Klang der Harmonieen eines Saitenspiels. Du kannst dem Manne, dem Dein Herz gehört, den Du für höher als Dich selber hältst, weil Du ihn eben liebst, nicht besser dienen und Deine Treue ihm nicht schöner zeigen, als wenn Du Deinen Geist und Dein Gemüth, so hoch es nur in Deinen Kräften steht, veredelst. Was Du auch Schönes, Gutes neu erlernst, das wird für Deinen Lieb- sten zum Geschenk, -- denn, gibst Du ihm Dein ganzes Wesen hin, empfängt er Deine Tugenden mit Dir. Doch träumend hat noch Niemand Sieg erkämpft. Der Labe- thau der Tugendblume nennt sich Schweiß!' -- So sagte sie; ich aber sprang beschämt vom Heerde fort, ergriff das Saitenspiel, erlernte neue Lieder oder hing am Munde meiner Lehrerin, die mich, -- sie übertrifft an Weisheit manchen Mann, -- mit Wort und Schriften liebend unter- wies. So floß die Zeit dahin, ein rascher Strom, der, gleich dem Nil dort drüben, ewig fließt und bald ein bunt' bewimpelt' goldnes Boot, bald ein gefräßig' böses Kroko- dill an uns, den Sterblichen, vorüberführt!"
"Jetzt sitzen wir in jenem Wonnekahn! O hielte doch in diesem Augenblick der Strom der Zeit die schnellen Fluten auf, o wär' es immerwährend so, wie jetzt! -- Du holdes Mädchen, wie Du klüglich sprichst, wie Du die schönen Lehren wohl begreifst und sie noch anmuthsvoller wiedergibst. Ja, meine Sappho, ich bin stolz auf Dich! Jn Deiner Tugend hab' ich einen Schatz, der mich viel reicher macht, als meinen Herrn und Bruder, dem die halbe Welt gehört!"
"Du, stolz auf mich, -- Du hoher Fürstensohn, der Schönste, Beste Deines ganzen Stammes?!"
"Jch finde keinen höhern Werth in mir, als den, daß Du mich Deiner würdig hältst!"
Klang der Harmonieen eines Saitenſpiels. Du kannſt dem Manne, dem Dein Herz gehört, den Du für höher als Dich ſelber hältſt, weil Du ihn eben liebſt, nicht beſſer dienen und Deine Treue ihm nicht ſchöner zeigen, als wenn Du Deinen Geiſt und Dein Gemüth, ſo hoch es nur in Deinen Kräften ſteht, veredelſt. Was Du auch Schönes, Gutes neu erlernſt, das wird für Deinen Lieb- ſten zum Geſchenk, — denn, gibſt Du ihm Dein ganzes Weſen hin, empfängt er Deine Tugenden mit Dir. Doch träumend hat noch Niemand Sieg erkämpft. Der Labe- thau der Tugendblume nennt ſich Schweiß!‘ — So ſagte ſie; ich aber ſprang beſchämt vom Heerde fort, ergriff das Saitenſpiel, erlernte neue Lieder oder hing am Munde meiner Lehrerin, die mich, — ſie übertrifft an Weisheit manchen Mann, — mit Wort und Schriften liebend unter- wies. So floß die Zeit dahin, ein raſcher Strom, der, gleich dem Nil dort drüben, ewig fließt und bald ein bunt’ bewimpelt’ goldnes Boot, bald ein gefräßig’ böſes Kroko- dill an uns, den Sterblichen, vorüberführt!“
„Jetzt ſitzen wir in jenem Wonnekahn! O hielte doch in dieſem Augenblick der Strom der Zeit die ſchnellen Fluten auf, o wär’ es immerwährend ſo, wie jetzt! — Du holdes Mädchen, wie Du klüglich ſprichſt, wie Du die ſchönen Lehren wohl begreifſt und ſie noch anmuthsvoller wiedergibſt. Ja, meine Sappho, ich bin ſtolz auf Dich! Jn Deiner Tugend hab’ ich einen Schatz, der mich viel reicher macht, als meinen Herrn und Bruder, dem die halbe Welt gehört!“
„Du, ſtolz auf mich, — Du hoher Fürſtenſohn, der Schönſte, Beſte Deines ganzen Stammes?!“
„Jch finde keinen höhern Werth in mir, als den, daß Du mich Deiner würdig hältſt!“
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Klang der Harmonieen eines Saitenſpiels. Du kannſt
dem Manne, dem Dein Herz gehört, den Du für höher
als Dich ſelber hältſt, weil Du ihn eben liebſt, nicht beſſer
dienen und Deine Treue ihm nicht ſchöner zeigen, als
wenn Du Deinen Geiſt und Dein Gemüth, ſo hoch es
nur in Deinen Kräften ſteht, veredelſt. Was Du auch
Schönes, Gutes neu erlernſt, das wird für Deinen Lieb-
ſten zum Geſchenk, — denn, gibſt Du ihm Dein ganzes
Weſen hin, empfängt er Deine Tugenden mit Dir. Doch
träumend hat noch Niemand Sieg erkämpft. Der Labe-
thau der Tugendblume nennt ſich Schweiß!‘ — So ſagte
ſie; ich aber ſprang beſchämt vom Heerde fort, ergriff
das Saitenſpiel, erlernte neue Lieder oder hing am Munde
meiner Lehrerin, die mich, — ſie übertrifft an Weisheit
manchen Mann, — mit Wort und Schriften liebend unter-
wies. So floß die Zeit dahin, ein raſcher Strom, der,
gleich dem Nil dort drüben, ewig fließt und bald ein bunt’
bewimpelt’ goldnes Boot, bald ein gefräßig’ böſes Kroko-
dill an uns, den Sterblichen, vorüberführt!“
„Jetzt ſitzen wir in jenem Wonnekahn! O hielte
doch in dieſem Augenblick der Strom der Zeit die ſchnellen
Fluten auf, o wär’ es immerwährend ſo, wie jetzt! — Du
holdes Mädchen, wie Du klüglich ſprichſt, wie Du die
ſchönen Lehren wohl begreifſt und ſie noch anmuthsvoller
wiedergibſt. Ja, meine Sappho, ich bin ſtolz auf Dich!
Jn Deiner Tugend hab’ ich einen Schatz, der mich viel
reicher macht, als meinen Herrn und Bruder, dem die
halbe Welt gehört!“
„Du, ſtolz auf mich, — Du hoher Fürſtenſohn, der
Schönſte, Beſte Deines ganzen Stammes?!“
„Jch finde keinen höhern Werth in mir, als den,
daß Du mich Deiner würdig hältſt!“
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/103>, abgerufen am 21.07.2024.
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