den Jnhalt des Sackes verrathen haben. Als es dunkelte, begab sich der arme Müs mit seiner gefährlichen Last durch den Hathor Hain 55) nach dem Nile. Doch der ägyptische Schloßdiener, welcher meine Thiere zu füttern pflegte, hatte bemerkt, daß man die Brut zweier Katzen entfernt habe und unsern ganzen Plan durchschaut.
"Mein Sclave ging ganz gelassen durch die große Sphinxallee am Tempel des Ptah 56) vorüber, indem er das Säckchen unter seinem Mantel verborgen hielt. Schon im heiligen Haine bemerkte er, daß man ihm folge; er achtete aber nicht darauf und setzte seinen Weg vollkommen beruhigt fort, als er bemerkte, daß die Leute, welche hin- ter ihm hergingen, am Tempel des Ptah stehen blieben und sich dort mit Priestern unterredeten.
"Schon war er am Ufer des Nils angelangt. Da hörte er, wie man ihm rief, wie viele Menschen ihm in schnellem Laufe folgten, und ein geschleuderter Stein ganz dicht an seinem Kopfe vorüberpfiff.
"Müs übersah vollkommen die Gefahr, welche ihm drohte. Mit dem Aufgebot aller Kräfte jagte er bis an den Nil, schleuderte den Sack in denselben und stand klo- pfenden Herzens, -- aber, wie er glaubte, ohne jeden Be- weis seiner Schuld, am Ufer des Stromes. Wenige Au- genblicke später war er von hundert Tempeldienern umringt.
"Der Oberpriester des Ptah, Pthahotep, mein alter Feind, hatte nicht verschmäht, in eigner Person den Hä- schern zu folgen.
"Mehrere derselben, unter ihnen jener verrätherische Palastdiener, stiegen sofort in den Nil und fanden zu un- serm Verderben den Sack mit seinen zwölf Leichnamen, unversehrt im Papyros Rohre und den Bohnenranken am Ufer hängend. Vor den Augen des Oberpriesters, einer
den Jnhalt des Sackes verrathen haben. Als es dunkelte, begab ſich der arme Müs mit ſeiner gefährlichen Laſt durch den Hathor Hain 55) nach dem Nile. Doch der ägyptiſche Schloßdiener, welcher meine Thiere zu füttern pflegte, hatte bemerkt, daß man die Brut zweier Katzen entfernt habe und unſern ganzen Plan durchſchaut.
„Mein Sclave ging ganz gelaſſen durch die große Sphinxallee am Tempel des Ptah 56) vorüber, indem er das Säckchen unter ſeinem Mantel verborgen hielt. Schon im heiligen Haine bemerkte er, daß man ihm folge; er achtete aber nicht darauf und ſetzte ſeinen Weg vollkommen beruhigt fort, als er bemerkte, daß die Leute, welche hin- ter ihm hergingen, am Tempel des Ptah ſtehen blieben und ſich dort mit Prieſtern unterredeten.
„Schon war er am Ufer des Nils angelangt. Da hörte er, wie man ihm rief, wie viele Menſchen ihm in ſchnellem Laufe folgten, und ein geſchleuderter Stein ganz dicht an ſeinem Kopfe vorüberpfiff.
„Müs überſah vollkommen die Gefahr, welche ihm drohte. Mit dem Aufgebot aller Kräfte jagte er bis an den Nil, ſchleuderte den Sack in denſelben und ſtand klo- pfenden Herzens, — aber, wie er glaubte, ohne jeden Be- weis ſeiner Schuld, am Ufer des Stromes. Wenige Au- genblicke ſpäter war er von hundert Tempeldienern umringt.
„Der Oberprieſter des Ptah, Pthahotep, mein alter Feind, hatte nicht verſchmäht, in eigner Perſon den Hä- ſchern zu folgen.
„Mehrere derſelben, unter ihnen jener verrätheriſche Palaſtdiener, ſtiegen ſofort in den Nil und fanden zu un- ſerm Verderben den Sack mit ſeinen zwölf Leichnamen, unverſehrt im Papyros Rohre und den Bohnenranken am Ufer hängend. Vor den Augen des Oberprieſters, einer
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den Jnhalt des Sackes verrathen haben. Als es dunkelte,
begab ſich der arme Müs mit ſeiner gefährlichen Laſt durch
den Hathor Hain 55) nach dem Nile. Doch der ägyptiſche
Schloßdiener, welcher meine Thiere zu füttern pflegte, hatte
bemerkt, daß man die Brut zweier Katzen entfernt habe
und unſern ganzen Plan durchſchaut.
„Mein Sclave ging ganz gelaſſen durch die große
Sphinxallee am Tempel des Ptah 56) vorüber, indem er
das Säckchen unter ſeinem Mantel verborgen hielt. Schon
im heiligen Haine bemerkte er, daß man ihm folge; er
achtete aber nicht darauf und ſetzte ſeinen Weg vollkommen
beruhigt fort, als er bemerkte, daß die Leute, welche hin-
ter ihm hergingen, am Tempel des Ptah ſtehen blieben
und ſich dort mit Prieſtern unterredeten.
„Schon war er am Ufer des Nils angelangt. Da
hörte er, wie man ihm rief, wie viele Menſchen ihm in
ſchnellem Laufe folgten, und ein geſchleuderter Stein ganz
dicht an ſeinem Kopfe vorüberpfiff.
„Müs überſah vollkommen die Gefahr, welche ihm
drohte. Mit dem Aufgebot aller Kräfte jagte er bis an
den Nil, ſchleuderte den Sack in denſelben und ſtand klo-
pfenden Herzens, — aber, wie er glaubte, ohne jeden Be-
weis ſeiner Schuld, am Ufer des Stromes. Wenige Au-
genblicke ſpäter war er von hundert Tempeldienern umringt.
„Der Oberprieſter des Ptah, Pthahotep, mein alter
Feind, hatte nicht verſchmäht, in eigner Perſon den Hä-
ſchern zu folgen.
„Mehrere derſelben, unter ihnen jener verrätheriſche
Palaſtdiener, ſtiegen ſofort in den Nil und fanden zu un-
ſerm Verderben den Sack mit ſeinen zwölf Leichnamen,
unverſehrt im Papyros Rohre und den Bohnenranken am
Ufer hängend. Vor den Augen des Oberprieſters, einer
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/44>, abgerufen am 22.07.2024.
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