Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

angeht und sich sodann in der Grenze des Begreiflichen
zu halten."

"Die Handlungen des Universums zu messen, rei¬
chen seine Fähigkeiten nicht hin, und in das Weltall
Vernunft bringen zu wollen, ist bey seinem kleinen
Standpunct ein sehr vergebliches Bestreben. Die Ver¬
nunft des Menschen und die Vernunft der Gottheit sind
zwey sehr verschiedene Dinge."

"Sobald wir dem Menschen die Freyheit zugestehen,
ist es um die Allwissenheit Gottes gethan; denn sobald
die Gottheit weiß, was ich thun werde, bin ich ge¬
zwungen zu handeln, wie sie es weiß."

"Dieses führe ich nur an als ein Zeichen, wie we¬
nig wir wissen, und daß an göttlichen Geheimnissen
nicht gut zu rühren ist."

"Auch sollen wir höhere Maximen nur aussprechen,
insofern sie der Welt zu gute kommen. Andere sollen
wir bey uns behalten, aber sie mögen und werden auf
das, was wir thun, wie der milde Schein einer ver¬
borgenen Sonne ihren Glanz breiten."


15 *

angeht und ſich ſodann in der Grenze des Begreiflichen
zu halten.“

„Die Handlungen des Univerſums zu meſſen, rei¬
chen ſeine Faͤhigkeiten nicht hin, und in das Weltall
Vernunft bringen zu wollen, iſt bey ſeinem kleinen
Standpunct ein ſehr vergebliches Beſtreben. Die Ver¬
nunft des Menſchen und die Vernunft der Gottheit ſind
zwey ſehr verſchiedene Dinge.“

„Sobald wir dem Menſchen die Freyheit zugeſtehen,
iſt es um die Allwiſſenheit Gottes gethan; denn ſobald
die Gottheit weiß, was ich thun werde, bin ich ge¬
zwungen zu handeln, wie ſie es weiß.“

„Dieſes fuͤhre ich nur an als ein Zeichen, wie we¬
nig wir wiſſen, und daß an goͤttlichen Geheimniſſen
nicht gut zu ruͤhren iſt.“

„Auch ſollen wir hoͤhere Maximen nur ausſprechen,
inſofern ſie der Welt zu gute kommen. Andere ſollen
wir bey uns behalten, aber ſie moͤgen und werden auf
das, was wir thun, wie der milde Schein einer ver¬
borgenen Sonne ihren Glanz breiten.“


15 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0247" n="227"/>
angeht und &#x017F;ich &#x017F;odann in der Grenze des Begreiflichen<lb/>
zu halten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Handlungen des Univer&#x017F;ums zu me&#x017F;&#x017F;en, rei¬<lb/>
chen &#x017F;eine Fa&#x0364;higkeiten nicht hin, und in das Weltall<lb/>
Vernunft bringen zu wollen, i&#x017F;t bey &#x017F;einem kleinen<lb/>
Standpunct ein &#x017F;ehr vergebliches Be&#x017F;treben. Die Ver¬<lb/>
nunft des Men&#x017F;chen und die Vernunft der Gottheit &#x017F;ind<lb/>
zwey &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedene Dinge.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sobald wir dem Men&#x017F;chen die Freyheit zuge&#x017F;tehen,<lb/>
i&#x017F;t es um die Allwi&#x017F;&#x017F;enheit Gottes gethan; denn &#x017F;obald<lb/>
die Gottheit weiß, was ich thun werde, bin ich ge¬<lb/>
zwungen zu handeln, wie &#x017F;ie es weiß.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die&#x017F;es fu&#x0364;hre ich nur an als ein Zeichen, wie we¬<lb/>
nig wir wi&#x017F;&#x017F;en, und daß an go&#x0364;ttlichen Geheimni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht gut zu ru&#x0364;hren i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Auch &#x017F;ollen wir ho&#x0364;here Maximen nur aus&#x017F;prechen,<lb/>
in&#x017F;ofern &#x017F;ie der Welt zu gute kommen. Andere &#x017F;ollen<lb/>
wir bey uns behalten, aber &#x017F;ie mo&#x0364;gen und werden auf<lb/>
das, was wir thun, wie der milde Schein einer ver¬<lb/>
borgenen Sonne ihren Glanz breiten.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">15 *<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0247] angeht und ſich ſodann in der Grenze des Begreiflichen zu halten.“ „Die Handlungen des Univerſums zu meſſen, rei¬ chen ſeine Faͤhigkeiten nicht hin, und in das Weltall Vernunft bringen zu wollen, iſt bey ſeinem kleinen Standpunct ein ſehr vergebliches Beſtreben. Die Ver¬ nunft des Menſchen und die Vernunft der Gottheit ſind zwey ſehr verſchiedene Dinge.“ „Sobald wir dem Menſchen die Freyheit zugeſtehen, iſt es um die Allwiſſenheit Gottes gethan; denn ſobald die Gottheit weiß, was ich thun werde, bin ich ge¬ zwungen zu handeln, wie ſie es weiß.“ „Dieſes fuͤhre ich nur an als ein Zeichen, wie we¬ nig wir wiſſen, und daß an goͤttlichen Geheimniſſen nicht gut zu ruͤhren iſt.“ „Auch ſollen wir hoͤhere Maximen nur ausſprechen, inſofern ſie der Welt zu gute kommen. Andere ſollen wir bey uns behalten, aber ſie moͤgen und werden auf das, was wir thun, wie der milde Schein einer ver¬ borgenen Sonne ihren Glanz breiten.“ 15 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/247
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/247>, abgerufen am 22.11.2024.