Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.Saum desselben an ihre Lippen und sagte leise bittend: Kassandane gab ein Zeichen der Bejahung, grüßte Nach diesen Worten verließ Kassandane das Gemach. Jn dem nun folgenden Gespräche erzählte der Greis, Saum deſſelben an ihre Lippen und ſagte leiſe bittend: Kaſſandane gab ein Zeichen der Bejahung, grüßte Nach dieſen Worten verließ Kaſſandane das Gemach. Jn dem nun folgenden Geſpräche erzählte der Greis, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0245" n="235"/> Saum deſſelben an ihre Lippen und ſagte leiſe bittend:<lb/> „Verzeihe mir!“</p><lb/> <p>Kaſſandane gab ein Zeichen der Bejahung, grüßte<lb/> die Hellenin und ſchickte ſich an, das Gemach zu verlaſſen.<lb/> Auf der Schwelle deſſelben blieb ſie noch einmal ſtehen<lb/> und ſprach: „Jch grolle Dir nicht, denn Deine Vorwürfe<lb/> ſind gerecht. Aber verſuche auch Du zu vergeben, denn<lb/> ich ſage Dir, daß Derjenige, welcher das Glück Deines<lb/> und meines Kindes mordete, zwar der Mächtigſte, aber zu<lb/> gleicher Zeit der Beklagenswertheſte aller Sterblichen iſt.<lb/> Lebe wohl und denke, wenn Du irgend etwas bedürfen<lb/> ſollteſt, der Wittwe des Kyros, die Dir für Deine Frei-<lb/> müthigkeit verpflichtet iſt und Dich daran erinnert, daß<lb/> man den Perſern vor allen Dingen ‚Dankbarkeit‘ und<lb/> ‚Freigebigkeit‘ anerzieht.“</p><lb/> <p>Nach dieſen Worten verließ Kaſſandane das Gemach.<lb/> Rhodopis blieb, gedankenvoll zu Boden ſchauend, allein<lb/> zurück, bis Kröſus, welcher die Königin zu ihren Skla-<lb/> vinnen und Eunuchen geleitet hatte, zu ihr zurückgekehrt war.</p><lb/> <p>Jn dem nun folgenden Geſpräche erzählte der Greis,<lb/> wie Kaſſandane ſtündlich bitter bereue, daß ſie und ihr<lb/> verſtorbener großer Gatte ihren älteſten Sohn ſo falſch<lb/> erzogen habe, und darum von dem Vorwurfe der Rho-<lb/> dopis doppelt tief ergriffen worden ſei. Dann erwähnte<lb/> er, im Gegenſatz zum Könige, des, trotz ſeiner mangel-<lb/> haften Erziehung, ſo trefflich gerathenen Darius, und ſchloß<lb/> mit der Behauptung, daß Letzterer einſtmals den Thron<lb/> des Kambyſes beſteigen und, als ein zweiter Kyros, den<lb/> Hellenen um ſo gefährlicher werden würde, je weniger er<lb/> ſich, trotz ſeiner Achtung für das Wiſſen und die Kunſt<lb/> der Griechen, mit dem Selbſtbewußtſein und Tyrannenhaß<lb/> derſelben verſöhnen könne.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [235/0245]
Saum deſſelben an ihre Lippen und ſagte leiſe bittend:
„Verzeihe mir!“
Kaſſandane gab ein Zeichen der Bejahung, grüßte
die Hellenin und ſchickte ſich an, das Gemach zu verlaſſen.
Auf der Schwelle deſſelben blieb ſie noch einmal ſtehen
und ſprach: „Jch grolle Dir nicht, denn Deine Vorwürfe
ſind gerecht. Aber verſuche auch Du zu vergeben, denn
ich ſage Dir, daß Derjenige, welcher das Glück Deines
und meines Kindes mordete, zwar der Mächtigſte, aber zu
gleicher Zeit der Beklagenswertheſte aller Sterblichen iſt.
Lebe wohl und denke, wenn Du irgend etwas bedürfen
ſollteſt, der Wittwe des Kyros, die Dir für Deine Frei-
müthigkeit verpflichtet iſt und Dich daran erinnert, daß
man den Perſern vor allen Dingen ‚Dankbarkeit‘ und
‚Freigebigkeit‘ anerzieht.“
Nach dieſen Worten verließ Kaſſandane das Gemach.
Rhodopis blieb, gedankenvoll zu Boden ſchauend, allein
zurück, bis Kröſus, welcher die Königin zu ihren Skla-
vinnen und Eunuchen geleitet hatte, zu ihr zurückgekehrt war.
Jn dem nun folgenden Geſpräche erzählte der Greis,
wie Kaſſandane ſtündlich bitter bereue, daß ſie und ihr
verſtorbener großer Gatte ihren älteſten Sohn ſo falſch
erzogen habe, und darum von dem Vorwurfe der Rho-
dopis doppelt tief ergriffen worden ſei. Dann erwähnte
er, im Gegenſatz zum Könige, des, trotz ſeiner mangel-
haften Erziehung, ſo trefflich gerathenen Darius, und ſchloß
mit der Behauptung, daß Letzterer einſtmals den Thron
des Kambyſes beſteigen und, als ein zweiter Kyros, den
Hellenen um ſo gefährlicher werden würde, je weniger er
ſich, trotz ſeiner Achtung für das Wiſſen und die Kunſt
der Griechen, mit dem Selbſtbewußtſein und Tyrannenhaß
derſelben verſöhnen könne.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |