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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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den ersten Tagen nach Deiner Abreise, von neuem an
Thränen zu vergießen.

"Traurig, beinahe rathlos brachten wir die Arme
nach Sais zurück.

"Jhr Aussehen glich dem einer Gottheit. -- Sie war
schmächtiger geworden, aber wie wir Alle bemerkt zu ha-
hen glaubten, gewachsen; die Farbe ihrer Haut schimmerte
in einer fast durchsichtigen Weiße, und ihre Wangen zierte
ein leiser Anhauch, den ich nur mit der Farbe eines
jungen Rosenblattes oder den ersten Grüßen der Morgen-
röthe vergleichen kann. Jhr Auge glänzt heute noch wun-
derbar schön und hell.

"Es scheint mir immer, als wenn diese Blicke mehr
erschauten, als das, was sich auf der Erde und am Him-
mel bewegt. Jch meine, diese Blicke müssen über das Ge-
schaffene hinaus in ferne Welten schauen.

"Weil ihre Hände und ihre Stirn immer heißer wur-
den und manchmal ein leises Frösteln ihre zarten Glieder
durchschauerte, ließen wir Thutmes, den berühmtesten
Arzt für innere Krankheiten, aus Theben nach Sais
kommen.

"Der erfahrene Priester schüttelte den Kopf, als er
Deine Schwester erblickte, und prophezeite, daß dieselbe
einer schweren Krankheit entgegeneile. Von nun an durfte
sie nicht mehr spinnen, und nur wenig sprechen. Sie
mußte allerlei Tränke einnehmen, man besprach und be-
schwor ihr Leiden 70), die Sterne und Orakel wurden be-
fragt, den Göttern reiche Opfer und Geschenke dargebracht.
Die Hathorpriester von der Jnsel Philae übersandten uns
für die Kranke ein geheiligtes Amulet, die Osirispriester
von Abydos eine in Gold gefaßte Haarlocke des Osiris,
und Neithoteph, der Oberpriester unsrer Schutzgöttin, ver-

den erſten Tagen nach Deiner Abreiſe, von neuem an
Thränen zu vergießen.

„Traurig, beinahe rathlos brachten wir die Arme
nach Sais zurück.

„Jhr Ausſehen glich dem einer Gottheit. — Sie war
ſchmächtiger geworden, aber wie wir Alle bemerkt zu ha-
hen glaubten, gewachſen; die Farbe ihrer Haut ſchimmerte
in einer faſt durchſichtigen Weiße, und ihre Wangen zierte
ein leiſer Anhauch, den ich nur mit der Farbe eines
jungen Roſenblattes oder den erſten Grüßen der Morgen-
röthe vergleichen kann. Jhr Auge glänzt heute noch wun-
derbar ſchön und hell.

„Es ſcheint mir immer, als wenn dieſe Blicke mehr
erſchauten, als das, was ſich auf der Erde und am Him-
mel bewegt. Jch meine, dieſe Blicke müſſen über das Ge-
ſchaffene hinaus in ferne Welten ſchauen.

„Weil ihre Hände und ihre Stirn immer heißer wur-
den und manchmal ein leiſes Fröſteln ihre zarten Glieder
durchſchauerte, ließen wir Thutmes, den berühmteſten
Arzt für innere Krankheiten, aus Theben nach Sais
kommen.

„Der erfahrene Prieſter ſchüttelte den Kopf, als er
Deine Schweſter erblickte, und prophezeite, daß dieſelbe
einer ſchweren Krankheit entgegeneile. Von nun an durfte
ſie nicht mehr ſpinnen, und nur wenig ſprechen. Sie
mußte allerlei Tränke einnehmen, man beſprach und be-
ſchwor ihr Leiden 70), die Sterne und Orakel wurden be-
fragt, den Göttern reiche Opfer und Geſchenke dargebracht.
Die Hathorprieſter von der Jnſel Philae überſandten uns
für die Kranke ein geheiligtes Amulet, die Oſirisprieſter
von Abydos eine in Gold gefaßte Haarlocke des Oſiris,
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[90/0092] den erſten Tagen nach Deiner Abreiſe, von neuem an Thränen zu vergießen. „Traurig, beinahe rathlos brachten wir die Arme nach Sais zurück. „Jhr Ausſehen glich dem einer Gottheit. — Sie war ſchmächtiger geworden, aber wie wir Alle bemerkt zu ha- hen glaubten, gewachſen; die Farbe ihrer Haut ſchimmerte in einer faſt durchſichtigen Weiße, und ihre Wangen zierte ein leiſer Anhauch, den ich nur mit der Farbe eines jungen Roſenblattes oder den erſten Grüßen der Morgen- röthe vergleichen kann. Jhr Auge glänzt heute noch wun- derbar ſchön und hell. „Es ſcheint mir immer, als wenn dieſe Blicke mehr erſchauten, als das, was ſich auf der Erde und am Him- mel bewegt. Jch meine, dieſe Blicke müſſen über das Ge- ſchaffene hinaus in ferne Welten ſchauen. „Weil ihre Hände und ihre Stirn immer heißer wur- den und manchmal ein leiſes Fröſteln ihre zarten Glieder durchſchauerte, ließen wir Thutmes, den berühmteſten Arzt für innere Krankheiten, aus Theben nach Sais kommen. „Der erfahrene Prieſter ſchüttelte den Kopf, als er Deine Schweſter erblickte, und prophezeite, daß dieſelbe einer ſchweren Krankheit entgegeneile. Von nun an durfte ſie nicht mehr ſpinnen, und nur wenig ſprechen. Sie mußte allerlei Tränke einnehmen, man beſprach und be- ſchwor ihr Leiden 70), die Sterne und Orakel wurden be- fragt, den Göttern reiche Opfer und Geſchenke dargebracht. Die Hathorprieſter von der Jnſel Philae überſandten uns für die Kranke ein geheiligtes Amulet, die Oſirisprieſter von Abydos eine in Gold gefaßte Haarlocke des Oſiris, und Neithoteph, der Oberprieſter unſrer Schutzgöttin, ver-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/92>, abgerufen am 28.11.2024.