neuer Gedichte, so wie den erwähnten Theater-Catechis¬ mus und eine skizzirte Abhandlung über den Dilettan¬ tismus in den verschiedenen Künsten.
Jener Vorsatz, den Rhein zu sehen, war indeß in mir beständig wach geblieben, und damit ich nicht fer¬ ner den Stachel einer unbefriedigten Sehnsucht in mir tragen möchte, so rieth Goethe selber dazu, einige Mo¬ nate dieses Sommers auf einen Besuch jener Gegenden zu verwenden.
Es war jedoch sein ganz entschiedener Wunsch, daß ich nach Weimar zurückkehren möchte. Er führte an, daß es nicht gut sey, kaum geknüpfte Verhältnisse wie¬ der zu zerreißen, und daß alles im Leben, wenn es gedeihen wolle, eine Folge haben müsse. Er ließ dabey nicht undeutlich merken, daß er mich in Verbindung mit Riemer dazu ausersehen, ihn nicht allein bey der bevorstehenden neuen Ausgabe seiner Werke thätigst zu unterstützen, sondern auch jenes Geschäft mit gedachtem Freunde allein zu übernehmen, im Fall er bey seinem hohen Alter abgerufen werden sollte.
Er zeigte mir diesen Morgen große Convolute seiner Correspondenz, die er im sogenannten Büsten-Zimmer hatte auseinander legen lassen. "Es sind dieß alle Briefe, sagte er, die seit Anno 1780 von den bedeu¬ tendsten Männern der Nation an mich eingegangen; es steckt darin ein wahrer Schatz von Ideen, und es soll ihre öffentliche Mittheilung Euch künftig vorbehalten
neuer Gedichte, ſo wie den erwaͤhnten Theater-Catechis¬ mus und eine ſkizzirte Abhandlung uͤber den Dilettan¬ tismus in den verſchiedenen Kuͤnſten.
Jener Vorſatz, den Rhein zu ſehen, war indeß in mir beſtaͤndig wach geblieben, und damit ich nicht fer¬ ner den Stachel einer unbefriedigten Sehnſucht in mir tragen moͤchte, ſo rieth Goethe ſelber dazu, einige Mo¬ nate dieſes Sommers auf einen Beſuch jener Gegenden zu verwenden.
Es war jedoch ſein ganz entſchiedener Wunſch, daß ich nach Weimar zuruͤckkehren moͤchte. Er fuͤhrte an, daß es nicht gut ſey, kaum geknuͤpfte Verhaͤltniſſe wie¬ der zu zerreißen, und daß alles im Leben, wenn es gedeihen wolle, eine Folge haben muͤſſe. Er ließ dabey nicht undeutlich merken, daß er mich in Verbindung mit Riemer dazu auserſehen, ihn nicht allein bey der bevorſtehenden neuen Ausgabe ſeiner Werke thaͤtigſt zu unterſtuͤtzen, ſondern auch jenes Geſchaͤft mit gedachtem Freunde allein zu uͤbernehmen, im Fall er bey ſeinem hohen Alter abgerufen werden ſollte.
