Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.Als er eines Tags beim Schmause saß, fragte er Nach diesen halb scherzend gesprochenen Worten brauste Prexaspes sah, gleich der am Sipylos versteinerten Als er eines Tags beim Schmauſe ſaß, fragte er Nach dieſen halb ſcherzend geſprochenen Worten brauste Prexaspes ſah, gleich der am Sipylos verſteinerten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0234" n="224"/> <p>Als er eines Tags beim Schmauſe ſaß, fragte er<lb/> trunkenen Muthes den Prexaspes, was die Perſer von<lb/> ihm ſagten. Der Botſchafter, welcher ſich gerade zu jener<lb/> Zeit der beſondern Huld des Königs erfreute, und in dem<lb/> Bedürfniß, ſein marterndes Gewiſſen durch edle Thaten<lb/> gefährlicher Art zu übertäuben, keine Gelegenheit vorüber-<lb/> gehen ließ, welche ihm geſtattete, wohlthätig auf den Un-<lb/> glücklichen einzuwirken, antwortete, daß ſie ihn in jeder<lb/> Hinſicht belobten, doch aber meinten, er ſei dem Weine<lb/> zu ſehr ergeben.</p><lb/> <p>Nach dieſen halb ſcherzend geſprochenen Worten brauste<lb/> der Wahnſinnige auf und ſchrie: „So ſagen die Perſer,<lb/> daß mich der Wein um den Verſtand bringe? Jetzt will<lb/> ich zeigen, daß ſie ſelbſt verlernt haben, richtig zu urthei-<lb/> len!“ Bei dieſen Worten ſpannte er ſeinen Bogen, zielte<lb/> einen Augenblick und ſchoß dann dem älteſten Sohne des<lb/> Prexaspes, der im Hintergrunde der Halle, als Schenk, der<lb/> Winke des Herrſchers harrte, in die Bruſt. Darauf gab<lb/> er den Befehl, den unglücklichen Jüngling zu öffnen und<lb/> zu unterſuchen. Der Pfeil war mitten in ſein Herz ge-<lb/> drungen. Hierüber freute ſich der unſinnige Tyrann und<lb/> rief lachend: „Jetzt ſiehſt Du, Prexaspes, daß nicht ich,<lb/> ſondern die Perſer ihren Verſtand verloren haben. Wer<lb/> könnte ſein Ziel unfehlbarer treffen, als ich?“</p><lb/> <p>Prexaspes ſah, gleich der am Sipylos verſteinerten<lb/> Niobe, bleich und regungslos dem entſetzlichen Schauſpiele<lb/> zu. Seine Sklavenſeele beugte ſich vor der Allmacht des<lb/> Königs und zwang ihm nicht den Dolch der Rache in die<lb/> Rechte. Vielmehr murmelte er, als der Wahnſinnige ſeine<lb/> Frage zum andern Male wiederholte, indem er die Hand<lb/> auf ſein Herz drückte: „Kein Gott vermöchte ſicherer zu<lb/> treffen <hi rendition="#sup">155</hi>)!“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
Als er eines Tags beim Schmauſe ſaß, fragte er
trunkenen Muthes den Prexaspes, was die Perſer von
ihm ſagten. Der Botſchafter, welcher ſich gerade zu jener
Zeit der beſondern Huld des Königs erfreute, und in dem
Bedürfniß, ſein marterndes Gewiſſen durch edle Thaten
gefährlicher Art zu übertäuben, keine Gelegenheit vorüber-
gehen ließ, welche ihm geſtattete, wohlthätig auf den Un-
glücklichen einzuwirken, antwortete, daß ſie ihn in jeder
Hinſicht belobten, doch aber meinten, er ſei dem Weine
zu ſehr ergeben.
Nach dieſen halb ſcherzend geſprochenen Worten brauste
der Wahnſinnige auf und ſchrie: „So ſagen die Perſer,
daß mich der Wein um den Verſtand bringe? Jetzt will
ich zeigen, daß ſie ſelbſt verlernt haben, richtig zu urthei-
len!“ Bei dieſen Worten ſpannte er ſeinen Bogen, zielte
einen Augenblick und ſchoß dann dem älteſten Sohne des
Prexaspes, der im Hintergrunde der Halle, als Schenk, der
Winke des Herrſchers harrte, in die Bruſt. Darauf gab
er den Befehl, den unglücklichen Jüngling zu öffnen und
zu unterſuchen. Der Pfeil war mitten in ſein Herz ge-
drungen. Hierüber freute ſich der unſinnige Tyrann und
rief lachend: „Jetzt ſiehſt Du, Prexaspes, daß nicht ich,
ſondern die Perſer ihren Verſtand verloren haben. Wer
könnte ſein Ziel unfehlbarer treffen, als ich?“
Prexaspes ſah, gleich der am Sipylos verſteinerten
Niobe, bleich und regungslos dem entſetzlichen Schauſpiele
zu. Seine Sklavenſeele beugte ſich vor der Allmacht des
Königs und zwang ihm nicht den Dolch der Rache in die
Rechte. Vielmehr murmelte er, als der Wahnſinnige ſeine
Frage zum andern Male wiederholte, indem er die Hand
auf ſein Herz drückte: „Kein Gott vermöchte ſicherer zu
treffen 155)!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |