auszubauen, als in Goethe's Sinne den Faust fortzu¬ setzen! Denn jenem ließe sich doch allenfalls mathematisch beykommen, er steht uns doch sinnlich vor Augen und läßt sich mit Händen greifen. Mit welchen Schnüren und Maaßen aber wollte man zu einem unsichtbaren geistigen Werk reichen, das durchaus auf dem Subject beruht, bey welchem alles auf das Apercu ankommt, das zum Material ein großes selbst durchlebtes Leben und zur Ausführung eine jahrelang geübte zur Meister¬ schaft gesteigerte Technik erfordert?
Wer ein solches Unternehmen für leicht, ja nur für möglich hält, hat sicher nur ein sehr geringes Talent, eben weil er keine Ahndung vom Hohen und Schwie¬ rigen besitzt; und es ließe sich sehr wohl behaupten, daß, wenn Goethe seinen Faust bis auf eine Lücke von we¬ nigen Versen selbst vollenden wollte, ein solcher Jüng¬ ling nicht fähig seyn würde, nur diese wenigen Verse schicklich hineinzubringen.
Ich will nicht untersuchen, woher unserer jetzigen Jugend die Einbildung gekommen, daß sie dasjenige als etwas Angeborenes bereits mit sich bringe, was man bisher nur auf dem Wege vieljähriger Studien und Erfahrungen erlangen konnte, aber soviel glaube ich sagen zu können, daß die in Deutschland jetzt so häufig vorkommenden Äußerungen eines alle Stufen allmäh¬ licher Entwickelung keck überschreitenden Sinnes zu künf¬ tigen Meisterwerken wenige Hoffnung machen.
auszubauen, als in Goethe's Sinne den Fauſt fortzu¬ ſetzen! Denn jenem ließe ſich doch allenfalls mathematiſch beykommen, er ſteht uns doch ſinnlich vor Augen und laͤßt ſich mit Haͤnden greifen. Mit welchen Schnuͤren und Maaßen aber wollte man zu einem unſichtbaren geiſtigen Werk reichen, das durchaus auf dem Subject beruht, bey welchem alles auf das Aperçu ankommt, das zum Material ein großes ſelbſt durchlebtes Leben und zur Ausfuͤhrung eine jahrelang geuͤbte zur Meiſter¬ ſchaft geſteigerte Technik erfordert?
Wer ein ſolches Unternehmen fuͤr leicht, ja nur fuͤr moͤglich haͤlt, hat ſicher nur ein ſehr geringes Talent, eben weil er keine Ahndung vom Hohen und Schwie¬ rigen beſitzt; und es ließe ſich ſehr wohl behaupten, daß, wenn Goethe ſeinen Fauſt bis auf eine Luͤcke von we¬ nigen Verſen ſelbſt vollenden wollte, ein ſolcher Juͤng¬ ling nicht faͤhig ſeyn wuͤrde, nur dieſe wenigen Verſe ſchicklich hineinzubringen.
Ich will nicht unterſuchen, woher unſerer jetzigen Jugend die Einbildung gekommen, daß ſie dasjenige als etwas Angeborenes bereits mit ſich bringe, was man bisher nur auf dem Wege vieljaͤhriger Studien und Erfahrungen erlangen konnte, aber ſoviel glaube ich ſagen zu koͤnnen, daß die in Deutſchland jetzt ſo haͤufig vorkommenden Äußerungen eines alle Stufen allmaͤh¬ licher Entwickelung keck uͤberſchreitenden Sinnes zu kuͤnf¬ tigen Meiſterwerken wenige Hoffnung machen.
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auszubauen, als in Goethe's Sinne den Fauſt fortzu¬
ſetzen! Denn jenem ließe ſich doch allenfalls mathematiſch
beykommen, er ſteht uns doch ſinnlich vor Augen und
laͤßt ſich mit Haͤnden greifen. Mit welchen Schnuͤren
und Maaßen aber wollte man zu einem unſichtbaren
geiſtigen Werk reichen, das durchaus auf dem Subject
beruht, bey welchem alles auf das Aperçu ankommt,
das zum Material ein großes ſelbſt durchlebtes Leben
und zur Ausfuͤhrung eine jahrelang geuͤbte zur Meiſter¬
ſchaft geſteigerte Technik erfordert?
Wer ein ſolches Unternehmen fuͤr leicht, ja nur fuͤr
moͤglich haͤlt, hat ſicher nur ein ſehr geringes Talent,
eben weil er keine Ahndung vom Hohen und Schwie¬
rigen beſitzt; und es ließe ſich ſehr wohl behaupten, daß,
wenn Goethe ſeinen Fauſt bis auf eine Luͤcke von we¬
nigen Verſen ſelbſt vollenden wollte, ein ſolcher Juͤng¬
ling nicht faͤhig ſeyn wuͤrde, nur dieſe wenigen Verſe
ſchicklich hineinzubringen.
Ich will nicht unterſuchen, woher unſerer jetzigen
Jugend die Einbildung gekommen, daß ſie dasjenige
als etwas Angeborenes bereits mit ſich bringe, was man
bisher nur auf dem Wege vieljaͤhriger Studien und
Erfahrungen erlangen konnte, aber ſoviel glaube ich
ſagen zu koͤnnen, daß die in Deutſchland jetzt ſo haͤufig
vorkommenden Äußerungen eines alle Stufen allmaͤh¬
licher Entwickelung keck uͤberſchreitenden Sinnes zu kuͤnf¬
tigen Meiſterwerken wenige Hoffnung machen.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/228>, abgerufen am 24.11.2024.
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