Er zeigte mir dieſen Morgen große Convolute ſeiner Correſpondenz, die er im ſogenannten Buͤſten-Zimmer hatte auseinander legen laſſen. „Es ſind dieß alle Briefe, ſagte er, die ſeit Anno 1780 von den bedeu¬ tendſten Maͤnnern der Nation an mich eingegangen; es ſteckt darin ein wahrer Schatz von Ideen, und es ſoll ihre oͤffentliche Mittheilung Euch kuͤnftig vorbehalten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0177"n="157"/>
neuer Gedichte, ſo wie den erwaͤhnten Theater-Catechis¬<lb/>
mus und eine ſkizzirte Abhandlung uͤber den Dilettan¬<lb/>
tismus in den verſchiedenen Kuͤnſten.</p><lb/><p>Jener Vorſatz, den Rhein zu ſehen, war indeß in<lb/>
mir beſtaͤndig wach geblieben, und damit ich nicht fer¬<lb/>
ner den Stachel einer unbefriedigten Sehnſucht in mir<lb/>
tragen moͤchte, ſo rieth Goethe ſelber dazu, einige Mo¬<lb/>
nate dieſes Sommers auf einen Beſuch jener Gegenden<lb/>
zu verwenden.</p><lb/><p>Es war jedoch ſein ganz entſchiedener Wunſch, daß<lb/>
ich nach Weimar zuruͤckkehren moͤchte. Er fuͤhrte an,<lb/>
daß es nicht gut ſey, kaum geknuͤpfte Verhaͤltniſſe wie¬<lb/>
der zu zerreißen, und daß alles im Leben, wenn es<lb/>
gedeihen wolle, eine Folge haben muͤſſe. Er ließ dabey<lb/>
nicht undeutlich merken, daß er mich in Verbindung<lb/>
mit <hirendition="#g">Riemer</hi> dazu auserſehen, ihn nicht allein bey der<lb/>
bevorſtehenden neuen Ausgabe ſeiner Werke thaͤtigſt zu<lb/>
unterſtuͤtzen, ſondern auch jenes Geſchaͤft mit gedachtem<lb/>
Freunde allein zu uͤbernehmen, im Fall er bey ſeinem<lb/>
hohen Alter abgerufen werden ſollte.</p><lb/><p>Er zeigte mir dieſen Morgen große Convolute ſeiner<lb/>
Correſpondenz, die er im ſogenannten Buͤſten-Zimmer<lb/>
hatte auseinander legen laſſen. „Es ſind dieß alle<lb/>
Briefe, ſagte er, die ſeit Anno 1780 von den bedeu¬<lb/>
tendſten Maͤnnern der Nation an mich eingegangen; es<lb/>ſteckt darin ein wahrer Schatz von Ideen, und es ſoll<lb/>
ihre oͤffentliche Mittheilung Euch kuͤnftig vorbehalten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[157/0177]
neuer Gedichte, ſo wie den erwaͤhnten Theater-Catechis¬
mus und eine ſkizzirte Abhandlung uͤber den Dilettan¬
tismus in den verſchiedenen Kuͤnſten.
Jener Vorſatz, den Rhein zu ſehen, war indeß in
mir beſtaͤndig wach geblieben, und damit ich nicht fer¬
ner den Stachel einer unbefriedigten Sehnſucht in mir
tragen moͤchte, ſo rieth Goethe ſelber dazu, einige Mo¬
nate dieſes Sommers auf einen Beſuch jener Gegenden
zu verwenden.
Es war jedoch ſein ganz entſchiedener Wunſch, daß
ich nach Weimar zuruͤckkehren moͤchte. Er fuͤhrte an,
daß es nicht gut ſey, kaum geknuͤpfte Verhaͤltniſſe wie¬
der zu zerreißen, und daß alles im Leben, wenn es
gedeihen wolle, eine Folge haben muͤſſe. Er ließ dabey
nicht undeutlich merken, daß er mich in Verbindung
mit Riemer dazu auserſehen, ihn nicht allein bey der
bevorſtehenden neuen Ausgabe ſeiner Werke thaͤtigſt zu
unterſtuͤtzen, ſondern auch jenes Geſchaͤft mit gedachtem
Freunde allein zu uͤbernehmen, im Fall er bey ſeinem
hohen Alter abgerufen werden ſollte.
Er zeigte mir dieſen Morgen große Convolute ſeiner
Correſpondenz, die er im ſogenannten Buͤſten-Zimmer
hatte auseinander legen laſſen. „Es ſind dieß alle
Briefe, ſagte er, die ſeit Anno 1780 von den bedeu¬
tendſten Maͤnnern der Nation an mich eingegangen; es
ſteckt darin ein wahrer Schatz von Ideen, und es ſoll
ihre oͤffentliche Mittheilung Euch kuͤnftig vorbehalten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/177>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.