sich; -- die Priester und Großen an der Treppe dagegen sahen würdevoll und schweigend vor sich hin. Jeder Ein- zelne glich in seiner Gemessenheit, mit seiner steifen Locken- Perücke 98) und dem falschen, regelmäßig gekräuselten Barte jenen vollkommen gleichen Standbildern, welche ruhig, ernst und unverwandt in den Strom schauend, regungslos auf ihrem Platze saßen.
Jetzt wurden in der Ferne seidene purpurroth und blau karirte Segel sichtbar 99).
Das Volk schrie und jubelte. Man rief: "Sie kom- men, da sind sie!" -- "Nimm Dich in Acht, daß Du das Kätzchen nicht trittst!" -- "Amme, halte das Mädchen höher, damit es auch etwas zu sehen bekommt!" -- "Du wirst mich noch in's Wasser werfen, Sebak!" -- "Sieh Dich vor, Phöniker, die Buben werfen Dir Kletten in den langen Bart!" -- "Nun, nun Hellene, Du brauchst nicht zu denken, daß Dir Aegypten allein gehört, weil Amasis euch am heiligen Strome zu wohnen erlaubt!" -- "Unverschämtes Pack, diese Griechen! -- Nieder mit ihnen!" rief ein Tempeldiener. "Nieder mit den Schweinefres- sern 100) und Götterverächtern!" wiederhallte es rings umher.
Man schickte sich zu Thätlichkeiten an; die Sicherheits- beamten ließen aber nicht mit sich spassen und schafften bald, ihre langen Stöcke nachdrücklich schwingend, Ruh und Frieden. Die großen bunten Segel, leicht erkennbar unter den sie umwimmelnden blauen, weißen und braunen Tuchen kleinerer Nilfahrzeuge, näherten sich immer mehr der er- wartenden Menge. Jetzt erhoben sich auch die Würden- träger und der Thronerbe von ihren Sitzen.
Das königliche Trompeterchor 101) blies eine schmet- ternde, die Luft zerschneidende Fanfare, und die erste der erwarteten Barken hielt an der Landungstreppe.
ſich; — die Prieſter und Großen an der Treppe dagegen ſahen würdevoll und ſchweigend vor ſich hin. Jeder Ein- zelne glich in ſeiner Gemeſſenheit, mit ſeiner ſteifen Locken- Perücke 98) und dem falſchen, regelmäßig gekräuſelten Barte jenen vollkommen gleichen Standbildern, welche ruhig, ernſt und unverwandt in den Strom ſchauend, regungslos auf ihrem Platze ſaßen.
Jetzt wurden in der Ferne ſeidene purpurroth und blau karirte Segel ſichtbar 99).
Das Volk ſchrie und jubelte. Man rief: „Sie kom- men, da ſind ſie!“ — „Nimm Dich in Acht, daß Du das Kätzchen nicht trittſt!“ — „Amme, halte das Mädchen höher, damit es auch etwas zu ſehen bekommt!“ — „Du wirſt mich noch in’s Waſſer werfen, Sebak!“ — „Sieh Dich vor, Phöniker, die Buben werfen Dir Kletten in den langen Bart!“ — „Nun, nun Hellene, Du brauchſt nicht zu denken, daß Dir Aegypten allein gehört, weil Amaſis euch am heiligen Strome zu wohnen erlaubt!“ — „Unverſchämtes Pack, dieſe Griechen! — Nieder mit ihnen!“ rief ein Tempeldiener. „Nieder mit den Schweinefreſ- ſern 100) und Götterverächtern!“ wiederhallte es rings umher.
Man ſchickte ſich zu Thätlichkeiten an; die Sicherheits- beamten ließen aber nicht mit ſich ſpaſſen und ſchafften bald, ihre langen Stöcke nachdrücklich ſchwingend, Ruh und Frieden. Die großen bunten Segel, leicht erkennbar unter den ſie umwimmelnden blauen, weißen und braunen Tuchen kleinerer Nilfahrzeuge, näherten ſich immer mehr der er- wartenden Menge. Jetzt erhoben ſich auch die Würden- träger und der Thronerbe von ihren Sitzen.
Das königliche Trompeterchor 101) blies eine ſchmet- ternde, die Luft zerſchneidende Fanfare, und die erſte der erwarteten Barken hielt an der Landungstreppe.
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ſich; — die Prieſter und Großen an der Treppe dagegen
ſahen würdevoll und ſchweigend vor ſich hin. Jeder Ein-
zelne glich in ſeiner Gemeſſenheit, mit ſeiner ſteifen Locken-
Perücke 98) und dem falſchen, regelmäßig gekräuſelten Barte
jenen vollkommen gleichen Standbildern, welche ruhig,
ernſt und unverwandt in den Strom ſchauend, regungslos
auf ihrem Platze ſaßen.
Jetzt wurden in der Ferne ſeidene purpurroth und
blau karirte Segel ſichtbar 99).
Das Volk ſchrie und jubelte. Man rief: „Sie kom-
men, da ſind ſie!“ — „Nimm Dich in Acht, daß Du das
Kätzchen nicht trittſt!“ — „Amme, halte das Mädchen
höher, damit es auch etwas zu ſehen bekommt!“ — „Du
wirſt mich noch in’s Waſſer werfen, Sebak!“ — „Sieh
Dich vor, Phöniker, die Buben werfen Dir Kletten in
den langen Bart!“ — „Nun, nun Hellene, Du brauchſt
nicht zu denken, daß Dir Aegypten allein gehört, weil
Amaſis euch am heiligen Strome zu wohnen erlaubt!“ —
„Unverſchämtes Pack, dieſe Griechen! — Nieder mit ihnen!“
rief ein Tempeldiener. „Nieder mit den Schweinefreſ-
ſern 100) und Götterverächtern!“ wiederhallte es rings umher.
Man ſchickte ſich zu Thätlichkeiten an; die Sicherheits-
beamten ließen aber nicht mit ſich ſpaſſen und ſchafften
bald, ihre langen Stöcke nachdrücklich ſchwingend, Ruh und
Frieden. Die großen bunten Segel, leicht erkennbar unter den
ſie umwimmelnden blauen, weißen und braunen Tuchen
kleinerer Nilfahrzeuge, näherten ſich immer mehr der er-
wartenden Menge. Jetzt erhoben ſich auch die Würden-
träger und der Thronerbe von ihren Sitzen.
Das königliche Trompeterchor 101) blies eine ſchmet-
ternde, die Luft zerſchneidende Fanfare, und die erſte der
erwarteten Barken hielt an der Landungstreppe.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/77>, abgerufen am 22.07.2024.
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