etwas Tüchtiges, Gesundes und daher Allgemeines ist, das sich wiederholt. Die französische Geschichte dagegen ist nicht für die Poesie, denn sie stellt eine Lebens-Epoche dar, die nicht wiederkommt. Die Literatur dieses Volkes, insofern sie auf jener Epoche gegründet ist, steht daher als ein Besonderes da, das mit der Zeit veralten wird."
"Die jetzige Epoche der französischen Literatur, sagte Goethe später, ist gar nicht zu beurtheilen. Das ein¬ dringende Deutsche bringt darin eine große Gährung hervor und erst nach zwanzig Jahren wird man sehen, was dieß für ein Resultat giebt."
Wir sprachen darauf über Ästhetiker, welche das Wesen der Poesie und des Dichters durch abstracte De¬ finitionen auszudrücken sich abmühen, ohne jedoch zu einem klaren Resultat zu kommen.
"Was ist da viel zu definiren, sagte Goethe. Le¬ bendiges Gefühl der Zustände und Fähigkeit es auszu¬ drücken macht den Poeten. --"
Mittwoch den 15. October 1825.
Ich fand Goethe diesen Abend in besonders hoher Stimmung und hatte die Freude, aus seinem Munde abermals manches Bedeutende zu hören. Wir sprachen über den Zustand der neuesten Literatur, wo denn Goethe sich folgendermaßen äußerte.
etwas Tuͤchtiges, Geſundes und daher Allgemeines iſt, das ſich wiederholt. Die franzoͤſiſche Geſchichte dagegen iſt nicht fuͤr die Poeſie, denn ſie ſtellt eine Lebens-Epoche dar, die nicht wiederkommt. Die Literatur dieſes Volkes, inſofern ſie auf jener Epoche gegruͤndet iſt, ſteht daher als ein Beſonderes da, das mit der Zeit veralten wird.“
„Die jetzige Epoche der franzoͤſiſchen Literatur, ſagte Goethe ſpaͤter, iſt gar nicht zu beurtheilen. Das ein¬ dringende Deutſche bringt darin eine große Gaͤhrung hervor und erſt nach zwanzig Jahren wird man ſehen, was dieß fuͤr ein Reſultat giebt.“
Wir ſprachen darauf uͤber Äſthetiker, welche das Weſen der Poeſie und des Dichters durch abſtracte De¬ finitionen auszudruͤcken ſich abmuͤhen, ohne jedoch zu einem klaren Reſultat zu kommen.
„Was iſt da viel zu definiren, ſagte Goethe. Le¬ bendiges Gefuͤhl der Zuſtaͤnde und Faͤhigkeit es auszu¬ druͤcken macht den Poeten. —“
Mittwoch den 15. October 1825.
Ich fand Goethe dieſen Abend in beſonders hoher Stimmung und hatte die Freude, aus ſeinem Munde abermals manches Bedeutende zu hoͤren. Wir ſprachen uͤber den Zuſtand der neueſten Literatur, wo denn Goethe ſich folgendermaßen aͤußerte.
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etwas Tuͤchtiges, Geſundes und daher Allgemeines iſt,
das ſich wiederholt. Die franzoͤſiſche Geſchichte dagegen
iſt nicht fuͤr die Poeſie, denn ſie ſtellt eine Lebens-Epoche
dar, die nicht wiederkommt. Die Literatur dieſes Volkes,
inſofern ſie auf jener Epoche gegruͤndet iſt, ſteht daher
als ein Beſonderes da, das mit der Zeit veralten wird.“
„Die jetzige Epoche der franzoͤſiſchen Literatur, ſagte
Goethe ſpaͤter, iſt gar nicht zu beurtheilen. Das ein¬
dringende Deutſche bringt darin eine große Gaͤhrung
hervor und erſt nach zwanzig Jahren wird man ſehen,
was dieß fuͤr ein Reſultat giebt.“
Wir ſprachen darauf uͤber Äſthetiker, welche das
Weſen der Poeſie und des Dichters durch abſtracte De¬
finitionen auszudruͤcken ſich abmuͤhen, ohne jedoch zu
einem klaren Reſultat zu kommen.
„Was iſt da viel zu definiren, ſagte Goethe. Le¬
bendiges Gefuͤhl der Zuſtaͤnde und Faͤhigkeit es auszu¬
druͤcken macht den Poeten. —“
Mittwoch den 15. October 1825.
Ich fand Goethe dieſen Abend in beſonders hoher
Stimmung und hatte die Freude, aus ſeinem Munde
abermals manches Bedeutende zu hoͤren. Wir ſprachen
uͤber den Zuſtand der neueſten Literatur, wo denn Goethe
ſich folgendermaßen aͤußerte.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/243>, abgerufen am 21.11.2024.
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