Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864."Das käme auf einen Versuch an!" rief Phanes. "So sei es!" rief Kambyses. "Jch werde mich ver- Am Morgen des nächsten Tages begab sich der Athe- Wenige Minuten später traten die Gefangenen, mit „Das käme auf einen Verſuch an!“ rief Phanes. „So ſei es!“ rief Kambyſes. „Jch werde mich ver- Am Morgen des nächſten Tages begab ſich der Athe- Wenige Minuten ſpäter traten die Gefangenen, mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0174" n="164"/> <p>„Das käme auf einen Verſuch an!“ rief Phanes.<lb/> „Laß den König in den Schloßhof treten und die Gefang-<lb/> nen und Verurtheilten an ihm vorüberführen, dann wird<lb/> ſich erweiſen, ob er ein Mann iſt oder ein Feigling.“</p><lb/> <p>„So ſei es!“ rief Kambyſes. „Jch werde mich ver-<lb/> bergen und ihn ungeſehen beobachten. Du begleiteſt mich,<lb/> Phanes, und nennſt mir den Namen und Stand der ein-<lb/> zelnen Gefangenen!“</p><lb/> <p>Am Morgen des nächſten Tages begab ſich der Athe-<lb/> ner mit dem Könige auf den Altan, welcher den rieſen-<lb/> großen, mit Bäumen bepflanzten Schloßhof umgab. Dichtes<lb/> Blumengebüſch verbarg die Lauſcher, welche jede Bewegung<lb/> der Menſchen unter ihnen erkennen und jedes Wort der-<lb/> ſelben verſtehen konnten. Pſamtik ſtand, von einigen ſeiner<lb/> früheren Genoſſen umgeben, an einen Palmenbaum gelehnt<lb/> und ſchaute finſter zu Boden, während ſeine Tochter mit<lb/> dem Kinde Neithoteph’s und andern Jungfrauen in Skla-<lb/> venkleidern, gefüllte Waſſerkannen tragend, in den Hof<lb/> ſchritt. Sobald die Mädchen den König erblickten, erhoben<lb/> ſie ein lautes Klagegeſchrei, welches Pſamtik aus ſeinen<lb/> Träumen weckte. Nachdem er die Jammernden erkannt<lb/> hatte, beugte er ſein Antlitz zur Erde nieder, richtete ſich<lb/> aber bald wieder auf und fragte ſeine Tochter, für wen<lb/> ſie das Waſſer trage? Als er vernommen hatte, daß ſie<lb/> Phanes Sklavendienſte leiſten müſſe, erbleichte er, nickte<lb/> mit dem Kopfe und rief den Mädchen zu: „Geht und<lb/> laßt mich allein!“</p><lb/> <p>Wenige Minuten ſpäter traten die Gefangenen, mit<lb/> Stricken am Halſe und Zäumen im Munde, von perſiſchen<lb/> Wachen geführt, in den Hof <hi rendition="#sup">113</hi>). Dem Zuge voran ging<lb/> der kleine Ramſes, welcher ſeinem Vater die Händchen<lb/> entgegenſtreckte und ihn bat, daß er die fremden, böſen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0174]
„Das käme auf einen Verſuch an!“ rief Phanes.
„Laß den König in den Schloßhof treten und die Gefang-
nen und Verurtheilten an ihm vorüberführen, dann wird
ſich erweiſen, ob er ein Mann iſt oder ein Feigling.“
„So ſei es!“ rief Kambyſes. „Jch werde mich ver-
bergen und ihn ungeſehen beobachten. Du begleiteſt mich,
Phanes, und nennſt mir den Namen und Stand der ein-
zelnen Gefangenen!“
Am Morgen des nächſten Tages begab ſich der Athe-
ner mit dem Könige auf den Altan, welcher den rieſen-
großen, mit Bäumen bepflanzten Schloßhof umgab. Dichtes
Blumengebüſch verbarg die Lauſcher, welche jede Bewegung
der Menſchen unter ihnen erkennen und jedes Wort der-
ſelben verſtehen konnten. Pſamtik ſtand, von einigen ſeiner
früheren Genoſſen umgeben, an einen Palmenbaum gelehnt
und ſchaute finſter zu Boden, während ſeine Tochter mit
dem Kinde Neithoteph’s und andern Jungfrauen in Skla-
venkleidern, gefüllte Waſſerkannen tragend, in den Hof
ſchritt. Sobald die Mädchen den König erblickten, erhoben
ſie ein lautes Klagegeſchrei, welches Pſamtik aus ſeinen
Träumen weckte. Nachdem er die Jammernden erkannt
hatte, beugte er ſein Antlitz zur Erde nieder, richtete ſich
aber bald wieder auf und fragte ſeine Tochter, für wen
ſie das Waſſer trage? Als er vernommen hatte, daß ſie
Phanes Sklavendienſte leiſten müſſe, erbleichte er, nickte
mit dem Kopfe und rief den Mädchen zu: „Geht und
laßt mich allein!“
Wenige Minuten ſpäter traten die Gefangenen, mit
Stricken am Halſe und Zäumen im Munde, von perſiſchen
Wachen geführt, in den Hof 113). Dem Zuge voran ging
der kleine Ramſes, welcher ſeinem Vater die Händchen
entgegenſtreckte und ihn bat, daß er die fremden, böſen
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