬
tives Wirken sich so häufigen und meistentheils nicht
ungerechten Tadel zugezogen habe. "Hätte Byron Ge¬
legenheit gehabt, sagte Goethe, sich alles dessen, was
von Opposition in ihm war, durch wiederholte derbe
Äußerungen im Parlament zu entledigen, so würde er
als Poet weit reiner dastehen. So aber, da er im Parla¬
ment kaum zum Reden gekommen ist, hat er alles, was er
gegen seine Nation auf dem Herzen hatte, bey sich behal¬
ten, und es ist ihm, um sich davon zu befreyen, kein an¬
deres Mittel geblieben, als es poetisch zu verarbeiten und
auszusprechen. Einen großen Theil der negativen Wir¬
kungen Byrons möchte ich daher verhaltene Par¬
lamentsreden
nennen, und ich glaube sie dadurch
nicht unpassend bezeichnet zu haben."

Es kam darauf einer unserer neuesten deutschen
Dichter zur Erwähnung, der sich in kurzer Zeit einen

wieder und Goethe hielt oft inne, um ſich mit mir
uͤber das Treffende einzelner Stellen zu freuen.

„Macbeth, ſagte Goethe bey dieſer Gelegenheit,
halte ich fuͤr Shakſpeare's beſtes Theaterſtuͤck, es iſt
darin der meiſte Verſtand in Bezug auf die Buͤhne.
Wollen Sie aber ſeinen freyen Geiſt erkennen, ſo leſen
Sie Troilus und Creſſida, wo er den Stoff der Ilias
auf ſeine Weiſe behandelt.“

Das Geſpraͤch wendete ſich auf Byron, und zwar
wie er gegen Shakſpeare's unſchuldige Heiterkeit im
Nachtheil ſtehe, und wie er durch ſein vielfaͤltig nega¬
tives Wirken ſich ſo haͤufigen und meiſtentheils nicht
ungerechten Tadel zugezogen habe. „Haͤtte Byron Ge¬
legenheit gehabt, ſagte Goethe, ſich alles deſſen, was
von Oppoſition in ihm war, durch wiederholte derbe
Äußerungen im Parlament zu entledigen, ſo wuͤrde er
als Poet weit reiner daſtehen. So aber, da er im Parla¬
ment kaum zum Reden gekommen iſt, hat er alles, was er
gegen ſeine Nation auf dem Herzen hatte, bey ſich behal¬
ten, und es iſt ihm, um ſich davon zu befreyen, kein an¬
deres Mittel geblieben, als es poetiſch zu verarbeiten und
auszuſprechen. Einen großen Theil der negativen Wir¬
kungen Byrons moͤchte ich daher verhaltene Par¬
lamentsreden
nennen, und ich glaube ſie dadurch
nicht unpaſſend bezeichnet zu haben.“

Es kam darauf einer unſerer neueſten deutſchen
Dichter zur Erwaͤhnung, der ſich in kurzer Zeit einen

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[233/0253] wieder und Goethe hielt oft inne, um ſich mit mir uͤber das Treffende einzelner Stellen zu freuen. „Macbeth, ſagte Goethe bey dieſer Gelegenheit, halte ich fuͤr Shakſpeare's beſtes Theaterſtuͤck, es iſt darin der meiſte Verſtand in Bezug auf die Buͤhne. Wollen Sie aber ſeinen freyen Geiſt erkennen, ſo leſen Sie Troilus und Creſſida, wo er den Stoff der Ilias auf ſeine Weiſe behandelt.“ Das Geſpraͤch wendete ſich auf Byron, und zwar wie er gegen Shakſpeare's unſchuldige Heiterkeit im Nachtheil ſtehe, und wie er durch ſein vielfaͤltig nega¬ tives Wirken ſich ſo haͤufigen und meiſtentheils nicht ungerechten Tadel zugezogen habe. „Haͤtte Byron Ge¬ legenheit gehabt, ſagte Goethe, ſich alles deſſen, was von Oppoſition in ihm war, durch wiederholte derbe Äußerungen im Parlament zu entledigen, ſo wuͤrde er als Poet weit reiner daſtehen. So aber, da er im Parla¬ ment kaum zum Reden gekommen iſt, hat er alles, was er gegen ſeine Nation auf dem Herzen hatte, bey ſich behal¬ ten, und es iſt ihm, um ſich davon zu befreyen, kein an¬ deres Mittel geblieben, als es poetiſch zu verarbeiten und auszuſprechen. Einen großen Theil der negativen Wir¬ kungen Byrons moͤchte ich daher verhaltene Par¬ lamentsreden nennen, und ich glaube ſie dadurch nicht unpaſſend bezeichnet zu haben.“ Es kam darauf einer unſerer neueſten deutſchen Dichter zur Erwaͤhnung, der ſich in kurzer Zeit einen

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/253>, abgerufen am 22.11.2024.