Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Bei diesen Worten sprang der König auf das Mäd-
chen zu, hielt ihre Hände mit seiner Linken so fest zusam-
men, daß sie laut aufschrie, bog mit der Rechten das rei-
zende Köpfchen zurück und küßte die widerstrebende Schwe-
ster, welche nun weinend ihren Wärterinnen entgegen und
in ihre Wohnung zurücklief.

Als Atossa verschwunden war, sagte Bartja: "Du
hast die arme Kleine zu hart angefaßt, Kambyses; sie
schrie vor Schmerz!"

Des Königs Angesicht verfinsterte sich. Da flüsterte
Krösus Bartja zu: "Reize ihn nicht; Du weißt, daß er
keinen Widerspruch ertragen kann!"

Der Jüngling schwieg; Kambyses aber sagte: "Komm
jetzt zur Mutter; sie hat mich gebeten, Dich zu ihr zu
führen, sobald Du anlangen solltest; die Weiber können
ihren angebeteten Liebling gar nicht erwarten! Nitetis
sagte mir, Du habest auch die Aegypterinnen mit Deinen
blonden Locken und rosigen Wangen bezaubert. Bete bei
Zeiten zu Mithra, daß er Dir ewige Jugend verleihe und
Dich vor den Runzeln des Alters bewahre!"

"Willst Du mit diesen Worten sagen," fragte Bartja,
"daß ich keine Tugend besäße, welche auch dem Alter zur
Zierde gereicht?"

"Jch erkläre niemanden meine Worte. Komm!"

"Jch aber werde Dich um eine Gelegenheit bitten,
Dir beweisen zu können, daß ich keinem Perser an männ-
lichen Tugenden nachstehe."

"Das Jubelgeschrei der Babylonier konnte Dir sagen,
daß Du nicht der Thaten bedarfst, um Anerkennung zu
finden."

"Kambyses!"

"Komm jetzt! Der Krieg mit den Massageten steht

Bei dieſen Worten ſprang der König auf das Mäd-
chen zu, hielt ihre Hände mit ſeiner Linken ſo feſt zuſam-
men, daß ſie laut aufſchrie, bog mit der Rechten das rei-
zende Köpfchen zurück und küßte die widerſtrebende Schwe-
ſter, welche nun weinend ihren Wärterinnen entgegen und
in ihre Wohnung zurücklief.

Als Atoſſa verſchwunden war, ſagte Bartja: „Du
haſt die arme Kleine zu hart angefaßt, Kambyſes; ſie
ſchrie vor Schmerz!“

Des Königs Angeſicht verfinſterte ſich. Da flüſterte
Kröſus Bartja zu: „Reize ihn nicht; Du weißt, daß er
keinen Widerſpruch ertragen kann!“

Der Jüngling ſchwieg; Kambyſes aber ſagte: „Komm
jetzt zur Mutter; ſie hat mich gebeten, Dich zu ihr zu
führen, ſobald Du anlangen ſollteſt; die Weiber können
ihren angebeteten Liebling gar nicht erwarten! Nitetis
ſagte mir, Du habeſt auch die Aegypterinnen mit Deinen
blonden Locken und roſigen Wangen bezaubert. Bete bei
Zeiten zu Mithra, daß er Dir ewige Jugend verleihe und
Dich vor den Runzeln des Alters bewahre!“

„Willſt Du mit dieſen Worten ſagen,“ fragte Bartja,
„daß ich keine Tugend beſäße, welche auch dem Alter zur
Zierde gereicht?“

„Jch erkläre niemanden meine Worte. Komm!“

„Jch aber werde Dich um eine Gelegenheit bitten,
Dir beweiſen zu können, daß ich keinem Perſer an männ-
lichen Tugenden nachſtehe.“

„Das Jubelgeſchrei der Babylonier konnte Dir ſagen,
daß Du nicht der Thaten bedarfſt, um Anerkennung zu
finden.“

