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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Nachdem die eigentliche Herkunft der Verstorbenen
unumstößlich festgestellt war," fuhr der Erzähler nach
einer kurzen Pause fort, "schien Kambyses wie umge-
wandelt zu sein. Er berief uns Alle zum Kriegsrath,
und hatte bei Tafel wieder statt der Trauerkleider könig-
liche Gewänder an.

"Jhr könnt euch denken, mit welchem Jubel die Hoff-
nung auf einen Krieg mit Aegypten aufgenommen wurde.
Nicht einmal Krösus, der dem Amasis wohl will, und
sonst, wo er nur immer kann, zum Frieden räth, hatte
dießmal etwas einzuwenden. Am andern Morgen wurde,
wie gewöhnlich, das im Rausche Beschlossene nüchternen
Muthes überdacht. Nachdem verschiedene Ansichten laut
geworden waren, bat Phanes um das Wort und sprach
wohl eine Stunde lang. Aber wie verstand er zu reden!
Es war, als hätten ihm die Götter Wort für Wort in
den Mund gelegt. Unsere Sprache, die er in unglaub-
lich kurzer Zeit erlernt hat, floß wie Honig von seinen
Lippen und lockte bald heiße Thränen aus Aller Augen,
bald stürmischen Jubel und wilde Ausbrüche der Wuth
aus der Brust der Anwesenden. Jede Bewegung seiner
Hände war anmuthig, wie der Wink einer Tänzerin, und
dennoch männlich und würdevoll. -- Jch vermag seine
Rede nicht wiederzugeben, denn meine Worte würden neben
den seinen wie Trommelgerassel neben Donnerschlägen
klingen. Und als wir endlich, hingerissen und begeistert,
den Krieg einstimmig beschlossen hatten, nahm Phanes
noch einmal das Wort und gab die Mittel und Wege
an, durch welche man den Sieg am leichtesten erringen
könnte."

Hier mußte Darius innehalten, denn Zopyros war
ihm mit lauten Jubelrufen um den Hals gefallen. Auch

„Nachdem die eigentliche Herkunft der Verſtorbenen
unumſtößlich feſtgeſtellt war,“ fuhr der Erzähler nach
einer kurzen Pauſe fort, „ſchien Kambyſes wie umge-
wandelt zu ſein. Er berief uns Alle zum Kriegsrath,
und hatte bei Tafel wieder ſtatt der Trauerkleider könig-
liche Gewänder an.

„Jhr könnt euch denken, mit welchem Jubel die Hoff-
nung auf einen Krieg mit Aegypten aufgenommen wurde.
Nicht einmal Kröſus, der dem Amaſis wohl will, und
ſonſt, wo er nur immer kann, zum Frieden räth, hatte
dießmal etwas einzuwenden. Am andern Morgen wurde,
wie gewöhnlich, das im Rauſche Beſchloſſene nüchternen
Muthes überdacht. Nachdem verſchiedene Anſichten laut
geworden waren, bat Phanes um das Wort und ſprach
wohl eine Stunde lang. Aber wie verſtand er zu reden!
Es war, als hätten ihm die Götter Wort für Wort in
den Mund gelegt. Unſere Sprache, die er in unglaub-
lich kurzer Zeit erlernt hat, floß wie Honig von ſeinen
Lippen und lockte bald heiße Thränen aus Aller Augen,
bald ſtürmiſchen Jubel und wilde Ausbrüche der Wuth
aus der Bruſt der Anweſenden. Jede Bewegung ſeiner
Hände war anmuthig, wie der Wink einer Tänzerin, und
dennoch männlich und würdevoll. — Jch vermag ſeine
Rede nicht wiederzugeben, denn meine Worte würden neben
den ſeinen wie Trommelgeraſſel neben Donnerſchlägen
klingen. Und als wir endlich, hingeriſſen und begeiſtert,
den Krieg einſtimmig beſchloſſen hatten, nahm Phanes
noch einmal das Wort und gab die Mittel und Wege
an, durch welche man den Sieg am leichteſten erringen
könnte.“

Hier mußte Darius innehalten, denn Zopyros war
ihm mit lauten Jubelrufen um den Hals gefallen. Auch

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[70/0080] „Nachdem die eigentliche Herkunft der Verſtorbenen unumſtößlich feſtgeſtellt war,“ fuhr der Erzähler nach einer kurzen Pauſe fort, „ſchien Kambyſes wie umge- wandelt zu ſein. Er berief uns Alle zum Kriegsrath, und hatte bei Tafel wieder ſtatt der Trauerkleider könig- liche Gewänder an. „Jhr könnt euch denken, mit welchem Jubel die Hoff- nung auf einen Krieg mit Aegypten aufgenommen wurde. Nicht einmal Kröſus, der dem Amaſis wohl will, und ſonſt, wo er nur immer kann, zum Frieden räth, hatte dießmal etwas einzuwenden. Am andern Morgen wurde, wie gewöhnlich, das im Rauſche Beſchloſſene nüchternen Muthes überdacht. Nachdem verſchiedene Anſichten laut geworden waren, bat Phanes um das Wort und ſprach wohl eine Stunde lang. Aber wie verſtand er zu reden! Es war, als hätten ihm die Götter Wort für Wort in den Mund gelegt. Unſere Sprache, die er in unglaub- lich kurzer Zeit erlernt hat, floß wie Honig von ſeinen Lippen und lockte bald heiße Thränen aus Aller Augen, bald ſtürmiſchen Jubel und wilde Ausbrüche der Wuth aus der Bruſt der Anweſenden. Jede Bewegung ſeiner Hände war anmuthig, wie der Wink einer Tänzerin, und dennoch männlich und würdevoll. — Jch vermag ſeine Rede nicht wiederzugeben, denn meine Worte würden neben den ſeinen wie Trommelgeraſſel neben Donnerſchlägen klingen. Und als wir endlich, hingeriſſen und begeiſtert, den Krieg einſtimmig beſchloſſen hatten, nahm Phanes noch einmal das Wort und gab die Mittel und Wege an, durch welche man den Sieg am leichteſten erringen könnte.“ Hier mußte Darius innehalten, denn Zopyros war ihm mit lauten Jubelrufen um den Hals gefallen. Auch

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/80>, abgerufen am 23.11.2024.