Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Der König hatte sich in wenigen Monaten sehr ver-
ändert. Seine sonst nicht unedel geformten, bleichen Züge
waren jetzt vom übermäßigen Genuß des Weins unschön
und roth geworden. Seine dunklen Augen hatten zwar
die alte Glut behalten, brannten aber in einem unreineren
Feuer, als früher. Sein sonst so üppiges, rabenschwarzes
Haar umwallte jetzt, grau und wüst, sein Haupt und Kinn,
während das triumphirend stolze Lächeln, welches sonst
seine Züge verschönte, einem Ausdrucke verachtungsvollen
Ueberdrusses und herber Strenge gewichen war.

Nur in der Trunkenheit, einem Zustande, der bei ihm
längst aufgehört hatte, etwas Ungewöhnliches zu sein, hörte
man ihn lachen; dann aber wiehernd und maßlos.

Vor seinen Weibern zeigte er nach wie vor Wider-
willen, und ließ den Harem, selbst als er nach Aegypten
aufbrach, in Susa zurück, während all' seine Großen ihre
Lieblingsfrauen und Kebsweiber mit sich führten *). Trotz-
dem hatte sich Niemand über Ungerechtigkeit von seiner
Seite zu beklagen; vielmehr drang er, nachdrücklicher als
je, auf strenge Vollziehung des Rechts; zeigte sich aber,
wenn er einen Mißbrauch entdeckt hatte, unerbittlich und
verhängte Strafen der grausamsten Art. Als ihm z. B.
hinterbracht worden war, ein Richter Namens Sisamnes
habe für Geld ein falsches Urtheil gesprochen, ließ er dem
Unglücklichen die Haut abziehen und den Richterstuhl
mit derselben beschlagen; darauf ernannte er den
Sohn des Gestraften zum Richter an des Vaters
Stelle und zwang denselben, jenen entsetzlichen Stuhl
einzunehmen 92). Außerdem zeigte er sich als Kriegs-
herr unermüdlich thätig und leitete die Uebungen der

*) Siehe II. Theil Anmerk. 22.

Der König hatte ſich in wenigen Monaten ſehr ver-
ändert. Seine ſonſt nicht unedel geformten, bleichen Züge
waren jetzt vom übermäßigen Genuß des Weins unſchön
und roth geworden. Seine dunklen Augen hatten zwar
die alte Glut behalten, brannten aber in einem unreineren
Feuer, als früher. Sein ſonſt ſo üppiges, rabenſchwarzes
Haar umwallte jetzt, grau und wüſt, ſein Haupt und Kinn,
während das triumphirend ſtolze Lächeln, welches ſonſt
ſeine Züge verſchönte, einem Ausdrucke verachtungsvollen
Ueberdruſſes und herber Strenge gewichen war.

Nur in der Trunkenheit, einem Zuſtande, der bei ihm
längſt aufgehört hatte, etwas Ungewöhnliches zu ſein, hörte
man ihn lachen; dann aber wiehernd und maßlos.

Vor ſeinen Weibern zeigte er nach wie vor Wider-
willen, und ließ den Harem, ſelbſt als er nach Aegypten
aufbrach, in Suſa zurück, während all’ ſeine Großen ihre
Lieblingsfrauen und Kebsweiber mit ſich führten *). Trotz-
dem hatte ſich Niemand über Ungerechtigkeit von ſeiner
Seite zu beklagen; vielmehr drang er, nachdrücklicher als
je, auf ſtrenge Vollziehung des Rechts; zeigte ſich aber,
wenn er einen Mißbrauch entdeckt hatte, unerbittlich und
verhängte Strafen der grauſamſten Art. Als ihm z. B.
hinterbracht worden war, ein Richter Namens Siſamnes
habe für Geld ein falſches Urtheil geſprochen, ließ er dem
Unglücklichen die Haut abziehen und den Richterſtuhl
mit derſelben beſchlagen; darauf ernannte er den
Sohn des Geſtraften zum Richter an des Vaters
Stelle und zwang denſelben, jenen entſetzlichen Stuhl
einzunehmen 92). Außerdem zeigte er ſich als Kriegs-
herr unermüdlich thätig und leitete die Uebungen der

