sein kann. Jch will Dich nicht wegen Deines Leichtsinnes tadeln, dennoch konntest Du wissen, daß Du Dich, um kleiner Erfolge willen, großen Gefahren aussetztest. Der Weise, der wahrhaft Muthige unternimmt ein Wagniß nur dann, wenn Nutzen und Nachtheile, welche ihm aus demselben erwachsen können, sich mindestens gleich bleiben. Tollkühn- heit ist eben so thöricht, wenn auch nicht ebenso verwerf- lich als Feigheit, denn wenn auch beide schaden, so schän- det doch nur die Letztere.
"Dein leichter Sinn hätte Dir dießmal beinahe das Leben gekostet, ein Leben, welches vielen theuer ist, und das Du für ein schöneres Ende, als dem Erliegen unter den Streichen der Narrheit, aufsparen solltest. Wir können nicht versuchen, Dich uns zu erhalten, denn wir würden Dir dadurch nichts nützen, uns aber schaden. An Deiner Stelle soll in Zukunft dieser edle Spartaner als Oberster der Hellenen unsere Nation am Hofe vertreten, sie vor Uebergriffen der Priester zu schützen, ihr die Gunst des Königs zu bewahren bemüht sein. Jch halte Deine Hand, Aristomachos, und lasse sie nicht eher los, bis Du uns versprochen hast, auch den geringsten Griechen, wie Phanes vor Dir, soweit es in Deinen Kräften steht, ge- gen den Uebermuth der Aegypter zu beschützen, und eher Deine Stellung aufzugeben, als das kleinste einem Hellenen angethane Unrecht straflos hingehen zu lassen. Wir sind wenig Tausende unter eben so vielen Millionen feindlich gesinnter Menschen; aber wir sind groß an Muth und müssen stark zu bleiben suchen durch Einigkeit. Bis heute haben sich die Hellenen in Aegypten wie rechte Brüder betragen; Einer opferte sich für Alle, Alle für Einen, und eben diese Einheit machte uns mächtig, soll uns in Zu- kunft stark erhalten. -- Könnten wir doch dem Mutter-
ſein kann. Jch will Dich nicht wegen Deines Leichtſinnes tadeln, dennoch konnteſt Du wiſſen, daß Du Dich, um kleiner Erfolge willen, großen Gefahren ausſetzteſt. Der Weiſe, der wahrhaft Muthige unternimmt ein Wagniß nur dann, wenn Nutzen und Nachtheile, welche ihm aus demſelben erwachſen können, ſich mindeſtens gleich bleiben. Tollkühn- heit iſt eben ſo thöricht, wenn auch nicht ebenſo verwerf- lich als Feigheit, denn wenn auch beide ſchaden, ſo ſchän- det doch nur die Letztere.
„Dein leichter Sinn hätte Dir dießmal beinahe das Leben gekoſtet, ein Leben, welches vielen theuer iſt, und das Du für ein ſchöneres Ende, als dem Erliegen unter den Streichen der Narrheit, aufſparen ſollteſt. Wir können nicht verſuchen, Dich uns zu erhalten, denn wir würden Dir dadurch nichts nützen, uns aber ſchaden. An Deiner Stelle ſoll in Zukunft dieſer edle Spartaner als Oberſter der Hellenen unſere Nation am Hofe vertreten, ſie vor Uebergriffen der Prieſter zu ſchützen, ihr die Gunſt des Königs zu bewahren bemüht ſein. Jch halte Deine Hand, Ariſtomachos, und laſſe ſie nicht eher los, bis Du uns verſprochen haſt, auch den geringſten Griechen, wie Phanes vor Dir, ſoweit es in Deinen Kräften ſteht, ge- gen den Uebermuth der Aegypter zu beſchützen, und eher Deine Stellung aufzugeben, als das kleinſte einem Hellenen angethane Unrecht ſtraflos hingehen zu laſſen. Wir ſind wenig Tauſende unter eben ſo vielen Millionen feindlich geſinnter Menſchen; aber wir ſind groß an Muth und müſſen ſtark zu bleiben ſuchen durch Einigkeit. Bis heute haben ſich die Hellenen in Aegypten wie rechte Brüder betragen; Einer opferte ſich für Alle, Alle für Einen, und eben dieſe Einheit machte uns mächtig, ſoll uns in Zu- kunft ſtark erhalten. — Könnten wir doch dem Mutter-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0048"n="30"/>ſein kann. Jch will Dich nicht wegen Deines Leichtſinnes<lb/>
tadeln, dennoch konnteſt Du wiſſen, daß Du Dich, um kleiner<lb/>
