Volke, das so viele verdorbene Elemente in sich hat, ruht auf ganz anderem Fundament als die in England. Es ist in Frankreich alles durch Bestechungen zu errei¬ chen; ja die ganze französische Revolution ist durch Be¬ stechungen geleitet worden."
Darauf erzählte mir Goethe die Nachricht von dem Tode Eugen Napoleons (Herzog von Leuchtenberg), die diesen Morgen eingegangen, welcher Fall ihn tief zu betrüben schien. "Er war einer von den großen Cha¬ racteren, sagte Goethe, die immer seltener werden, und die Welt ist abermals um einen bedeutenden Menschen ärmer. Ich kannte ihn persönlich; noch vorigen Sommer war ich mit ihm in Marienbad zusammen. Er war ein schöner Mann von etwa zwey und vierzig Jahren, aber er schien älter zu seyn, und das war kein Wunder, wenn man bedenkt, was er ausgestanden und wie in seinem Leben sich ein Feldzug und eine große That auf die andere drängte. Er theilte mir in Marienbad einen Plan mit, über dessen Ausführung er viel mit mir verhandelte. Er ging nämlich damit um, den Rhein mit der Donau durch einen Canal zu vereinigen. Ein riesenhaftes Unternehmen! wenn man die widerstrebende Localität bedenkt. Aber jemandem, der unter Napoleon gedient und mit ihm die Welt erschüttert hat, erscheint nichts unmöglich. Carl der Große hatte schon densel¬ bigen Plan und ließ auch mit der Arbeit anfangen, allein das Unternehmen gerieth bald in Stocken: der
Volke, das ſo viele verdorbene Elemente in ſich hat, ruht auf ganz anderem Fundament als die in England. Es iſt in Frankreich alles durch Beſtechungen zu errei¬ chen; ja die ganze franzoͤſiſche Revolution iſt durch Be¬ ſtechungen geleitet worden.“
Darauf erzaͤhlte mir Goethe die Nachricht von dem Tode Eugen Napoleons (Herzog von Leuchtenberg), die dieſen Morgen eingegangen, welcher Fall ihn tief zu betruͤben ſchien. „Er war einer von den großen Cha¬ racteren, ſagte Goethe, die immer ſeltener werden, und die Welt iſt abermals um einen bedeutenden Menſchen aͤrmer. Ich kannte ihn perſoͤnlich; noch vorigen Sommer war ich mit ihm in Marienbad zuſammen. Er war ein ſchoͤner Mann von etwa zwey und vierzig Jahren, aber er ſchien aͤlter zu ſeyn, und das war kein Wunder, wenn man bedenkt, was er ausgeſtanden und wie in ſeinem Leben ſich ein Feldzug und eine große That auf die andere draͤngte. Er theilte mir in Marienbad einen Plan mit, uͤber deſſen Ausfuͤhrung er viel mit mir verhandelte. Er ging naͤmlich damit um, den Rhein mit der Donau durch einen Canal zu vereinigen. Ein rieſenhaftes Unternehmen! wenn man die widerſtrebende Localitaͤt bedenkt. Aber jemandem, der unter Napoleon gedient und mit ihm die Welt erſchuͤttert hat, erſcheint nichts unmoͤglich. Carl der Große hatte ſchon denſel¬ bigen Plan und ließ auch mit der Arbeit anfangen, allein das Unternehmen gerieth bald in Stocken: der
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Volke, das ſo viele verdorbene Elemente in ſich hat,
ruht auf ganz anderem Fundament als die in England.
Es iſt in Frankreich alles durch Beſtechungen zu errei¬
chen; ja die ganze franzoͤſiſche Revolution iſt durch Be¬
ſtechungen geleitet worden.“
Darauf erzaͤhlte mir Goethe die Nachricht von dem
Tode Eugen Napoleons (Herzog von Leuchtenberg),
die dieſen Morgen eingegangen, welcher Fall ihn tief zu
betruͤben ſchien. „Er war einer von den großen Cha¬
racteren, ſagte Goethe, die immer ſeltener werden, und
die Welt iſt abermals um einen bedeutenden Menſchen
aͤrmer. Ich kannte ihn perſoͤnlich; noch vorigen Sommer
war ich mit ihm in Marienbad zuſammen. Er war ein
ſchoͤner Mann von etwa zwey und vierzig Jahren, aber
er ſchien aͤlter zu ſeyn, und das war kein Wunder,
wenn man bedenkt, was er ausgeſtanden und wie in
ſeinem Leben ſich ein Feldzug und eine große That
auf die andere draͤngte. Er theilte mir in Marienbad
einen Plan mit, uͤber deſſen Ausfuͤhrung er viel mit
mir verhandelte. Er ging naͤmlich damit um, den Rhein
mit der Donau durch einen Canal zu vereinigen. Ein
rieſenhaftes Unternehmen! wenn man die widerſtrebende
Localitaͤt bedenkt. Aber jemandem, der unter Napoleon
gedient und mit ihm die Welt erſchuͤttert hat, erſcheint
nichts unmoͤglich. Carl der Große hatte ſchon denſel¬
bigen Plan und ließ auch mit der Arbeit anfangen,
allein das Unternehmen gerieth bald in Stocken: der
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/152>, abgerufen am 27.11.2024.
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