ihm äufstieg, verfinsterten schwarze Gedanken von Neuem seine Seele. -- Nitetis, welche eine Zeit lang schweigend dagelegen hatte, wandte sich wiederum freundlich lächelnd ihrem neuen Freunde zu und fragte: "Nicht wahr, ich werde vor den Todtenrichtern Gnade finden?"
"Jch hoffe und glaube es!"
"Vielleicht werde ich Tachot am Throne des Osiris finden, und mein Vater --"
"Dein Vater und Deine Mutter erwarten Dich! Segne in Deiner letzten Stunde diejenigen, welche Dich erzeugten, und fluche denen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten."
"Jch verstehe Dich nicht."
"Fluche denen, Mädchen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten!" rief der Arzt zum andern Male, sich hoch aufrichtend und mit tiefen Athemzügen auf die Ster- bende herniederschauend. "Fluche den Bösen, Mädchen, denn dieser Fluch wird Dir höhere Gnade vor den Todten- richtern verschaffen, als tausend gute Werke!" Der Arzt griff, indem er diese Worte ausrief, nach der Hand der Kranken und drückte dieselbe mit Heftigkeit.
Nitetis schaute den Zürnenden ängstlich an und lis- pelte in blindem Gehorsam: "Jch fluche!"
"Fluche denen, die Deinen Erzeugern Thron und Leben raubten!"
"Denen, die meinen Erzeugern Thron und Leben raubten! O -- ach -- mein Herz!" --
Entkräftet sank sie auf das Lager zurück.
Nebenchari beugte sich über die Leidende, drückte, ehe die Aerzte des Königs das Zimmer betreten konnten, einen leisen Kuß auf die Stirn' der Sterbenden und murmelte: "Sie stirbt als meine Bundesgenossin. Die Götter ver-
ihm äufſtieg, verfinſterten ſchwarze Gedanken von Neuem ſeine Seele. — Nitetis, welche eine Zeit lang ſchweigend dagelegen hatte, wandte ſich wiederum freundlich lächelnd ihrem neuen Freunde zu und fragte: „Nicht wahr, ich werde vor den Todtenrichtern Gnade finden?“
„Jch hoffe und glaube es!“
„Vielleicht werde ich Tachot am Throne des Oſiris finden, und mein Vater —“
„Dein Vater und Deine Mutter erwarten Dich! Segne in Deiner letzten Stunde diejenigen, welche Dich erzeugten, und fluche denen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten.“
„Jch verſtehe Dich nicht.“
„Fluche denen, Mädchen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten!“ rief der Arzt zum andern Male, ſich hoch aufrichtend und mit tiefen Athemzügen auf die Ster- bende herniederſchauend. „Fluche den Böſen, Mädchen, denn dieſer Fluch wird Dir höhere Gnade vor den Todten- richtern verſchaffen, als tauſend gute Werke!“ Der Arzt griff, indem er dieſe Worte ausrief, nach der Hand der Kranken und drückte dieſelbe mit Heftigkeit.
Nitetis ſchaute den Zürnenden ängſtlich an und lis- pelte in blindem Gehorſam: „Jch fluche!“
„Fluche denen, die Deinen Erzeugern Thron und Leben raubten!“
„Denen, die meinen Erzeugern Thron und Leben raubten! O — ach — mein Herz!“ —
Entkräftet ſank ſie auf das Lager zurück.
Nebenchari beugte ſich über die Leidende, drückte, ehe die Aerzte des Königs das Zimmer betreten konnten, einen leiſen Kuß auf die Stirn’ der Sterbenden und murmelte: „Sie ſtirbt als meine Bundesgenoſſin. Die Götter ver-
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ihm äufſtieg, verfinſterten ſchwarze Gedanken von Neuem
ſeine Seele. — Nitetis, welche eine Zeit lang ſchweigend
dagelegen hatte, wandte ſich wiederum freundlich lächelnd
ihrem neuen Freunde zu und fragte: „Nicht wahr, ich
werde vor den Todtenrichtern Gnade finden?“
„Jch hoffe und glaube es!“
„Vielleicht werde ich Tachot am Throne des Oſiris
finden, und mein Vater —“
„Dein Vater und Deine Mutter erwarten Dich!
Segne in Deiner letzten Stunde diejenigen, welche Dich
erzeugten, und fluche denen, welche Dir Eltern, Thron und
Leben raubten.“
„Jch verſtehe Dich nicht.“
„Fluche denen, Mädchen, welche Dir Eltern, Thron
und Leben raubten!“ rief der Arzt zum andern Male, ſich
hoch aufrichtend und mit tiefen Athemzügen auf die Ster-
bende herniederſchauend. „Fluche den Böſen, Mädchen,
denn dieſer Fluch wird Dir höhere Gnade vor den Todten-
richtern verſchaffen, als tauſend gute Werke!“ Der Arzt
griff, indem er dieſe Worte ausrief, nach der Hand der
Kranken und drückte dieſelbe mit Heftigkeit.
Nitetis ſchaute den Zürnenden ängſtlich an und lis-
pelte in blindem Gehorſam: „Jch fluche!“
„Fluche denen, die Deinen Erzeugern Thron und
Leben raubten!“
„Denen, die meinen Erzeugern Thron und Leben
raubten! O — ach — mein Herz!“ —
Entkräftet ſank ſie auf das Lager zurück.
Nebenchari beugte ſich über die Leidende, drückte, ehe
die Aerzte des Königs das Zimmer betreten konnten, einen
leiſen Kuß auf die Stirn’ der Sterbenden und murmelte:
„Sie ſtirbt als meine Bundesgenoſſin. Die Götter ver-
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/45>, abgerufen am 16.07.2024.
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