das Ufer gleichfalls hügelartig, an dessen Abhängen und auf dessen Höhe, in den mannigfaltigen Laub-Schatti¬ rungen hoher Erlen, Eschen, Pappelweiden und Birken, der sich breit hinziehende Park grünet, indem er den Horizont gegen Mittag und Abend in erfreulicher Ent¬ fernung begrenzet.
Diese Ansicht des Parkes über die Wiese hin, be¬ sonders im Sommer, gewährt den Eindruck, als sey man in der Nähe eines Waldes, der sich Stundenweit ausdehnt. Man denkt, es müsse jeden Augenblick ein Hirsch, ein Reh auf die Wiesenfläche hervorkommen. Man fühlt sich in den Frieden tiefer Natureinsamkeit versetzt, denn die große Stille ist oft durch nichts unter¬ brochen, als durch die einsamen Töne der Amsel oder durch den pausenweise abwechselnden Gesang einer Wald¬ drossel.
Aus solchen Träumen gänzlicher Abgeschiedenheit er¬ wecket uns jedoch das gelegentliche Schlagen der Thurm¬ uhr, das Geschrey der Pfauen von der Höhe des Parks herüber, oder das Trommeln und Hörnerblasen des Militairs der Caserne. Und zwar nicht unangenehm; denn es erwacht mit solchen Tönen das behagliche Nähe¬ gefühl der heimatlichen Stadt, von der man sich meilen¬ weit versetzt glaubte.
Zu gewissen Tages- und Jahres-Zeiten sind diese Wiesenflächen nichts weniger als einsam. Bald sieht man Landleute, die nach Weimar zu Markt oder in
das Ufer gleichfalls huͤgelartig, an deſſen Abhaͤngen und auf deſſen Hoͤhe, in den mannigfaltigen Laub-Schatti¬ rungen hoher Erlen, Eſchen, Pappelweiden und Birken, der ſich breit hinziehende Park gruͤnet, indem er den Horizont gegen Mittag und Abend in erfreulicher Ent¬ fernung begrenzet.
Dieſe Anſicht des Parkes uͤber die Wieſe hin, be¬ ſonders im Sommer, gewaͤhrt den Eindruck, als ſey man in der Naͤhe eines Waldes, der ſich Stundenweit ausdehnt. Man denkt, es muͤſſe jeden Augenblick ein Hirſch, ein Reh auf die Wieſenflaͤche hervorkommen. Man fuͤhlt ſich in den Frieden tiefer Natureinſamkeit verſetzt, denn die große Stille iſt oft durch nichts unter¬ brochen, als durch die einſamen Toͤne der Amſel oder durch den pauſenweiſe abwechſelnden Geſang einer Wald¬ droſſel.
Aus ſolchen Traͤumen gaͤnzlicher Abgeſchiedenheit er¬ wecket uns jedoch das gelegentliche Schlagen der Thurm¬ uhr, das Geſchrey der Pfauen von der Hoͤhe des Parks heruͤber, oder das Trommeln und Hoͤrnerblaſen des Militairs der Caſerne. Und zwar nicht unangenehm; denn es erwacht mit ſolchen Toͤnen das behagliche Naͤhe¬ gefuͤhl der heimatlichen Stadt, von der man ſich meilen¬ weit verſetzt glaubte.
Zu gewiſſen Tages- und Jahres-Zeiten ſind dieſe Wieſenflaͤchen nichts weniger als einſam. Bald ſieht man Landleute, die nach Weimar zu Markt oder in
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das Ufer gleichfalls huͤgelartig, an deſſen Abhaͤngen und
auf deſſen Hoͤhe, in den mannigfaltigen Laub-Schatti¬
rungen hoher Erlen, Eſchen, Pappelweiden und Birken,
der ſich breit hinziehende Park gruͤnet, indem er den
Horizont gegen Mittag und Abend in erfreulicher Ent¬
fernung begrenzet.
Dieſe Anſicht des Parkes uͤber die Wieſe hin, be¬
ſonders im Sommer, gewaͤhrt den Eindruck, als ſey
man in der Naͤhe eines Waldes, der ſich Stundenweit
ausdehnt. Man denkt, es muͤſſe jeden Augenblick ein
Hirſch, ein Reh auf die Wieſenflaͤche hervorkommen.
Man fuͤhlt ſich in den Frieden tiefer Natureinſamkeit
verſetzt, denn die große Stille iſt oft durch nichts unter¬
brochen, als durch die einſamen Toͤne der Amſel oder
durch den pauſenweiſe abwechſelnden Geſang einer Wald¬
droſſel.
Aus ſolchen Traͤumen gaͤnzlicher Abgeſchiedenheit er¬
wecket uns jedoch das gelegentliche Schlagen der Thurm¬
uhr, das Geſchrey der Pfauen von der Hoͤhe des Parks
heruͤber, oder das Trommeln und Hoͤrnerblaſen des
Militairs der Caſerne. Und zwar nicht unangenehm;
denn es erwacht mit ſolchen Toͤnen das behagliche Naͤhe¬
gefuͤhl der heimatlichen Stadt, von der man ſich meilen¬
weit verſetzt glaubte.
Zu gewiſſen Tages- und Jahres-Zeiten ſind dieſe
Wieſenflaͤchen nichts weniger als einſam. Bald ſieht
man Landleute, die nach Weimar zu Markt oder in
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/154>, abgerufen am 27.11.2024.
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