Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

"Jhr großen Götter, sagt, wie kann dies kleine Herz
solch' eine Fülle höchster Seligkeit ertragen, ohne, einer
Vase gleich, die man mit schwerem Golde überfüllt, ge-
sprengt zu werden."

"Weil ein andres Herz, das meine, Deine Last zu
tragen hilft, weil Deine Seele meine unterstützt. Mit
dieser Hülfe spotte ich der Welt und aller Leiden, die die
Nacht gebiert."

"O reize nicht den Neid, den Zorn der Götter, die
oft das Glück der Sterblichen verdrießt. Wir haben, seit
Du in die Ferne zogst, gar manchen thränenreichen Tag
verlebt. Des guten Phanes arme Kinderlein, ein Knabe,
schön wie Eros, eine Maid, so hold und rosig, wie ein
Wölkchen, das vom Morgenroth beleuchtet, freundlich strahlt,
-- verlebten manchen Tag in unsrem Haus. Großmutter
ward von Neuem froh und jung, wenn sie die lieben,
frischen Kleinen sah; ich aber schenkte ihnen all' mein
Herz, obgleich es Dir ja ganz allein gehört. Doch ist es
mit dem Herz' ein seltsam Ding, das gleich der Sonne,
Vielen Strahlen schenkt, und doch nicht ärmer wird an
Licht und Glanz, und keinem vorenthält, was ihm ge-
bührt. Jch liebte Phanes Kinder, ach, so sehr! -- An
einem Abend saßen wir allein mit Theopompos in dem
Frauensaal, als an der Thüre wilder Lärm erklang. Der
alte Knakias, unser treuer Sklav, kam just zur Pforte,
als der Riegel sprang und eine Schaar von Kriegern
durch den Flur in's Peristyl, die Andronitis und von
dort, die Mittelthür zerschlagend, zu uns drang. Groß-
mutter zeigte ihnen jenen Brief, durch welchen Amasis
ihr Haus zur unantastbar sichern Zuflucht macht. Sie
lachten aber spöttisch jener Schrift und zeigten ein be-
siegelt' Dokument, in dem der Kronprinz Psamtik streng

„Jhr großen Götter, ſagt, wie kann dies kleine Herz
ſolch’ eine Fülle höchſter Seligkeit ertragen, ohne, einer
Vaſe gleich, die man mit ſchwerem Golde überfüllt, ge-
ſprengt zu werden.“

„Weil ein andres Herz, das meine, Deine Laſt zu
tragen hilft, weil Deine Seele meine unterſtützt. Mit
dieſer Hülfe ſpotte ich der Welt und aller Leiden, die die
Nacht gebiert.“

„O reize nicht den Neid, den Zorn der Götter, die
oft das Glück der Sterblichen verdrießt. Wir haben, ſeit
Du in die Ferne zogſt, gar manchen thränenreichen Tag
verlebt. Des guten Phanes arme Kinderlein, ein Knabe,
ſchön wie Eros, eine Maid, ſo hold und roſig, wie ein
Wölkchen, das vom Morgenroth beleuchtet, freundlich ſtrahlt,
— verlebten manchen Tag in unſrem Haus. Großmutter
ward von Neuem froh und jung, wenn ſie die lieben,
friſchen Kleinen ſah; ich aber ſchenkte ihnen all’ mein
Herz, obgleich es Dir ja ganz allein gehört. Doch iſt es
mit dem Herz’ ein ſeltſam Ding, das gleich der Sonne,
Vielen Strahlen ſchenkt, und doch nicht ärmer wird an
Licht und Glanz, und keinem vorenthält, was ihm ge-
bührt. Jch liebte Phanes Kinder, ach, ſo ſehr! — An
einem Abend ſaßen wir allein mit Theopompos in dem
Frauenſaal, als an der Thüre wilder Lärm erklang. Der
alte Knakias, unſer treuer Sklav, kam juſt zur Pforte,
als der Riegel ſprang und eine Schaar von Kriegern
durch den Flur in’s Periſtyl, die Andronitis und von
dort, die Mittelthür zerſchlagend, zu uns drang. Groß-
mutter zeigte ihnen jenen Brief, durch welchen Amaſis
ihr Haus zur unantaſtbar ſichern Zuflucht macht. Sie
lachten aber ſpöttiſch jener Schrift und zeigten ein be-
ſiegelt’ Dokument, in dem der Kronprinz Pſamtik ſtreng

