im kräftigen mittleren Mannesalter, sehr braun und etwas stark. Der Ausdruck des wenig belebten Gesich¬ tes ist sehr ernst; man glaubt einen Mann zu sehen, dem die Last künftiger Thaten auf der Seele liegt.
Wir gingen die Treppe hinauf in die oberen Zim¬ mer; ich fand deren drey und ein Cabinetchen, aber alle sehr klein und ohne eigentliche Bequemlichkeit. Goethe sagte, daß er in früheren Jahren hier eine ganze Zeit mit Freuden gewohnt und sehr ruhig gearbeitet habe.
Die Temperatur dieser Zimmer war etwas kühl und wir trachteten wieder nach der milden Wärme im Freyen. In dem Hauptwege in der Mittagssonne auf- und abgehend, kam das Gespräch auf die neueste Lite¬ ratur, auf Schelling, und unter andern auch auf einige neue Schauspiele von Platen.
Bald jedoch kehrte unsere Aufmerksamkeit auf die uns umgebende nächste Natur zurück. Die Kaiserkronen und Lilien sproßten schon mächtig, auch kamen die Mal¬ ven zu beyden Seiten des Weges schon grünend hervor.
Der obere Theil des Gartens, am Abhange des Hügels, liegt als Wiese mit einzelnen zerstreut stehenden Obstbäumen. Wege schlängeln sich hinauf, längs der Höhe hin und wieder herunter, welches einige Neigung in mir erregte mich oben umzusehen. Goethe schritt, diese Wege hinansteigend, mir rasch voran und ich freute mich über seine Rüstigkeit.
Oben an der Hecke fanden wir eine Pfauhenne, die
im kraͤftigen mittleren Mannesalter, ſehr braun und etwas ſtark. Der Ausdruck des wenig belebten Geſich¬ tes iſt ſehr ernſt; man glaubt einen Mann zu ſehen, dem die Laſt kuͤnftiger Thaten auf der Seele liegt.
Wir gingen die Treppe hinauf in die oberen Zim¬ mer; ich fand deren drey und ein Cabinetchen, aber alle ſehr klein und ohne eigentliche Bequemlichkeit. Goethe ſagte, daß er in fruͤheren Jahren hier eine ganze Zeit mit Freuden gewohnt und ſehr ruhig gearbeitet habe.
Die Temperatur dieſer Zimmer war etwas kuͤhl und wir trachteten wieder nach der milden Waͤrme im Freyen. In dem Hauptwege in der Mittagsſonne auf- und abgehend, kam das Geſpraͤch auf die neueſte Lite¬ ratur, auf Schelling, und unter andern auch auf einige neue Schauſpiele von Platen.
Bald jedoch kehrte unſere Aufmerkſamkeit auf die uns umgebende naͤchſte Natur zuruͤck. Die Kaiſerkronen und Lilien ſproßten ſchon maͤchtig, auch kamen die Mal¬ ven zu beyden Seiten des Weges ſchon gruͤnend hervor.
Der obere Theil des Gartens, am Abhange des Huͤgels, liegt als Wieſe mit einzelnen zerſtreut ſtehenden Obſtbaͤumen. Wege ſchlaͤngeln ſich hinauf, laͤngs der Hoͤhe hin und wieder herunter, welches einige Neigung in mir erregte mich oben umzuſehen. Goethe ſchritt, dieſe Wege hinanſteigend, mir raſch voran und ich freute mich uͤber ſeine Ruͤſtigkeit.
Oben an der Hecke fanden wir eine Pfauhenne, die
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im kraͤftigen mittleren Mannesalter, ſehr braun und
etwas ſtark. Der Ausdruck des wenig belebten Geſich¬
tes iſt ſehr ernſt; man glaubt einen Mann zu ſehen,
dem die Laſt kuͤnftiger Thaten auf der Seele liegt.
Wir gingen die Treppe hinauf in die oberen Zim¬
mer; ich fand deren drey und ein Cabinetchen, aber alle
ſehr klein und ohne eigentliche Bequemlichkeit. Goethe
ſagte, daß er in fruͤheren Jahren hier eine ganze Zeit
mit Freuden gewohnt und ſehr ruhig gearbeitet habe.
Die Temperatur dieſer Zimmer war etwas kuͤhl
und wir trachteten wieder nach der milden Waͤrme im
Freyen. In dem Hauptwege in der Mittagsſonne auf-
und abgehend, kam das Geſpraͤch auf die neueſte Lite¬
ratur, auf Schelling, und unter andern auch auf einige
neue Schauſpiele von Platen.
Bald jedoch kehrte unſere Aufmerkſamkeit auf die
uns umgebende naͤchſte Natur zuruͤck. Die Kaiſerkronen
und Lilien ſproßten ſchon maͤchtig, auch kamen die Mal¬
ven zu beyden Seiten des Weges ſchon gruͤnend hervor.
Der obere Theil des Gartens, am Abhange des
Huͤgels, liegt als Wieſe mit einzelnen zerſtreut ſtehenden
Obſtbaͤumen. Wege ſchlaͤngeln ſich hinauf, laͤngs der
Hoͤhe hin und wieder herunter, welches einige Neigung
in mir erregte mich oben umzuſehen. Goethe ſchritt,
dieſe Wege hinanſteigend, mir raſch voran und ich freute
mich uͤber ſeine Ruͤſtigkeit.
Oben an der Hecke fanden wir eine Pfauhenne, die
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/157>, abgerufen am 27.11.2024.
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