"So werden ihn die Götter beschützen!" rief Sappho, indem sie die geliebte Hand des Scheidenden ergriff und in Thränen, denen sie nicht zu wehren vermochte, ausbrach. Er blickte zu ihr hernieder und sah seine sonst so ver- trauensvolle Gattin weinen. Da erfaßte auch ihn eine niegekannte schmerzliche Rührung. Liebreich neigte er sich vom Pferde herab, schlang seinen starken Arm um ihren Leib, hob sie zu sich empor und drückte sie, während ihr Fuß auf seinem Fuße stand, an sein Herz, als müsse er ihr auf ewig Lebewohl sagen. Dann ließ er sie sanft und sicher zur Erde nieder, nahm sein Kind noch einmal zu sich hinauf in den Sattel, um es zu küssen und ihm scherzend zuzurufen, daß es seiner Mutter rechte Freude machen möge, rief Rhodopis herzliche Abschiedsworte zu und sprengte, seinem Hengste die Sporen gebend, daß er wild aufbäumte, von Prexaspes begleitet, durch das Thor des Pharaonenpalastes.
Sobald der Hufschlag der Rosse in der Ferne ver- hallt war, warf sich Sappho an die Brust ihrer Groß- mutter und weinte unaufhörlich, trotz der ernsten Vorstel- lungen und des strengen Tadels der Greisin.
„So werden ihn die Götter beſchützen!“ rief Sappho, indem ſie die geliebte Hand des Scheidenden ergriff und in Thränen, denen ſie nicht zu wehren vermochte, ausbrach. Er blickte zu ihr hernieder und ſah ſeine ſonſt ſo ver- trauensvolle Gattin weinen. Da erfaßte auch ihn eine niegekannte ſchmerzliche Rührung. Liebreich neigte er ſich vom Pferde herab, ſchlang ſeinen ſtarken Arm um ihren Leib, hob ſie zu ſich empor und drückte ſie, während ihr Fuß auf ſeinem Fuße ſtand, an ſein Herz, als müſſe er ihr auf ewig Lebewohl ſagen. Dann ließ er ſie ſanft und ſicher zur Erde nieder, nahm ſein Kind noch einmal zu ſich hinauf in den Sattel, um es zu küſſen und ihm ſcherzend zuzurufen, daß es ſeiner Mutter rechte Freude machen möge, rief Rhodopis herzliche Abſchiedsworte zu und ſprengte, ſeinem Hengſte die Sporen gebend, daß er wild aufbäumte, von Prexaspes begleitet, durch das Thor des Pharaonenpalaſtes.
Sobald der Hufſchlag der Roſſe in der Ferne ver- hallt war, warf ſich Sappho an die Bruſt ihrer Groß- mutter und weinte unaufhörlich, trotz der ernſten Vorſtel- lungen und des ſtrengen Tadels der Greiſin.
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„So werden ihn die Götter beſchützen!“ rief Sappho,
indem ſie die geliebte Hand des Scheidenden ergriff und
in Thränen, denen ſie nicht zu wehren vermochte, ausbrach.
Er blickte zu ihr hernieder und ſah ſeine ſonſt ſo ver-
trauensvolle Gattin weinen. Da erfaßte auch ihn eine
niegekannte ſchmerzliche Rührung. Liebreich neigte er ſich
vom Pferde herab, ſchlang ſeinen ſtarken Arm um ihren
Leib, hob ſie zu ſich empor und drückte ſie, während ihr
Fuß auf ſeinem Fuße ſtand, an ſein Herz, als müſſe er
ihr auf ewig Lebewohl ſagen. Dann ließ er ſie ſanft
und ſicher zur Erde nieder, nahm ſein Kind noch einmal
zu ſich hinauf in den Sattel, um es zu küſſen und ihm
ſcherzend zuzurufen, daß es ſeiner Mutter rechte Freude
machen möge, rief Rhodopis herzliche Abſchiedsworte zu
und ſprengte, ſeinem Hengſte die Sporen gebend, daß er
wild aufbäumte, von Prexaspes begleitet, durch das Thor
des Pharaonenpalaſtes.
Sobald der Hufſchlag der Roſſe in der Ferne ver-
hallt war, warf ſich Sappho an die Bruſt ihrer Groß-
mutter und weinte unaufhörlich, trotz der ernſten Vorſtel-
lungen und des ſtrengen Tadels der Greiſin.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/222>, abgerufen am 31.01.2025.
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