drückte ihm, sein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand, indem er sagte: "Es thut mir leid, daß ich bei Deiner Hochzeit abwesend sein werde. Wenn ich wiederkomme, so hoff' ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgesöhnt zu finden."
"Vielleicht," antwortete Darius bitter lächelnd, "kann ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau zeigen."
"Das mag Anahita *) geben!" rief Zopyros. "Die Achämeniden würden bald aussterben, wenn alle handeln wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib, Bartja, ist auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht, schon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen auf einmal heimzuführen."
"Jch hasse unsere Sitte, viele Frauen zu nehmen," rief Bartja. "Wir stellen uns durch dieselbe unter die Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles gehn sollte, heute Dieser, morgen Jener unverbrüchliche Liebe schwören!"
"Bah!" rief Zopyros. "Jch möchte lieber meine Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unsere Frauen sind aber so trügerische Geschöpfe, daß man ihnen mit gleicher Münze zahlen muß."
"Die Helleninnen sind von andrer Art, weil ihnen anders begegnet wird," erwiederte Bartja. "Sappho er- zählte mir von einer griechischen Frau; sie hieß, wie ich glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr' in Liebe, Geduld und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem
*) Siehe Anmerkung 37 des II. Theils.
drückte ihm, ſein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand, indem er ſagte: „Es thut mir leid, daß ich bei Deiner Hochzeit abweſend ſein werde. Wenn ich wiederkomme, ſo hoff’ ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgeſöhnt zu finden.“
„Vielleicht,“ antwortete Darius bitter lächelnd, „kann ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau zeigen.“
„Das mag Anahita *) geben!“ rief Zopyros. „Die Achämeniden würden bald ausſterben, wenn alle handeln wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib, Bartja, iſt auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht, ſchon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen auf einmal heimzuführen.“
„Jch haſſe unſere Sitte, viele Frauen zu nehmen,“ rief Bartja. „Wir ſtellen uns durch dieſelbe unter die Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles gehn ſollte, heute Dieſer, morgen Jener unverbrüchliche Liebe ſchwören!“
„Bah!“ rief Zopyros. „Jch möchte lieber meine Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unſere Frauen ſind aber ſo trügeriſche Geſchöpfe, daß man ihnen mit gleicher Münze zahlen muß.“
„Die Helleninnen ſind von andrer Art, weil ihnen anders begegnet wird,“ erwiederte Bartja. „Sappho er- zählte mir von einer griechiſchen Frau; ſie hieß, wie ich glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr’ in Liebe, Geduld und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem
*) Siehe Anmerkung 37 des II. Theils.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="143"/>
drückte ihm, ſein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand,<lb/>
indem er ſagte: „Es thut mir leid, daß ich bei Deiner<lb/>
Hochzeit abweſend ſein werde. Wenn ich wiederkomme, ſo<lb/>
hoff’ ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgeſöhnt<lb/>
zu finden.“</p><lb/><p>„Vielleicht,“ antwortete Darius bitter lächelnd, „kann<lb/>
ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau<lb/>
zeigen.“</p><lb/><p>„Das mag Anahita <noteplace="foot"n="*)">Siehe Anmerkung 37 des <hirendition="#aq">II.</hi> Theils.</note> geben!“ rief Zopyros. „Die<lb/>
Achämeniden würden bald ausſterben, wenn alle handeln<lb/>
wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib,<lb/>
Bartja, iſt auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht,<lb/>ſchon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen<lb/>
auf einmal heimzuführen.“</p><lb/><p>„Jch haſſe unſere Sitte, viele Frauen zu nehmen,“<lb/>
rief Bartja. „Wir ſtellen uns durch dieſelbe unter die<lb/>
Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang<lb/>
treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles<lb/>
gehn ſollte, heute Dieſer, morgen Jener unverbrüchliche<lb/>
Liebe ſchwören!“</p><lb/><p>„Bah!“ rief Zopyros. „Jch möchte lieber meine<lb/>
Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unſere Frauen<lb/>ſind aber ſo trügeriſche Geſchöpfe, daß man ihnen mit<lb/>
gleicher Münze zahlen muß.“</p><lb/><p>„Die Helleninnen ſind von andrer Art, weil ihnen<lb/>
anders begegnet wird,“ erwiederte Bartja. „Sappho er-<lb/>
zählte mir von einer griechiſchen Frau; ſie hieß, wie ich<lb/>
glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr’ in Liebe, Geduld<lb/>
und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem<lb/></p></div></body></text></TEI>
[143/0145]
drückte ihm, ſein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand,
indem er ſagte: „Es thut mir leid, daß ich bei Deiner
Hochzeit abweſend ſein werde. Wenn ich wiederkomme, ſo
hoff’ ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgeſöhnt
zu finden.“
„Vielleicht,“ antwortete Darius bitter lächelnd, „kann
ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau
zeigen.“
„Das mag Anahita *) geben!“ rief Zopyros. „Die
Achämeniden würden bald ausſterben, wenn alle handeln
wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib,
Bartja, iſt auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht,
ſchon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen
auf einmal heimzuführen.“
„Jch haſſe unſere Sitte, viele Frauen zu nehmen,“
rief Bartja. „Wir ſtellen uns durch dieſelbe unter die
Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang
treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles
gehn ſollte, heute Dieſer, morgen Jener unverbrüchliche
Liebe ſchwören!“
„Bah!“ rief Zopyros. „Jch möchte lieber meine
Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unſere Frauen
ſind aber ſo trügeriſche Geſchöpfe, daß man ihnen mit
gleicher Münze zahlen muß.“
„Die Helleninnen ſind von andrer Art, weil ihnen
anders begegnet wird,“ erwiederte Bartja. „Sappho er-
zählte mir von einer griechiſchen Frau; ſie hieß, wie ich
glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr’ in Liebe, Geduld
und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem
*) Siehe Anmerkung 37 des II. Theils.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/145>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.