strahlte, von bunten Flammen umwallt, -- wie ein vom tropischen Abendroth beglänzter Kreidefelsen. Ueber diesem leuchtenden Bilde flatterten Wimpel, wallten Fahnen, schlangen sich Blumengewinde, tönte Musik und lauter Gesang.
"Herrlich, herrlich!" rief Rhodopis, begeistert von diesem wunderbaren Schauspiele. "Seht nur, wie die buntbemalten Säulen und Wände strahlen, und welche Figuren die Schatten der Obelisken und Sphinxe auf das gelbe, glatte Pflaster der Höfe zeichnen!"
"Und wie geheimnißvoll," fügte Krösus hinzu, "dunkelt dort drüben der heilige Hain des Gottes! Niemals sah ich ein gleiches Schauspiel!"
"Jch aber," versicherte Darius, "habe noch Wunder- bareres erschaut. Jhr werdet mir glauben, wenn ich euch sage, daß ich Zeuge der sogenannten Mysterien der Neith gewesen bin!"
"Erzähle -- erzähle!" riefen die Freunde.
"Neithoteph weigerte sich erst, mir Einlaß zu den- selben zu gewähren; als ich ihm aber versprach, mich ver- steckt zu halten und außerdem die Freiheit seines Kindes zu erwirken, führte er mich auf seine Sternwarte, die einen weiten Rundblick gewährt, und theilte mir mit, daß ich einer Darstellung der Schicksale des Osiris und seiner Gattin Jsis beiwohnen werde 123).
"Kaum hatte er mich verlassen, als seltsame bunte Lichter den Hain so hell erleuchteten, daß ich bis in den innersten Schooß desselben zu sehen vermochte.
Vor mir lag ein spiegelblanker, von schönen Bäumen und bunten Blumenbeeten umgebener See *), auf dessen
*)I. Theil. Anmerk. 146. Herod. II. 170 u. 171.
ſtrahlte, von bunten Flammen umwallt, — wie ein vom tropiſchen Abendroth beglänzter Kreidefelſen. Ueber dieſem leuchtenden Bilde flatterten Wimpel, wallten Fahnen, ſchlangen ſich Blumengewinde, tönte Muſik und lauter Geſang.
„Herrlich, herrlich!“ rief Rhodopis, begeiſtert von dieſem wunderbaren Schauſpiele. „Seht nur, wie die buntbemalten Säulen und Wände ſtrahlen, und welche Figuren die Schatten der Obelisken und Sphinxe auf das gelbe, glatte Pflaſter der Höfe zeichnen!“
„Und wie geheimnißvoll,“ fügte Kröſus hinzu, „dunkelt dort drüben der heilige Hain des Gottes! Niemals ſah ich ein gleiches Schauſpiel!“
„Jch aber,“ verſicherte Darius, „habe noch Wunder- bareres erſchaut. Jhr werdet mir glauben, wenn ich euch ſage, daß ich Zeuge der ſogenannten Myſterien der Neith geweſen bin!“
„Erzähle — erzähle!“ riefen die Freunde.
„Neithoteph weigerte ſich erſt, mir Einlaß zu den- ſelben zu gewähren; als ich ihm aber verſprach, mich ver- ſteckt zu halten und außerdem die Freiheit ſeines Kindes zu erwirken, führte er mich auf ſeine Sternwarte, die einen weiten Rundblick gewährt, und theilte mir mit, daß ich einer Darſtellung der Schickſale des Oſiris und ſeiner Gattin Jſis beiwohnen werde 123).
„Kaum hatte er mich verlaſſen, als ſeltſame bunte Lichter den Hain ſo hell erleuchteten, daß ich bis in den innerſten Schooß deſſelben zu ſehen vermochte.
Vor mir lag ein ſpiegelblanker, von ſchönen Bäumen und bunten Blumenbeeten umgebener See *), auf deſſen
*)I. Theil. Anmerk. 146. Herod. II. 170 u. 171.
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ſtrahlte, von bunten Flammen umwallt, — wie ein vom
tropiſchen Abendroth beglänzter Kreidefelſen. Ueber dieſem
leuchtenden Bilde flatterten Wimpel, wallten Fahnen,
ſchlangen ſich Blumengewinde, tönte Muſik und lauter
Geſang.
„Herrlich, herrlich!“ rief Rhodopis, begeiſtert von
dieſem wunderbaren Schauſpiele. „Seht nur, wie die
buntbemalten Säulen und Wände ſtrahlen, und welche
Figuren die Schatten der Obelisken und Sphinxe auf das
gelbe, glatte Pflaſter der Höfe zeichnen!“
„Und wie geheimnißvoll,“ fügte Kröſus hinzu, „dunkelt
dort drüben der heilige Hain des Gottes! Niemals ſah
ich ein gleiches Schauſpiel!“
„Jch aber,“ verſicherte Darius, „habe noch Wunder-
bareres erſchaut. Jhr werdet mir glauben, wenn ich euch
ſage, daß ich Zeuge der ſogenannten Myſterien der Neith
geweſen bin!“
„Erzähle — erzähle!“ riefen die Freunde.
„Neithoteph weigerte ſich erſt, mir Einlaß zu den-
ſelben zu gewähren; als ich ihm aber verſprach, mich ver-
ſteckt zu halten und außerdem die Freiheit ſeines Kindes
zu erwirken, führte er mich auf ſeine Sternwarte, die einen
weiten Rundblick gewährt, und theilte mir mit, daß ich
einer Darſtellung der Schickſale des Oſiris und ſeiner
Gattin Jſis beiwohnen werde 123).
„Kaum hatte er mich verlaſſen, als ſeltſame bunte
Lichter den Hain ſo hell erleuchteten, daß ich bis in den
innerſten Schooß deſſelben zu ſehen vermochte.
Vor mir lag ein ſpiegelblanker, von ſchönen Bäumen
und bunten Blumenbeeten umgebener See *), auf deſſen
*) I. Theil. Anmerk. 146. Herod. II. 170 u. 171.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/193>, abgerufen am 21.07.2024.
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