man besonders für den König betete, so geschah dieß, weil man in ihm die Verkörperung des ganzen Reichs erblickte.
Die ägyptischen Priester stellten die Pharaonen als wirkliche Gottheiten dar, die Perser nannten ihre Fürsten nur Söhne der Götter 50) und dennoch herrschten jene in der That weit unbeschränkter als diese, denn sie hatten es verstanden, sich von der Vormundschaft einer Priesterkaste frei zu halten, welche, wie wir gesehen haben, die Pha- raonen, wenn nicht beherrschte, so doch in den wesentlich- sten Angelegenheiten zu beeinflussen pflegte.
Von dem unduldsamen Wesen der Aegypter, welches alle fremden Götter vom Nil zu verbannen bestrebt war, wußte man in Asien nichts. -- Die von Kyros besiegten Babylonier durften nach ihrer Einverleibung in das große asiatische Reich, nach wie vor, zu ihren alten Göttern beten. Die Juden, Jonier und Kleinasiaten, kurz die ganze Menge der dem Scepter des Kambyses gehorchenden Völkerschaften, blieben ungestört im Besitz ihrer angeerbten Religionen und Sitten.
So brannten denn auch zu Babylon am Geburtstage des Königs neben den Feueraltären der Magier viele an- dere Opferflammen, welche die Festgesandten für die Göt- ter, welche sie in ihrer Heimat verehrten, angezündet hatten.
Die Riesenstadt glich aus der Ferne einem ungeheu- ren Schmelzofen, denn über ihren Thürmen schwebten dichte Rauchwolken, welche das Licht der brennenden Mai- sonne verfinsterten. --
Als der König im großen Reichspalaste angelangt war, ordnete sich die Schaar der Festboten zu einem unabseh- baren Zuge, der durch die geraden Straßen Babylons dem Schlosse entgegen wallte.
man beſonders für den König betete, ſo geſchah dieß, weil man in ihm die Verkörperung des ganzen Reichs erblickte.
Die ägyptiſchen Prieſter ſtellten die Pharaonen als wirkliche Gottheiten dar, die Perſer nannten ihre Fürſten nur Söhne der Götter 50) und dennoch herrſchten jene in der That weit unbeſchränkter als dieſe, denn ſie hatten es verſtanden, ſich von der Vormundſchaft einer Prieſterkaſte frei zu halten, welche, wie wir geſehen haben, die Pha- raonen, wenn nicht beherrſchte, ſo doch in den weſentlich- ſten Angelegenheiten zu beeinfluſſen pflegte.
Von dem unduldſamen Weſen der Aegypter, welches alle fremden Götter vom Nil zu verbannen beſtrebt war, wußte man in Aſien nichts. — Die von Kyros beſiegten Babylonier durften nach ihrer Einverleibung in das große aſiatiſche Reich, nach wie vor, zu ihren alten Göttern beten. Die Juden, Jonier und Kleinaſiaten, kurz die ganze Menge der dem Scepter des Kambyſes gehorchenden Völkerſchaften, blieben ungeſtört im Beſitz ihrer angeerbten Religionen und Sitten.
So brannten denn auch zu Babylon am Geburtstage des Königs neben den Feueraltären der Magier viele an- dere Opferflammen, welche die Feſtgeſandten für die Göt- ter, welche ſie in ihrer Heimat verehrten, angezündet hatten.
Die Rieſenſtadt glich aus der Ferne einem ungeheu- ren Schmelzofen, denn über ihren Thürmen ſchwebten dichte Rauchwolken, welche das Licht der brennenden Mai- ſonne verfinſterten. —
Als der König im großen Reichspalaſte angelangt war, ordnete ſich die Schaar der Feſtboten zu einem unabſeh- baren Zuge, der durch die geraden Straßen Babylons dem Schloſſe entgegen wallte.
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man beſonders für den König betete, ſo geſchah dieß, weil
man in ihm die Verkörperung des ganzen Reichs erblickte.
Die ägyptiſchen Prieſter ſtellten die Pharaonen als
wirkliche Gottheiten dar, die Perſer nannten ihre Fürſten
nur Söhne der Götter 50) und dennoch herrſchten jene in
der That weit unbeſchränkter als dieſe, denn ſie hatten es
verſtanden, ſich von der Vormundſchaft einer Prieſterkaſte
frei zu halten, welche, wie wir geſehen haben, die Pha-
raonen, wenn nicht beherrſchte, ſo doch in den weſentlich-
ſten Angelegenheiten zu beeinfluſſen pflegte.
Von dem unduldſamen Weſen der Aegypter, welches
alle fremden Götter vom Nil zu verbannen beſtrebt war,
wußte man in Aſien nichts. — Die von Kyros beſiegten
Babylonier durften nach ihrer Einverleibung in das große
aſiatiſche Reich, nach wie vor, zu ihren alten Göttern
beten. Die Juden, Jonier und Kleinaſiaten, kurz die
ganze Menge der dem Scepter des Kambyſes gehorchenden
Völkerſchaften, blieben ungeſtört im Beſitz ihrer angeerbten
Religionen und Sitten.
So brannten denn auch zu Babylon am Geburtstage
des Königs neben den Feueraltären der Magier viele an-
dere Opferflammen, welche die Feſtgeſandten für die Göt-
ter, welche ſie in ihrer Heimat verehrten, angezündet
hatten.
Die Rieſenſtadt glich aus der Ferne einem ungeheu-
ren Schmelzofen, denn über ihren Thürmen ſchwebten
dichte Rauchwolken, welche das Licht der brennenden Mai-
ſonne verfinſterten. —
Als der König im großen Reichspalaſte angelangt war,
ordnete ſich die Schaar der Feſtboten zu einem unabſeh-
baren Zuge, der durch die geraden Straßen Babylons
dem Schloſſe entgegen wallte.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/66>, abgerufen am 16.02.2025.
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