„Kambyſes!“

„Komm jetzt! Der Krieg mit den Maſſageten ſteht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0021" n="19"/>
        <p>Bei die&#x017F;en Worten &#x017F;prang der König auf das Mäd-<lb/>
chen zu, hielt ihre Hände mit &#x017F;einer Linken &#x017F;o fe&#x017F;t zu&#x017F;am-<lb/>
men, daß &#x017F;ie laut auf&#x017F;chrie, bog mit der Rechten das rei-<lb/>
zende Köpfchen zurück und küßte die wider&#x017F;trebende Schwe-<lb/>
&#x017F;ter, welche nun weinend ihren Wärterinnen entgegen und<lb/>
in ihre Wohnung zurücklief.</p><lb/>
        <p>Als Ato&#x017F;&#x017F;a ver&#x017F;chwunden war, &#x017F;agte Bartja: &#x201E;Du<lb/>
ha&#x017F;t die arme Kleine zu hart angefaßt, Kamby&#x017F;es; &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chrie vor Schmerz!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Des Königs Ange&#x017F;icht verfin&#x017F;terte &#x017F;ich. Da flü&#x017F;terte<lb/>
Krö&#x017F;us Bartja zu: &#x201E;Reize ihn nicht; Du weißt, daß er<lb/>
keinen Wider&#x017F;pruch ertragen kann!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Jüngling &#x017F;chwieg; Kamby&#x017F;es aber &#x017F;agte: &#x201E;Komm<lb/>
jetzt zur Mutter; &#x017F;ie hat mich gebeten, Dich zu ihr zu<lb/>
führen, &#x017F;obald Du anlangen &#x017F;ollte&#x017F;t; die Weiber können<lb/>
ihren angebeteten Liebling gar nicht erwarten! Nitetis<lb/>
&#x017F;agte mir, Du habe&#x017F;t auch die Aegypterinnen mit Deinen<lb/>
blonden Locken und ro&#x017F;igen Wangen bezaubert. Bete bei<lb/>
Zeiten zu Mithra, daß er Dir ewige Jugend verleihe und<lb/>
Dich vor den Runzeln des Alters bewahre!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Will&#x017F;t Du mit die&#x017F;en Worten &#x017F;agen,&#x201C; fragte Bartja,<lb/>
&#x201E;daß ich keine Tugend be&#x017F;äße, welche auch dem Alter zur<lb/>
Zierde gereicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch erkläre niemanden meine Worte. Komm!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch aber werde Dich um eine Gelegenheit bitten,<lb/>
Dir bewei&#x017F;en zu können, daß ich keinem Per&#x017F;er an männ-<lb/>
lichen Tugenden nach&#x017F;tehe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Jubelge&#x017F;chrei der Babylonier konnte Dir &#x017F;agen,<lb/>
daß Du nicht der Thaten bedarf&#x017F;t, um Anerkennung zu<lb/>
finden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kamby&#x017F;es!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Komm jetzt! Der Krieg mit den Ma&#x017F;&#x017F;ageten &#x017F;teht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0021] Bei dieſen Worten ſprang der König auf das Mäd- chen zu, hielt ihre Hände mit ſeiner Linken ſo feſt zuſam- men, daß ſie laut aufſchrie, bog mit der Rechten das rei- zende Köpfchen zurück und küßte die widerſtrebende Schwe- ſter, welche nun weinend ihren Wärterinnen entgegen und in ihre Wohnung zurücklief. Als Atoſſa verſchwunden war, ſagte Bartja: „Du haſt die arme Kleine zu hart angefaßt, Kambyſes; ſie ſchrie vor Schmerz!“ Des Königs Angeſicht verfinſterte ſich. Da flüſterte Kröſus Bartja zu: „Reize ihn nicht; Du weißt, daß er keinen Widerſpruch ertragen kann!“ Der Jüngling ſchwieg; Kambyſes aber ſagte: „Komm jetzt zur Mutter; ſie hat mich gebeten, Dich zu ihr zu führen, ſobald Du anlangen ſollteſt; die Weiber können ihren angebeteten Liebling gar nicht erwarten! Nitetis ſagte mir, Du habeſt auch die Aegypterinnen mit Deinen blonden Locken und roſigen Wangen bezaubert. Bete bei Zeiten zu Mithra, daß er Dir ewige Jugend verleihe und Dich vor den Runzeln des Alters bewahre!“ „Willſt Du mit dieſen Worten ſagen,“ fragte Bartja, „daß ich keine Tugend beſäße, welche auch dem Alter zur Zierde gereicht?“ „Jch erkläre niemanden meine Worte. Komm!“ „Jch aber werde Dich um eine Gelegenheit bitten, Dir beweiſen zu können, daß ich keinem Perſer an männ- lichen Tugenden nachſtehe.“ „Das Jubelgeſchrei der Babylonier konnte Dir ſagen, daß Du nicht der Thaten bedarfſt, um Anerkennung zu finden.“ „Kambyſes!“ „Komm jetzt! Der Krieg mit den Maſſageten ſteht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/21
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/21>, abgerufen am 21.11.2024.