nem Sohne Gyges nach der ihm gehörenden Stadt Ba- rene 171) und lebte dort noch manches Jahr, als Vater seiner Unterthanen, hoch geehrt von Darius und gepriesen von all' seinen Zeitgenossen.
Nach dem Tode des Kambyses hielten die Ober- häupter der sieben Stämme der Perser 172) mit einander Rath und beschlossen, sich vor allen Dingen über die Person des Usurpators Gewißheit zu verschaffen! Otanes schickte darum einen treuen Eunuchen in geheimer Sendung zu seiner Tochter Phädyme, welche, wie man wußte, mit dem ganzen in Nisäa zurückgebliebenen Harem des Kambyses in den Besitz des neuen Königs übergegangen war. Bevor der Bote wiederkehrte, hatte sich der größte Theil des Reichsheeres zerstreut, denn die Soldaten ergriffen begierig die günstige Gelegenheit, nach mehrjähriger Trennung zu ihren Angehörigen heimzukehren. Endlich kam der lang Erwartete zurück und überbrachte Otanes die Botschaft: Phädyme sei von dem neuen Könige nur ein einziges Mal besucht worden, sie habe jedoch den Schlaf desselben benützt, um sich mit großer Gefahr davon zu überzeugen, daß ihm in der That beide Ohren fehlten. Aber selbst ohne diese Entdeckung könne sie mit Bestimmtheit behaupten, daß der Usurpator, welcher übrigens täuschende Aehnlichkeit mit dem Gemordeten habe, Niemand anders sei, als der Bru- der des Oropastes, Gaumata. Jhr alter Freund Boges sei wiederum Oberster der Eunuchen und habe sie in das Geheimniß der Magier eingeweiht. Der Oberpriester habe nämlich den Weiberhüter als Bettler in den Straßen von Susa getroffen und ihm mit den Worten: "Zwar hast Du Dein Leben verwirkt, ich bedarf aber Leute Deines
nem Sohne Gyges nach der ihm gehörenden Stadt Ba- rene 171) und lebte dort noch manches Jahr, als Vater ſeiner Unterthanen, hoch geehrt von Darius und geprieſen von all’ ſeinen Zeitgenoſſen.
Nach dem Tode des Kambyſes hielten die Ober- häupter der ſieben Stämme der Perſer 172) mit einander Rath und beſchloſſen, ſich vor allen Dingen über die Perſon des Uſurpators Gewißheit zu verſchaffen! Otanes ſchickte darum einen treuen Eunuchen in geheimer Sendung zu ſeiner Tochter Phädyme, welche, wie man wußte, mit dem ganzen in Niſäa zurückgebliebenen Harem des Kambyſes in den Beſitz des neuen Königs übergegangen war. Bevor der Bote wiederkehrte, hatte ſich der größte Theil des Reichsheeres zerſtreut, denn die Soldaten ergriffen begierig die günſtige Gelegenheit, nach mehrjähriger Trennung zu ihren Angehörigen heimzukehren. Endlich kam der lang Erwartete zurück und überbrachte Otanes die Botſchaft: Phädyme ſei von dem neuen Könige nur ein einziges Mal beſucht worden, ſie habe jedoch den Schlaf deſſelben benützt, um ſich mit großer Gefahr davon zu überzeugen, daß ihm in der That beide Ohren fehlten. Aber ſelbſt ohne dieſe Entdeckung könne ſie mit Beſtimmtheit behaupten, daß der Uſurpator, welcher übrigens täuſchende Aehnlichkeit mit dem Gemordeten habe, Niemand anders ſei, als der Bru- der des Oropaſtes, Gaumata. Jhr alter Freund Boges ſei wiederum Oberſter der Eunuchen und habe ſie in das Geheimniß der Magier eingeweiht. Der Oberprieſter habe nämlich den Weiberhüter als Bettler in den Straßen von Suſa getroffen und ihm mit den Worten: „Zwar haſt Du Dein Leben verwirkt, ich bedarf aber Leute Deines
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nem Sohne Gyges nach der ihm gehörenden Stadt Ba-
rene 171) und lebte dort noch manches Jahr, als Vater
ſeiner Unterthanen, hoch geehrt von Darius und geprieſen
von all’ ſeinen Zeitgenoſſen.
Nach dem Tode des Kambyſes hielten die Ober-
häupter der ſieben Stämme der Perſer 172) mit einander Rath
und beſchloſſen, ſich vor allen Dingen über die Perſon des
Uſurpators Gewißheit zu verſchaffen! Otanes ſchickte
darum einen treuen Eunuchen in geheimer Sendung zu
ſeiner Tochter Phädyme, welche, wie man wußte, mit dem
ganzen in Niſäa zurückgebliebenen Harem des Kambyſes
in den Beſitz des neuen Königs übergegangen war. Bevor
der Bote wiederkehrte, hatte ſich der größte Theil des
Reichsheeres zerſtreut, denn die Soldaten ergriffen begierig
die günſtige Gelegenheit, nach mehrjähriger Trennung zu
ihren Angehörigen heimzukehren. Endlich kam der lang
Erwartete zurück und überbrachte Otanes die Botſchaft:
Phädyme ſei von dem neuen Könige nur ein einziges Mal
beſucht worden, ſie habe jedoch den Schlaf deſſelben benützt,
um ſich mit großer Gefahr davon zu überzeugen, daß ihm
in der That beide Ohren fehlten. Aber ſelbſt ohne dieſe
Entdeckung könne ſie mit Beſtimmtheit behaupten, daß der
Uſurpator, welcher übrigens täuſchende Aehnlichkeit mit
dem Gemordeten habe, Niemand anders ſei, als der Bru-
der des Oropaſtes, Gaumata. Jhr alter Freund Boges
ſei wiederum Oberſter der Eunuchen und habe ſie in das
Geheimniß der Magier eingeweiht. Der Oberprieſter habe
nämlich den Weiberhüter als Bettler in den Straßen von
Suſa getroffen und ihm mit den Worten: „Zwar haſt
Du Dein Leben verwirkt, ich bedarf aber Leute Deines
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/266>, abgerufen am 31.01.2025.
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