welche ihm Kambyses übersandt hatte, spottend an und sagte, er wisse recht wohl, daß den Persern Nichts an seiner Freundschaft gelegen und Prexaspes nur gekommen sei, um Aethiopien auszukundschaften. Wenn der Fürst von Asien rechtschaffen wäre, so würde er sich mit seinem großen Reiche begnügen und ein Volk, das ihm keine Beleidigung zugefügt habe, nicht unterjochen wollen. "Bringe Deinem Könige diesen Bogen," sagte er, "und rathe dem- selben, er möge dann erst gegen uns zu Felde ziehen, wenn die Perser Waffen, wie diese, ebenso leicht als wir zu spannen vermögen. Uebrigens soll Kambyses den Göttern danken, daß die Aethiopen noch nicht auf den Einfall ge- kommen sind, zu ihrem eignen auch noch fremde Gebiete zu erobern!"
Nach diesen Worten spannte er seinen Bogen ab und gab ihn Prexaspes, der das mächtige Geschoß von Eben- holz seinem Gebieter überbrachte.
Kambyses lachte über den prahlerischen Afrikaner, lud seine Großen zur Probe des Bogens auf den nächsten Morgen ein und belohnte Prexaspes für seine beschwer- liche Reise und die geschickte Ausrichtung der ihm anver- trauten Botschaft. Trunken, wie gewöhnlich, legte er sich nieder und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Als er aufwachte, hatte ihm geträumt, Bartja sitze auf dem per- sischen Königsthron und berühre mit seinem Scheitel den Himmel 134).
Diesen Traum, zu dessen Deutung er weder Mobeds noch Chaldäer bedurfte, erregte erst seinen Zorn, dann sein Nachdenken.
"Hast Du nicht," so fragte sich der schlaflose Mann, "Deinem Bruder Grund zur Rache gegeben? Sollte er ver- gessen haben, daß Du ihn schuldlos in den Kerker warfest
welche ihm Kambyſes überſandt hatte, ſpottend an und ſagte, er wiſſe recht wohl, daß den Perſern Nichts an ſeiner Freundſchaft gelegen und Prexaspes nur gekommen ſei, um Aethiopien auszukundſchaften. Wenn der Fürſt von Aſien rechtſchaffen wäre, ſo würde er ſich mit ſeinem großen Reiche begnügen und ein Volk, das ihm keine Beleidigung zugefügt habe, nicht unterjochen wollen. „Bringe Deinem Könige dieſen Bogen,“ ſagte er, „und rathe dem- ſelben, er möge dann erſt gegen uns zu Felde ziehen, wenn die Perſer Waffen, wie dieſe, ebenſo leicht als wir zu ſpannen vermögen. Uebrigens ſoll Kambyſes den Göttern danken, daß die Aethiopen noch nicht auf den Einfall ge- kommen ſind, zu ihrem eignen auch noch fremde Gebiete zu erobern!“
Nach dieſen Worten ſpannte er ſeinen Bogen ab und gab ihn Prexaspes, der das mächtige Geſchoß von Eben- holz ſeinem Gebieter überbrachte.
Kambyſes lachte über den prahleriſchen Afrikaner, lud ſeine Großen zur Probe des Bogens auf den nächſten Morgen ein und belohnte Prexaspes für ſeine beſchwer- liche Reiſe und die geſchickte Ausrichtung der ihm anver- trauten Botſchaft. Trunken, wie gewöhnlich, legte er ſich nieder und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Als er aufwachte, hatte ihm geträumt, Bartja ſitze auf dem per- ſiſchen Königsthron und berühre mit ſeinem Scheitel den Himmel 134).
Dieſen Traum, zu deſſen Deutung er weder Mobeds noch Chaldäer bedurfte, erregte erſt ſeinen Zorn, dann ſein Nachdenken.
„Haſt Du nicht,“ ſo fragte ſich der ſchlafloſe Mann, „Deinem Bruder Grund zur Rache gegeben? Sollte er ver- geſſen haben, daß Du ihn ſchuldlos in den Kerker warfeſt
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welche ihm Kambyſes überſandt hatte, ſpottend an und
ſagte, er wiſſe recht wohl, daß den Perſern Nichts an
ſeiner Freundſchaft gelegen und Prexaspes nur gekommen
ſei, um Aethiopien auszukundſchaften. Wenn der Fürſt
von Aſien rechtſchaffen wäre, ſo würde er ſich mit ſeinem
großen Reiche begnügen und ein Volk, das ihm keine
Beleidigung zugefügt habe, nicht unterjochen wollen. „Bringe
Deinem Könige dieſen Bogen,“ ſagte er, „und rathe dem-
ſelben, er möge dann erſt gegen uns zu Felde ziehen, wenn
die Perſer Waffen, wie dieſe, ebenſo leicht als wir zu
ſpannen vermögen. Uebrigens ſoll Kambyſes den Göttern
danken, daß die Aethiopen noch nicht auf den Einfall ge-
kommen ſind, zu ihrem eignen auch noch fremde Gebiete
zu erobern!“
Nach dieſen Worten ſpannte er ſeinen Bogen ab und
gab ihn Prexaspes, der das mächtige Geſchoß von Eben-
holz ſeinem Gebieter überbrachte.
Kambyſes lachte über den prahleriſchen Afrikaner,
lud ſeine Großen zur Probe des Bogens auf den nächſten
Morgen ein und belohnte Prexaspes für ſeine beſchwer-
liche Reiſe und die geſchickte Ausrichtung der ihm anver-
trauten Botſchaft. Trunken, wie gewöhnlich, legte er ſich
nieder und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Als er
aufwachte, hatte ihm geträumt, Bartja ſitze auf dem per-
ſiſchen Königsthron und berühre mit ſeinem Scheitel den
Himmel 134).
Dieſen Traum, zu deſſen Deutung er weder Mobeds
noch Chaldäer bedurfte, erregte erſt ſeinen Zorn, dann
ſein Nachdenken.
„Haſt Du nicht,“ ſo fragte ſich der ſchlafloſe Mann,
„Deinem Bruder Grund zur Rache gegeben? Sollte er ver-
geſſen haben, daß Du ihn ſchuldlos in den Kerker warfeſt
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/204>, abgerufen am 20.07.2024.
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