Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.dumpfem Brüten lag ich Tag und Nacht auf dem Ver- "Am liebsten hätte ich gesehen, wenn die Triere der "Als aber am fünfzehnten Tage unserer Fahrt, im "Das Fahrzeug war sammt dem größten Theil meiner *) I. Theil Anmerk. 209.
dumpfem Brüten lag ich Tag und Nacht auf dem Ver- „Am liebſten hätte ich geſehen, wenn die Triere der „Als aber am fünfzehnten Tage unſerer Fahrt, im „Das Fahrzeug war ſammt dem größten Theil meiner *) I. Theil Anmerk. 209.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0247" n="237"/> dumpfem Brüten lag ich Tag und Nacht auf dem Ver-<lb/> decke, ließ mir von einem Sklaven Nahrung bringen und<lb/> ſchaute auf das endloſe Meer, deſſen einförmiger Wogen-<lb/> ſchlag meiner Stimmung zuſagte, während ich die Augen<lb/> abwendete, wenn grüne Ufer mit Myrten- und Oliven-<lb/> hainen, Weinbergen und wohlbewohnten Städten, meinem<lb/> Blick begegneten.</p><lb/> <p>„Am liebſten hätte ich geſehen, wenn die Triere der<lb/> Nachen des Charon, die blaue See der Fluß der Unter-<lb/> welt und das Keleusma <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">I.</hi> Theil Anmerk. 209.</note> der Ruderknechte der Geſang<lb/> des mich zu Grabe tragenden Chors geweſen wäre. Be-<lb/> ſonders in der Nacht, wenn der Kiel des Schiffes leuch-<lb/> tende Furchen durch die Wogen zog, wenn der Geſang<lb/> der Matroſen ſchwieg, und ſich Selene in dem blanken<lb/> Stahlſpiegel der weißfüßigen Thetis ſpiegelte, wurde mein<lb/> Herz ſo weit von übergroßer, unausſprechlicher Sehnſucht<lb/> nach einem mir ſelbſt unklaren Etwas, daß ich mir Ge-<lb/> walt anthun mußte, um nicht in dem feuchten Reiche<lb/> des Poſeidon den Tod zu ſuchen.</p><lb/> <p>„Als aber am fünfzehnten Tage unſerer Fahrt, im<lb/> Angeſicht des Hafens von Kroton, die Triere von einem<lb/> Wirbelwinde erfaßt und an die Klippen des Ufers ge-<lb/> ſchleudert wurde, da ſetzte ich, o des wunderbaren Wider-<lb/> ſpruches in der Menſchennatur, — alle Kräfte ein, um<lb/> daſſelbe Leben zu erhalten, welches ich geſtern, als eine<lb/> ſchwere Laſt, ſo gern von mir geſchleudert haben würde.</p><lb/> <p>„Das Fahrzeug war ſammt dem größten Theil meiner<lb/> Schätze und vielen unglücklichen Menſchen kläglich zu<lb/> Grunde gegangen; ich ſelber aber ſtand wohlbehalten auf<lb/> dem Marktplatze von Kroton, umgeben von dem wogenden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [237/0247]
dumpfem Brüten lag ich Tag und Nacht auf dem Ver-
decke, ließ mir von einem Sklaven Nahrung bringen und
ſchaute auf das endloſe Meer, deſſen einförmiger Wogen-
ſchlag meiner Stimmung zuſagte, während ich die Augen
abwendete, wenn grüne Ufer mit Myrten- und Oliven-
hainen, Weinbergen und wohlbewohnten Städten, meinem
Blick begegneten.
„Am liebſten hätte ich geſehen, wenn die Triere der
Nachen des Charon, die blaue See der Fluß der Unter-
welt und das Keleusma *) der Ruderknechte der Geſang
des mich zu Grabe tragenden Chors geweſen wäre. Be-
ſonders in der Nacht, wenn der Kiel des Schiffes leuch-
tende Furchen durch die Wogen zog, wenn der Geſang
der Matroſen ſchwieg, und ſich Selene in dem blanken
Stahlſpiegel der weißfüßigen Thetis ſpiegelte, wurde mein
Herz ſo weit von übergroßer, unausſprechlicher Sehnſucht
nach einem mir ſelbſt unklaren Etwas, daß ich mir Ge-
walt anthun mußte, um nicht in dem feuchten Reiche
des Poſeidon den Tod zu ſuchen.
„Als aber am fünfzehnten Tage unſerer Fahrt, im
Angeſicht des Hafens von Kroton, die Triere von einem
Wirbelwinde erfaßt und an die Klippen des Ufers ge-
ſchleudert wurde, da ſetzte ich, o des wunderbaren Wider-
ſpruches in der Menſchennatur, — alle Kräfte ein, um
daſſelbe Leben zu erhalten, welches ich geſtern, als eine
ſchwere Laſt, ſo gern von mir geſchleudert haben würde.
„Das Fahrzeug war ſammt dem größten Theil meiner
Schätze und vielen unglücklichen Menſchen kläglich zu
Grunde gegangen; ich ſelber aber ſtand wohlbehalten auf
dem Marktplatze von Kroton, umgeben von dem wogenden
*) I. Theil Anmerk. 209.
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