Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.Erschöpft und bleich lag er auf seinem goldnen Bette un- Kassandane ermahnte ihren Sohn mit sanften Wor- "Du hast recht, Mutter," antwortete der König, Kassandane brauchte ihre ganze Beredsamkeit, um die Endlich unterbrach Kambyses die wehklagende Greisin "Kennst Du den Jnhalt dieses Schreibens?" fragte "Nein; es war in griechischer Sprache geschrieben. Erſchöpft und bleich lag er auf ſeinem goldnen Bette un- Kaſſandane ermahnte ihren Sohn mit ſanften Wor- „Du haſt recht, Mutter,“ antwortete der König, Kaſſandane brauchte ihre ganze Beredſamkeit, um die Endlich unterbrach Kambyſes die wehklagende Greiſin „Kennſt Du den Jnhalt dieſes Schreibens?“ fragte „Nein; es war in griechiſcher Sprache geſchrieben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0169" n="167"/> Erſchöpft und bleich lag er auf ſeinem goldnen Bette un-<lb/> ter Decken von purpurner Seide. Neben ihm ſaß ſeine<lb/> blinde Mutter; am Fußende des Lagers ſtand Kröſus mit<lb/> Oropaſtes, und im Hintergrunde des Zimmers beriethen<lb/> ſich vier Leibärzte <hi rendition="#sup">103</hi>), leiſe flüſternd, über den Zuſtand<lb/> des Kranken.</p><lb/> <p>Kaſſandane ermahnte ihren Sohn mit ſanften Wor-<lb/> ten, ſich vor leidenſchaftlichem Aufbrauſen zu hüten und<lb/> zu bedenken, wie traurige Folgen jeder Ausbruch des Zorns<lb/> für ſeine Geſundheit haben könnte.</p><lb/> <p>„Du haſt recht, Mutter,“ antwortete der König,<lb/> bitter lächelnd. „Es wird nöthig ſein, daß ich Alles,<lb/> was meinen Zorn erweckt, aus meinem Wege räume. Die<lb/> Aegypterin muß ſterben und mein verrätheriſcher Bruder<lb/> ſeiner Buhlerin folgen!“</p><lb/> <p>Kaſſandane brauchte ihre ganze Beredſamkeit, um die<lb/> Unſchuld der Verurtheilten zu beweiſen und den Zorn des<lb/> Königs zu beſänftigen, aber weder Bitten, noch Thränen,<lb/> noch mütterlich mahnende Worte vermochten den Entſchluß<lb/> des Kambyſes, ſich von den Mördern ſeines Glücks und<lb/> ſeiner Ruhe zu befreien, umzuſtoßen.</p><lb/> <p>Endlich unterbrach Kambyſes die wehklagende Greiſin<lb/> und ſagte: „Jch fühle mich tödtlich erſchöpft und kann<lb/> Dein Schluchzen und Deine Klagen nicht länger mit an-<lb/> hören. Die Schuld der Nitetis iſt erwieſen. Ein Mann<lb/> hat das Schlafzimmer derſelben nächtlicher Weile verlaſſen,<lb/> und dieſer Mann war kein Dieb, ſondern der ſchönſte<lb/> der Perſer, an den ſie ſich geſtern Abend einen Brief zu<lb/> ſenden erfrechte.“</p><lb/> <p>„Kennſt Du den Jnhalt dieſes Schreibens?“ fragte<lb/> Kröſus und näherte ſich dem Lager.</p><lb/> <p>„Nein; es war in griechiſcher Sprache geſchrieben.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [167/0169]
Erſchöpft und bleich lag er auf ſeinem goldnen Bette un-
ter Decken von purpurner Seide. Neben ihm ſaß ſeine
blinde Mutter; am Fußende des Lagers ſtand Kröſus mit
Oropaſtes, und im Hintergrunde des Zimmers beriethen
ſich vier Leibärzte 103), leiſe flüſternd, über den Zuſtand
des Kranken.
Kaſſandane ermahnte ihren Sohn mit ſanften Wor-
ten, ſich vor leidenſchaftlichem Aufbrauſen zu hüten und
zu bedenken, wie traurige Folgen jeder Ausbruch des Zorns
für ſeine Geſundheit haben könnte.
„Du haſt recht, Mutter,“ antwortete der König,
bitter lächelnd. „Es wird nöthig ſein, daß ich Alles,
was meinen Zorn erweckt, aus meinem Wege räume. Die
Aegypterin muß ſterben und mein verrätheriſcher Bruder
ſeiner Buhlerin folgen!“
Kaſſandane brauchte ihre ganze Beredſamkeit, um die
Unſchuld der Verurtheilten zu beweiſen und den Zorn des
Königs zu beſänftigen, aber weder Bitten, noch Thränen,
noch mütterlich mahnende Worte vermochten den Entſchluß
des Kambyſes, ſich von den Mördern ſeines Glücks und
ſeiner Ruhe zu befreien, umzuſtoßen.
Endlich unterbrach Kambyſes die wehklagende Greiſin
und ſagte: „Jch fühle mich tödtlich erſchöpft und kann
Dein Schluchzen und Deine Klagen nicht länger mit an-
hören. Die Schuld der Nitetis iſt erwieſen. Ein Mann
hat das Schlafzimmer derſelben nächtlicher Weile verlaſſen,
und dieſer Mann war kein Dieb, ſondern der ſchönſte
der Perſer, an den ſie ſich geſtern Abend einen Brief zu
ſenden erfrechte.“
„Kennſt Du den Jnhalt dieſes Schreibens?“ fragte
Kröſus und näherte ſich dem Lager.
„Nein; es war in griechiſcher Sprache geſchrieben.
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