Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.Als die Jünglinge am nächsten Morgen im Garten "Sie hat während meiner Abwesenheit," erwiederte "Sie ist ein herrliches Mädchen!" rief der Groß- "Es ist also Sitte bei euch, die Wohnung einer "Freilich!" antwortete Theopompos. "Wenn ihr Als die Jünglinge am nächſten Morgen im Garten „Sie hat während meiner Abweſenheit,“ erwiederte „Sie iſt ein herrliches Mädchen!“ rief der Groß- „Es iſt alſo Sitte bei euch, die Wohnung einer „Freilich!“ antwortete Theopompos. „Wenn ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0108" n="98"/> <p>Als die Jünglinge am nächſten Morgen im Garten<lb/> des Theopompos mit ihrem Gaſtfreunde luſtwandelten, rief<lb/> Zopyros: „Jch habe dieſe ganze Nacht von Nichts als<lb/> Deiner Sappho geträumt, Du glücklicher Bartja. Solch’<lb/> ein Weſen iſt noch niemals geſchaffen worden. Wenn<lb/> Araspes ſie geſehen haben wird, ſo muß er mir zugeben,<lb/> daß Panthea übertroffen worden ſei! Meine neue Frau<lb/> in Sardes, die ich für Wunder wie ſchön hielt, kommt mir<lb/> jetzt wie eine Nachteule vor! Auramazda iſt ein Ver-<lb/> ſchwender! Mit Sappho’s Reizen hätte er drei Schön-<lb/> heiten ausſtatten können! Und wie köſtlich es klang, als<lb/> ſie uns auf Perſiſch „gute Nacht“ wünſchte.“</p><lb/> <p>„Sie hat während meiner Abweſenheit,“ erwiederte<lb/> Bartja, „die Sprache unſerer Heimat von einer Suſianerin,<lb/> der Gattin eines babyloniſchen Teppichhändlers, welche zu<lb/> Naukratis wohnt, erlernt und überraſchte mich mit dieſem<lb/> mühſam erworbenen Geſchenke.“</p><lb/> <p>„Sie iſt ein herrliches Mädchen!“ rief der Groß-<lb/> händler. „Meine verſtorbene Gattin liebte die Kleine,<lb/> wie ihr eignes Kind und hätte ſie gern mit unſerem Sohne,<lb/> der den Geſchäften meines Hauſes zu Milet vorſteht, ver-<lb/> heirathet; doch die Götter haben es anders gewollt! Meine<lb/> Abgeſchiedene würde ſich freuen, wenn ſie die Hochzeits-<lb/> kränze am Hauſe der Rhodopis ſehen könnte!“</p><lb/> <p>„Es iſt alſo Sitte bei euch, die Wohnung einer<lb/> Braut mit Blumen zu ſchmücken?“ fragte Zopyros.</p><lb/> <p>„Freilich!“ antwortete Theopompos. „Wenn ihr<lb/> einer bekränzten Thür begegnet, ſo wißt ihr, daß dieſelbe<lb/> eine Braut verſchließt, ſeht ihr einen Oelzweig an einem<lb/> Hauſe hängen, ſo ward in demſelben ein Knabe geboren;<lb/> — erblickt ihr dagegen eine wollene Binde über der Pforte,<lb/> ſo hat ein Mägdlein hinter derſelben die Welt erblickt <hi rendition="#sup">59</hi>).<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0108]
Als die Jünglinge am nächſten Morgen im Garten
des Theopompos mit ihrem Gaſtfreunde luſtwandelten, rief
Zopyros: „Jch habe dieſe ganze Nacht von Nichts als
Deiner Sappho geträumt, Du glücklicher Bartja. Solch’
ein Weſen iſt noch niemals geſchaffen worden. Wenn
Araspes ſie geſehen haben wird, ſo muß er mir zugeben,
daß Panthea übertroffen worden ſei! Meine neue Frau
in Sardes, die ich für Wunder wie ſchön hielt, kommt mir
jetzt wie eine Nachteule vor! Auramazda iſt ein Ver-
ſchwender! Mit Sappho’s Reizen hätte er drei Schön-
heiten ausſtatten können! Und wie köſtlich es klang, als
ſie uns auf Perſiſch „gute Nacht“ wünſchte.“
„Sie hat während meiner Abweſenheit,“ erwiederte
Bartja, „die Sprache unſerer Heimat von einer Suſianerin,
der Gattin eines babyloniſchen Teppichhändlers, welche zu
Naukratis wohnt, erlernt und überraſchte mich mit dieſem
mühſam erworbenen Geſchenke.“
„Sie iſt ein herrliches Mädchen!“ rief der Groß-
händler. „Meine verſtorbene Gattin liebte die Kleine,
wie ihr eignes Kind und hätte ſie gern mit unſerem Sohne,
der den Geſchäften meines Hauſes zu Milet vorſteht, ver-
heirathet; doch die Götter haben es anders gewollt! Meine
Abgeſchiedene würde ſich freuen, wenn ſie die Hochzeits-
kränze am Hauſe der Rhodopis ſehen könnte!“
„Es iſt alſo Sitte bei euch, die Wohnung einer
Braut mit Blumen zu ſchmücken?“ fragte Zopyros.
„Freilich!“ antwortete Theopompos. „Wenn ihr
einer bekränzten Thür begegnet, ſo wißt ihr, daß dieſelbe
eine Braut verſchließt, ſeht ihr einen Oelzweig an einem
Hauſe hängen, ſo ward in demſelben ein Knabe geboren;
— erblickt ihr dagegen eine wollene Binde über der Pforte,
ſo hat ein Mägdlein hinter derſelben die Welt erblickt 59).
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