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0104" n="94"/>
        <p>&#x201E;Jhr großen Götter, &#x017F;agt, wie kann dies kleine Herz<lb/>
&#x017F;olch&#x2019; eine Fülle höch&#x017F;ter Seligkeit ertragen, ohne, einer<lb/>
Va&#x017F;e gleich, die man mit &#x017F;chwerem Golde überfüllt, ge-<lb/>
&#x017F;prengt zu werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil ein andres Herz, das meine, Deine La&#x017F;t zu<lb/>
tragen hilft, weil Deine Seele meine unter&#x017F;tützt. Mit<lb/>
die&#x017F;er Hülfe &#x017F;potte ich der Welt und aller Leiden, die die<lb/>
Nacht gebiert.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O reize nicht den Neid, den Zorn der Götter, die<lb/>
oft das Glück der Sterblichen verdrießt. Wir haben, &#x017F;eit<lb/>
Du in die Ferne zog&#x017F;t, gar manchen thränenreichen Tag<lb/>
verlebt. Des guten Phanes arme Kinderlein, ein Knabe,<lb/>
&#x017F;chön wie Eros, eine Maid, &#x017F;o hold und ro&#x017F;ig, wie ein<lb/>
Wölkchen, das vom Morgenroth beleuchtet, freundlich &#x017F;trahlt,<lb/>
&#x2014; verlebten manchen Tag in un&#x017F;rem Haus. Großmutter<lb/>
ward von Neuem froh und jung, wenn &#x017F;ie die lieben,<lb/>
fri&#x017F;chen Kleinen &#x017F;ah; ich aber &#x017F;chenkte ihnen all&#x2019; mein<lb/>
Herz, obgleich es Dir ja ganz allein gehört. Doch i&#x017F;t es<lb/>
mit dem Herz&#x2019; ein &#x017F;elt&#x017F;am Ding, das gleich der Sonne,<lb/>
Vielen Strahlen &#x017F;chenkt, und doch nicht ärmer wird an<lb/>
Licht und Glanz, und keinem vorenthält, was ihm ge-<lb/>
bührt. Jch liebte Phanes Kinder, ach, &#x017F;o &#x017F;ehr! &#x2014; An<lb/>
einem Abend &#x017F;aßen wir allein mit Theopompos in dem<lb/>
Frauen&#x017F;aal, als an der Thüre wilder Lärm erklang. Der<lb/>
alte Knakias, un&#x017F;er treuer Sklav, kam ju&#x017F;t zur Pforte,<lb/>
als der Riegel &#x017F;prang und eine Schaar von Kriegern<lb/>
durch den Flur in&#x2019;s Peri&#x017F;tyl, die Andronitis und von<lb/>
dort, die Mittelthür zer&#x017F;chlagend, zu uns drang. Groß-<lb/>
mutter zeigte ihnen jenen Brief, durch welchen Ama&#x017F;is<lb/>
ihr Haus zur unanta&#x017F;tbar &#x017F;ichern Zuflucht macht. Sie<lb/>
lachten aber &#x017F;pötti&#x017F;ch jener Schrift und zeigten ein be-<lb/>
&#x017F;iegelt&#x2019; Dokument, in dem der Kronprinz P&#x017F;amtik &#x017F;treng<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0104] „Jhr großen Götter, ſagt, wie kann dies kleine Herz ſolch’ eine Fülle höchſter Seligkeit ertragen, ohne, einer Vaſe gleich, die man mit ſchwerem Golde überfüllt, ge- ſprengt zu werden.“ „Weil ein andres Herz, das meine, Deine Laſt zu tragen hilft, weil Deine Seele meine unterſtützt. Mit dieſer Hülfe ſpotte ich der Welt und aller Leiden, die die Nacht gebiert.“ „O reize nicht den Neid, den Zorn der Götter, die oft das Glück der Sterblichen verdrießt. Wir haben, ſeit Du in die Ferne zogſt, gar manchen thränenreichen Tag verlebt. Des guten Phanes arme Kinderlein, ein Knabe, ſchön wie Eros, eine Maid, ſo hold und roſig, wie ein Wölkchen, das vom Morgenroth beleuchtet, freundlich ſtrahlt, — verlebten manchen Tag in unſrem Haus. Großmutter ward von Neuem froh und jung, wenn ſie die lieben, friſchen Kleinen ſah; ich aber ſchenkte ihnen all’ mein Herz, obgleich es Dir ja ganz allein gehört. Doch iſt es mit dem Herz’ ein ſeltſam Ding, das gleich der Sonne, Vielen Strahlen ſchenkt, und doch nicht ärmer wird an Licht und Glanz, und keinem vorenthält, was ihm ge- bührt. Jch liebte Phanes Kinder, ach, ſo ſehr! — An einem Abend ſaßen wir allein mit Theopompos in dem Frauenſaal, als an der Thüre wilder Lärm erklang. Der alte Knakias, unſer treuer Sklav, kam juſt zur Pforte, als der Riegel ſprang und eine Schaar von Kriegern durch den Flur in’s Periſtyl, die Andronitis und von dort, die Mittelthür zerſchlagend, zu uns drang. Groß- mutter zeigte ihnen jenen Brief, durch welchen Amaſis ihr Haus zur unantaſtbar ſichern Zuflucht macht. Sie lachten aber ſpöttiſch jener Schrift und zeigten ein be- ſiegelt’ Dokument, in dem der Kronprinz Pſamtik ſtreng

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/104
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/104>, abgerufen am 24.11.2024.