Erfolge willen, großen Gefahren ausſetzteſt. Der Weiſe,<lb/>
der wahrhaft Muthige unternimmt ein Wagniß nur dann,<lb/>
wenn Nutzen und Nachtheile, welche ihm aus demſelben<lb/>
erwachſen können, ſich mindeſtens gleich bleiben. Tollkühn-<lb/>
heit iſt eben ſo thöricht, wenn auch nicht ebenſo verwerf-<lb/>
lich als Feigheit, denn wenn auch beide ſchaden, ſo ſchän-<lb/>
det doch nur die Letztere.</p><lb/><p>„Dein leichter Sinn hätte Dir dießmal beinahe das<lb/>
Leben gekoſtet, ein Leben, welches vielen theuer iſt, und<lb/>
das Du für ein ſchöneres Ende, als dem Erliegen unter<lb/>
den Streichen der Narrheit, aufſparen ſollteſt. Wir<lb/>
können nicht verſuchen, Dich uns zu erhalten, denn wir<lb/>
würden Dir dadurch nichts nützen, uns aber ſchaden. An<lb/>
Deiner Stelle ſoll in Zukunft dieſer edle Spartaner als<lb/>
Oberſter der Hellenen unſere Nation am Hofe vertreten,<lb/>ſie vor Uebergriffen der Prieſter zu ſchützen, ihr die Gunſt<lb/>
des Königs zu bewahren bemüht ſein. Jch halte Deine<lb/>
Hand, Ariſtomachos, und laſſe ſie nicht eher los, bis Du<lb/>
uns verſprochen haſt, auch den geringſten Griechen, wie<lb/>
Phanes vor Dir, ſoweit es in Deinen Kräften ſteht, ge-<lb/>
gen den Uebermuth der Aegypter zu beſchützen, und eher<lb/>
Deine Stellung aufzugeben, als das kleinſte einem Hellenen<lb/>
angethane Unrecht ſtraflos hingehen zu laſſen. Wir ſind<lb/>
wenig Tauſende unter eben ſo vielen Millionen feindlich<lb/>
geſinnter Menſchen; aber wir ſind groß an Muth und<lb/>
müſſen ſtark zu bleiben ſuchen durch Einigkeit. Bis heute<lb/>
haben ſich die Hellenen in Aegypten wie rechte Brüder<lb/>
betragen; Einer opferte ſich für Alle, Alle für Einen, und<lb/>
eben dieſe Einheit machte uns mächtig, ſoll uns in Zu-<lb/>
kunft ſtark erhalten. — Könnten wir doch dem Mutter-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[30/0048]
ſein kann. Jch will Dich nicht wegen Deines Leichtſinnes
tadeln, dennoch konnteſt Du wiſſen, daß Du Dich, um kleiner
Erfolge willen, großen Gefahren ausſetzteſt. Der Weiſe,
der wahrhaft Muthige unternimmt ein Wagniß nur dann,
wenn Nutzen und Nachtheile, welche ihm aus demſelben
erwachſen können, ſich mindeſtens gleich bleiben. Tollkühn-
heit iſt eben ſo thöricht, wenn auch nicht ebenſo verwerf-
lich als Feigheit, denn wenn auch beide ſchaden, ſo ſchän-
det doch nur die Letztere.
„Dein leichter Sinn hätte Dir dießmal beinahe das
Leben gekoſtet, ein Leben, welches vielen theuer iſt, und
das Du für ein ſchöneres Ende, als dem Erliegen unter
den Streichen der Narrheit, aufſparen ſollteſt. Wir
können nicht verſuchen, Dich uns zu erhalten, denn wir
würden Dir dadurch nichts nützen, uns aber ſchaden. An
Deiner Stelle ſoll in Zukunft dieſer edle Spartaner als
Oberſter der Hellenen unſere Nation am Hofe vertreten,
ſie vor Uebergriffen der Prieſter zu ſchützen, ihr die Gunſt
des Königs zu bewahren bemüht ſein. Jch halte Deine
Hand, Ariſtomachos, und laſſe ſie nicht eher los, bis Du
uns verſprochen haſt, auch den geringſten Griechen, wie
Phanes vor Dir, ſoweit es in Deinen Kräften ſteht, ge-
gen den Uebermuth der Aegypter zu beſchützen, und eher
Deine Stellung aufzugeben, als das kleinſte einem Hellenen
angethane Unrecht ſtraflos hingehen zu laſſen. Wir ſind
wenig Tauſende unter eben ſo vielen Millionen feindlich
geſinnter Menſchen; aber wir ſind groß an Muth und
müſſen ſtark zu bleiben ſuchen durch Einigkeit. Bis heute
haben ſich die Hellenen in Aegypten wie rechte Brüder
betragen; Einer opferte ſich für Alle, Alle für Einen, und
eben dieſe Einheit machte uns mächtig, ſoll uns in Zu-
kunft ſtark erhalten. — Könnten wir doch dem Mutter-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/48>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.