Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Namen weiter erzählen, wenn mir auch das Herz dabei
blutet.

"Laßt mich mit dem Könige beginnen! -- So lange
Phanes in Babylon war, schien derselbe seinen Schmerz
um die Aegypterin vergessen zu haben. Der Athener
durfte ihn niemals verlassen. Sie waren so unzertrenn-
lich, wie Reksch und Rustem *). Kambyses fand in dieser
Gesellschaft auch gar keine Zeit zur Trauer, denn der
Hellene hatte jeden Augenblick neue Einfälle und unter-
hielt nicht nur den König, sondern uns Alle ganz bewun-
derungswürdig. Dabei war ihm Jeder hold; ich glaube,
weil ihn Keiner recht beneiden konnte. Sobald er nämlich
einen Augenblick allein war, traten ihm Thränen über
seinen gemordeten Knaben in die Augen; darum war seine
große Heiterkeit, die er auch auf Deinen ernsten Bruder,
lieber Bartja, zu übertragen verstand, doppelt bewunde-
rungswürdig. -- Alle Morgen ritt er mit Kambyses und
uns Allen zum Euphrat und freute sich an den Uebungen
der Achämeniden Knaben **). Als er die Buben sporn-
streichs an den Sandhügeln vorbeireiten und die auf den-
selben stehenden Töpfe mit Pfeilen zerschießen sah, als er
erblickte, wie sie Holzblöcke auf einander warfen und den-
selben geschickt auswichen 47), gestand er, daß er dies nicht
nachzumachen verstünde, wogegen er sich anbot, im Speere-
werfen und Ringspiele mit uns Allen den Kampf auf-
zunehmen. Lebhaft, wie er ist, sprang er sogleich vom
Pferde, warf, -- es war eine Schande 48), -- die Kleider
ab und schleuderte, zum Jubel der Knaben, den Ring-
meister derselben wie eine Feder in den Sand. Dann

*) S. II. Theil. Anmerk. 117.
**) S. II. Theil. Anmerk. 29.

Namen weiter erzählen, wenn mir auch das Herz dabei
blutet.

„Laßt mich mit dem Könige beginnen! — So lange
Phanes in Babylon war, ſchien derſelbe ſeinen Schmerz
um die Aegypterin vergeſſen zu haben. Der Athener
durfte ihn niemals verlaſſen. Sie waren ſo unzertrenn-
lich, wie Rekſch und Ruſtem *). Kambyſes fand in dieſer
Geſellſchaft auch gar keine Zeit zur Trauer, denn der
Hellene hatte jeden Augenblick neue Einfälle und unter-
hielt nicht nur den König, ſondern uns Alle ganz bewun-
derungswürdig. Dabei war ihm Jeder hold; ich glaube,
weil ihn Keiner recht beneiden konnte. Sobald er nämlich
einen Augenblick allein war, traten ihm Thränen über
ſeinen gemordeten Knaben in die Augen; darum war ſeine
große Heiterkeit, die er auch auf Deinen ernſten Bruder,
lieber Bartja, zu übertragen verſtand, doppelt bewunde-
rungswürdig. — Alle Morgen ritt er mit Kambyſes und
uns Allen zum Euphrat und freute ſich an den Uebungen
der Achämeniden Knaben **). Als er die Buben ſporn-
ſtreichs an den Sandhügeln vorbeireiten und die auf den-
ſelben ſtehenden Töpfe mit Pfeilen zerſchießen ſah, als er
erblickte, wie ſie Holzblöcke auf einander warfen und den-
ſelben geſchickt auswichen 47), geſtand er, daß er dies nicht
nachzumachen verſtünde, wogegen er ſich anbot, im Speere-
werfen und Ringſpiele mit uns Allen den Kampf auf-
zunehmen. Lebhaft, wie er iſt, ſprang er ſogleich vom
Pferde, warf, — es war eine Schande 48), — die Kleider
ab und ſchleuderte, zum Jubel der Knaben, den Ring-
meiſter derſelben wie eine Feder in den Sand. Dann

