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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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pfang. Ein roher Soldat hob die Unglückliche auf und
hielt dieselbe ihrem Vater, der sie deutlich erkennen konnte,
weil er von den Söldnern nur durch die Entfernung eines
Bogenschusses getrennt war, entgegen. Zu gleicher Zeit
rief ein Aegypter, welcher sich später durch seine laute
Stimme berühmt machte 106), dem Erbebenden zu: "Gib
Acht, Athener, wie man hier zu Lande käufliche Verräther
straft!" Dann ergriff ein Karer den Mischkrug, dessen
vom Könige gespendeter Jnhalt ihn und seine Waffenbrüder
berauscht hatte, tauchte sein Schwert in die Brust des
Kindes, ließ das unschuldige Blut desselben in das eherne
Gefäß rinnen, füllte einen Becher mit dem gräßlichen
Tranke und leerte denselben, als bringe er das Wohl des
versteinert dastehenden Vaters aus. Wie die Unsinnigen
fielen die andern Söldner über den Mischkrug her und
schlürften, gleich wilden Thieren, den mit Blut besudelten
Rebensaft 107).

Jn diesem Augenblicke schoß Psamtik triumphirend
den ersten Pfeil auf die Perser ab.

Die Söldner warfen die Leiche des Kindes zu Boden,
stimmten, trunken von dem genossenen Blute, den Schlacht-
gesang an und eilten ihren ägyptischen Streitgenossen weit
voraus in den Kampf.

Aber auch die Reihen der Perser setzten sich jetzt in
Bewegung, und Phanes stürzte sich, rasend vor Schmerz
und Wuth, begleitet von seinen über die schändliche Bar-
barei ihrer Landsleute entrüsteten Schwerbewaffneten, auf
dieselben Männer, deren Liebe er durch zehnjährige treue
Führung verdient zu haben glaubte.

Als die Sonne in der Mittagshöhe stand, schien sich
das Glück der Waffen den Aegyptern zuwenden zu wollen;
als das Tagesgestirn unterging, waren die Perser im

pfang. Ein roher Soldat hob die Unglückliche auf und
hielt dieſelbe ihrem Vater, der ſie deutlich erkennen konnte,
weil er von den Söldnern nur durch die Entfernung eines
Bogenſchuſſes getrennt war, entgegen. Zu gleicher Zeit
rief ein Aegypter, welcher ſich ſpäter durch ſeine laute
Stimme berühmt machte 106), dem Erbebenden zu: „Gib
Acht, Athener, wie man hier zu Lande käufliche Verräther
ſtraft!“ Dann ergriff ein Karer den Miſchkrug, deſſen
vom Könige geſpendeter Jnhalt ihn und ſeine Waffenbrüder
berauſcht hatte, tauchte ſein Schwert in die Bruſt des
Kindes, ließ das unſchuldige Blut deſſelben in das eherne
Gefäß rinnen, füllte einen Becher mit dem gräßlichen
Tranke und leerte denſelben, als bringe er das Wohl des
verſteinert daſtehenden Vaters aus. Wie die Unſinnigen
fielen die andern Söldner über den Miſchkrug her und
ſchlürften, gleich wilden Thieren, den mit Blut beſudelten
Rebenſaft 107).

Jn dieſem Augenblicke ſchoß Pſamtik triumphirend
den erſten Pfeil auf die Perſer ab.

Die Söldner warfen die Leiche des Kindes zu Boden,
ſtimmten, trunken von dem genoſſenen Blute, den Schlacht-
geſang an und eilten ihren ägyptiſchen Streitgenoſſen weit
voraus in den Kampf.

Aber auch die Reihen der Perſer ſetzten ſich jetzt in
Bewegung, und Phanes ſtürzte ſich, raſend vor Schmerz
und Wuth, begleitet von ſeinen über die ſchändliche Bar-
barei ihrer Landsleute entrüſteten Schwerbewaffneten, auf
dieſelben Männer, deren Liebe er durch zehnjährige treue
Führung verdient zu haben glaubte.

Als die Sonne in der Mittagshöhe ſtand, ſchien ſich
das Glück der Waffen den Aegyptern zuwenden zu wollen;
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[156/0166] pfang. Ein roher Soldat hob die Unglückliche auf und hielt dieſelbe ihrem Vater, der ſie deutlich erkennen konnte, weil er von den Söldnern nur durch die Entfernung eines Bogenſchuſſes getrennt war, entgegen. Zu gleicher Zeit rief ein Aegypter, welcher ſich ſpäter durch ſeine laute Stimme berühmt machte 106), dem Erbebenden zu: „Gib Acht, Athener, wie man hier zu Lande käufliche Verräther ſtraft!“ Dann ergriff ein Karer den Miſchkrug, deſſen vom Könige geſpendeter Jnhalt ihn und ſeine Waffenbrüder berauſcht hatte, tauchte ſein Schwert in die Bruſt des Kindes, ließ das unſchuldige Blut deſſelben in das eherne Gefäß rinnen, füllte einen Becher mit dem gräßlichen Tranke und leerte denſelben, als bringe er das Wohl des verſteinert daſtehenden Vaters aus. Wie die Unſinnigen fielen die andern Söldner über den Miſchkrug her und ſchlürften, gleich wilden Thieren, den mit Blut beſudelten Rebenſaft 107). Jn dieſem Augenblicke ſchoß Pſamtik triumphirend den erſten Pfeil auf die Perſer ab. Die Söldner warfen die Leiche des Kindes zu Boden, ſtimmten, trunken von dem genoſſenen Blute, den Schlacht- geſang an und eilten ihren ägyptiſchen Streitgenoſſen weit voraus in den Kampf. Aber auch die Reihen der Perſer ſetzten ſich jetzt in Bewegung, und Phanes ſtürzte ſich, raſend vor Schmerz und Wuth, begleitet von ſeinen über die ſchändliche Bar- barei ihrer Landsleute entrüſteten Schwerbewaffneten, auf dieſelben Männer, deren Liebe er durch zehnjährige treue Führung verdient zu haben glaubte. Als die Sonne in der Mittagshöhe ſtand, ſchien ſich das Glück der Waffen den Aegyptern zuwenden zu wollen; als das Tagesgeſtirn unterging, waren die Perſer im

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/166>, abgerufen am 29.11.2024.