*) Siehe II. Theil Anmerk. 22.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0152" n="142"/>
        <p>Der König hatte &#x017F;ich in wenigen Monaten &#x017F;ehr ver-<lb/>
ändert. Seine &#x017F;on&#x017F;t nicht unedel geformten, bleichen Züge<lb/>
waren jetzt vom übermäßigen Genuß des Weins un&#x017F;chön<lb/>
und roth geworden. Seine dunklen Augen hatten zwar<lb/>
die alte Glut behalten, brannten aber in einem unreineren<lb/>
Feuer, als früher. Sein &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o üppiges, raben&#x017F;chwarzes<lb/>
Haar umwallte jetzt, grau und wü&#x017F;t, &#x017F;ein Haupt und Kinn,<lb/>
während das triumphirend &#x017F;tolze Lächeln, welches &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eine Züge ver&#x017F;chönte, einem Ausdrucke verachtungsvollen<lb/>
Ueberdru&#x017F;&#x017F;es und herber Strenge gewichen war.</p><lb/>
        <p>Nur in der Trunkenheit, einem Zu&#x017F;tande, der bei ihm<lb/>
läng&#x017F;t aufgehört hatte, etwas Ungewöhnliches zu &#x017F;ein, hörte<lb/>
man ihn lachen; dann aber wiehernd und maßlos.</p><lb/>
        <p>Vor &#x017F;einen Weibern zeigte er nach wie vor Wider-<lb/>
willen, und ließ den Harem, &#x017F;elb&#x017F;t als er nach Aegypten<lb/>
aufbrach, in Su&#x017F;a zurück, während all&#x2019; &#x017F;eine Großen ihre<lb/>
Lieblingsfrauen und Kebsweiber mit &#x017F;ich führten <note place="foot" n="*)">Siehe <hi rendition="#aq">II.</hi> Theil Anmerk. 22.</note>. Trotz-<lb/>
dem hatte &#x017F;ich Niemand über Ungerechtigkeit von &#x017F;einer<lb/>
Seite zu beklagen; vielmehr drang er, nachdrücklicher als<lb/>
je, auf &#x017F;trenge Vollziehung des Rechts; zeigte &#x017F;ich aber,<lb/>
wenn er einen Mißbrauch entdeckt hatte, unerbittlich und<lb/>
verhängte Strafen der grau&#x017F;am&#x017F;ten Art. Als ihm z. B.<lb/>
hinterbracht worden war, ein Richter Namens Si&#x017F;amnes<lb/>
habe für Geld ein fal&#x017F;ches Urtheil ge&#x017F;prochen, ließ er dem<lb/>
Unglücklichen die Haut abziehen und den Richter&#x017F;tuhl<lb/>
mit der&#x017F;elben be&#x017F;chlagen; darauf ernannte er den<lb/>
Sohn des Ge&#x017F;traften zum Richter an des Vaters<lb/>
Stelle und zwang den&#x017F;elben, jenen ent&#x017F;etzlichen Stuhl<lb/>
einzunehmen <hi rendition="#sup">92</hi>). Außerdem zeigte er &#x017F;ich als Kriegs-<lb/>
herr unermüdlich thätig und leitete die Uebungen der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0152] Der König hatte ſich in wenigen Monaten ſehr ver- ändert. Seine ſonſt nicht unedel geformten, bleichen Züge waren jetzt vom übermäßigen Genuß des Weins unſchön und roth geworden. Seine dunklen Augen hatten zwar die alte Glut behalten, brannten aber in einem unreineren Feuer, als früher. Sein ſonſt ſo üppiges, rabenſchwarzes Haar umwallte jetzt, grau und wüſt, ſein Haupt und Kinn, während das triumphirend ſtolze Lächeln, welches ſonſt ſeine Züge verſchönte, einem Ausdrucke verachtungsvollen Ueberdruſſes und herber Strenge gewichen war. Nur in der Trunkenheit, einem Zuſtande, der bei ihm längſt aufgehört hatte, etwas Ungewöhnliches zu ſein, hörte man ihn lachen; dann aber wiehernd und maßlos. Vor ſeinen Weibern zeigte er nach wie vor Wider- willen, und ließ den Harem, ſelbſt als er nach Aegypten aufbrach, in Suſa zurück, während all’ ſeine Großen ihre Lieblingsfrauen und Kebsweiber mit ſich führten *). Trotz- dem hatte ſich Niemand über Ungerechtigkeit von ſeiner Seite zu beklagen; vielmehr drang er, nachdrücklicher als je, auf ſtrenge Vollziehung des Rechts; zeigte ſich aber, wenn er einen Mißbrauch entdeckt hatte, unerbittlich und verhängte Strafen der grauſamſten Art. Als ihm z. B. hinterbracht worden war, ein Richter Namens Siſamnes habe für Geld ein falſches Urtheil geſprochen, ließ er dem Unglücklichen die Haut abziehen und den Richterſtuhl mit derſelben beſchlagen; darauf ernannte er den Sohn des Geſtraften zum Richter an des Vaters Stelle und zwang denſelben, jenen entſetzlichen Stuhl einzunehmen 92). Außerdem zeigte er ſich als Kriegs- herr unermüdlich thätig und leitete die Uebungen der *) Siehe II. Theil Anmerk. 22.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/152
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/152>, abgerufen am 28.11.2024.