*) S. II. Theil. Anmerk. 117.
**) S. II. Theil. Anmerk. 29.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="75"/>
Namen weiter erzählen, wenn mir auch das Herz dabei<lb/>
blutet.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Laßt mich mit dem Könige beginnen! &#x2014; So lange<lb/>
Phanes in Babylon war, &#x017F;chien der&#x017F;elbe &#x017F;einen Schmerz<lb/>
um die Aegypterin verge&#x017F;&#x017F;en zu haben. Der Athener<lb/>
durfte ihn niemals verla&#x017F;&#x017F;en. Sie waren &#x017F;o unzertrenn-<lb/>
lich, wie Rek&#x017F;ch und Ru&#x017F;tem <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. Anmerk. 117.</note>. Kamby&#x017F;es fand in die&#x017F;er<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft auch gar keine Zeit zur Trauer, denn der<lb/>
Hellene hatte jeden Augenblick neue Einfälle und unter-<lb/>
hielt nicht nur den König, &#x017F;ondern uns Alle ganz bewun-<lb/>
derungswürdig. Dabei war ihm Jeder hold; ich glaube,<lb/>
weil ihn Keiner recht beneiden konnte. Sobald er nämlich<lb/>
einen Augenblick allein war, traten ihm Thränen über<lb/>
&#x017F;einen gemordeten Knaben in die Augen; darum war &#x017F;eine<lb/>
große Heiterkeit, die er auch auf Deinen ern&#x017F;ten Bruder,<lb/>
lieber Bartja, zu übertragen ver&#x017F;tand, doppelt bewunde-<lb/>
rungswürdig. &#x2014; Alle Morgen ritt er mit Kamby&#x017F;es und<lb/>
uns Allen zum Euphrat und freute &#x017F;ich an den Uebungen<lb/>
der Achämeniden Knaben <note place="foot" n="**)">S. <hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. Anmerk. 29.</note>. Als er die Buben &#x017F;porn-<lb/>
&#x017F;treichs an den Sandhügeln vorbeireiten und die auf den-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;tehenden Töpfe mit Pfeilen zer&#x017F;chießen &#x017F;ah, als er<lb/>
erblickte, wie &#x017F;ie Holzblöcke auf einander warfen und den-<lb/>
&#x017F;elben ge&#x017F;chickt auswichen <hi rendition="#sup">47</hi>), ge&#x017F;tand er, daß er dies nicht<lb/>
nachzumachen ver&#x017F;tünde, wogegen er &#x017F;ich anbot, im Speere-<lb/>
werfen und Ring&#x017F;piele mit uns Allen den Kampf auf-<lb/>
zunehmen. Lebhaft, wie er i&#x017F;t, &#x017F;prang er &#x017F;ogleich vom<lb/>
Pferde, warf, &#x2014; es war eine Schande <hi rendition="#sup">48</hi>), &#x2014; die Kleider<lb/>
ab und &#x017F;chleuderte, zum Jubel der Knaben, den Ring-<lb/>
mei&#x017F;ter der&#x017F;elben wie eine Feder in den Sand. Dann<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0085] Namen weiter erzählen, wenn mir auch das Herz dabei blutet. „Laßt mich mit dem Könige beginnen! — So lange Phanes in Babylon war, ſchien derſelbe ſeinen Schmerz um die Aegypterin vergeſſen zu haben. Der Athener durfte ihn niemals verlaſſen. Sie waren ſo unzertrenn- lich, wie Rekſch und Ruſtem *). Kambyſes fand in dieſer Geſellſchaft auch gar keine Zeit zur Trauer, denn der Hellene hatte jeden Augenblick neue Einfälle und unter- hielt nicht nur den König, ſondern uns Alle ganz bewun- derungswürdig. Dabei war ihm Jeder hold; ich glaube, weil ihn Keiner recht beneiden konnte. Sobald er nämlich einen Augenblick allein war, traten ihm Thränen über ſeinen gemordeten Knaben in die Augen; darum war ſeine große Heiterkeit, die er auch auf Deinen ernſten Bruder, lieber Bartja, zu übertragen verſtand, doppelt bewunde- rungswürdig. — Alle Morgen ritt er mit Kambyſes und uns Allen zum Euphrat und freute ſich an den Uebungen der Achämeniden Knaben **). Als er die Buben ſporn- ſtreichs an den Sandhügeln vorbeireiten und die auf den- ſelben ſtehenden Töpfe mit Pfeilen zerſchießen ſah, als er erblickte, wie ſie Holzblöcke auf einander warfen und den- ſelben geſchickt auswichen 47), geſtand er, daß er dies nicht nachzumachen verſtünde, wogegen er ſich anbot, im Speere- werfen und Ringſpiele mit uns Allen den Kampf auf- zunehmen. Lebhaft, wie er iſt, ſprang er ſogleich vom Pferde, warf, — es war eine Schande 48), — die Kleider ab und ſchleuderte, zum Jubel der Knaben, den Ring- meiſter derſelben wie eine Feder in den Sand. Dann *) S. II. Theil. Anmerk. 117. **) S. II. Theil. Anmerk. 29.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/85
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/85>, abgerufen am 23.11.2024.