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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Gattin des Jadmon das Mädchen nicht länger in ihrem
Hause duldete, und der Samier seinen Liebling, schweren
Herzens, an einen gewissen Xanthos verkaufen mußte. Zu
Samos herrschte damals noch der wenig bemittelte Adel.
Wäre Polykrates schon am Ruder gewesen, so hätte sich
Xanthos um keinen Käufer zu grämen brauchen. Diese
Tyrannen füllen ihre Schatzkammern, wie die Elstern ihre
Nester! So zog er denn mit seinem Kleinode nach Nau-
kratis, und gewann hier durch die Reize seiner Sclavin
große Summen. Nun erlebte Rhodopis drei Jahre der
tiefsten Erniedrigung, deren sie mit Schauder gedenkt.

"Als endlich der Ruf ihrer Schönheit in ganz Hellas
bekannt geworden war, und Fremde aus weiter Ferne,
nur um ihretwillen, nach Naukratis kamen 15), geschah es,
daß das Volk von Lesbos seinen Adel vertrieb und den
weisen Pittakos zum Herrscher wählte. Die vornehmsten
Familien mußten Lesbos verlassen, und flohen theils nach
Sicilien, theils nach dem griechischen Jtalien, theils nach
Aegypten. Alkaeos 16), der größeste Dichter seiner Zeit,
und Charaxos, der Bruder jener Sappho 17), deren Oden
zu erlernen der letzte Wunsch eines Solon war, kamen
hieher nach Naukratis, welches schon lange als Stapel-
platz des ägyptischen Verkehrs mit der ganzen übrigen
Welt blühte. Charaxos sah Rhodopis, und liebte die-
selbe bald so glühend, daß er eine ungeheure Summe hin-
gab, um sie dem feilschenden Xanthos, welcher in die Hei-
mat zurückzukehren wünschte, abzukaufen. Sappho ver-
spottete den Bruder, dieses Kaufes wegen, mit beißenden
Versen; Alkaeos aber gab dem Charaxos Recht, und be-
sang Rhodopis in glühenden Liedern.

"Der Bruder der Dichterin, der sich früher unter den
Fremden in Naukratis verloren hatte, ward plötzlich durch

Gattin des Jadmon das Mädchen nicht länger in ihrem
Hauſe duldete, und der Samier ſeinen Liebling, ſchweren
Herzens, an einen gewiſſen Xanthos verkaufen mußte. Zu
Samos herrſchte damals noch der wenig bemittelte Adel.
Wäre Polykrates ſchon am Ruder geweſen, ſo hätte ſich
Xanthos um keinen Käufer zu grämen brauchen. Dieſe
Tyrannen füllen ihre Schatzkammern, wie die Elſtern ihre
Neſter! So zog er denn mit ſeinem Kleinode nach Nau-
kratis, und gewann hier durch die Reize ſeiner Sclavin
große Summen. Nun erlebte Rhodopis drei Jahre der
tiefſten Erniedrigung, deren ſie mit Schauder gedenkt.

„Als endlich der Ruf ihrer Schönheit in ganz Hellas
bekannt geworden war, und Fremde aus weiter Ferne,
nur um ihretwillen, nach Naukratis kamen 15), geſchah es,
daß das Volk von Lesbos ſeinen Adel vertrieb und den
weiſen Pittakos zum Herrſcher wählte. Die vornehmſten
Familien mußten Lesbos verlaſſen, und flohen theils nach
Sicilien, theils nach dem griechiſchen Jtalien, theils nach
Aegypten. Alkaeos 16), der größeſte Dichter ſeiner Zeit,
und Charaxos, der Bruder jener Sappho 17), deren Oden
zu erlernen der letzte Wunſch eines Solon war, kamen
hieher nach Naukratis, welches ſchon lange als Stapel-
platz des ägyptiſchen Verkehrs mit der ganzen übrigen
Welt blühte. Charaxos ſah Rhodopis, und liebte die-
ſelbe bald ſo glühend, daß er eine ungeheure Summe hin-
gab, um ſie dem feilſchenden Xanthos, welcher in die Hei-
mat zurückzukehren wünſchte, abzukaufen. Sappho ver-
ſpottete den Bruder, dieſes Kaufes wegen, mit beißenden
Verſen; Alkaeos aber gab dem Charaxos Recht, und be-
ſang Rhodopis in glühenden Liedern.

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[8/0026] Gattin des Jadmon das Mädchen nicht länger in ihrem Hauſe duldete, und der Samier ſeinen Liebling, ſchweren Herzens, an einen gewiſſen Xanthos verkaufen mußte. Zu Samos herrſchte damals noch der wenig bemittelte Adel. Wäre Polykrates ſchon am Ruder geweſen, ſo hätte ſich Xanthos um keinen Käufer zu grämen brauchen. Dieſe Tyrannen füllen ihre Schatzkammern, wie die Elſtern ihre Neſter! So zog er denn mit ſeinem Kleinode nach Nau- kratis, und gewann hier durch die Reize ſeiner Sclavin große Summen. Nun erlebte Rhodopis drei Jahre der tiefſten Erniedrigung, deren ſie mit Schauder gedenkt. „Als endlich der Ruf ihrer Schönheit in ganz Hellas bekannt geworden war, und Fremde aus weiter Ferne, nur um ihretwillen, nach Naukratis kamen 15), geſchah es, daß das Volk von Lesbos ſeinen Adel vertrieb und den weiſen Pittakos zum Herrſcher wählte. Die vornehmſten Familien mußten Lesbos verlaſſen, und flohen theils nach Sicilien, theils nach dem griechiſchen Jtalien, theils nach Aegypten. Alkaeos 16), der größeſte Dichter ſeiner Zeit, und Charaxos, der Bruder jener Sappho 17), deren Oden zu erlernen der letzte Wunſch eines Solon war, kamen hieher nach Naukratis, welches ſchon lange als Stapel- platz des ägyptiſchen Verkehrs mit der ganzen übrigen Welt blühte. Charaxos ſah Rhodopis, und liebte die- ſelbe bald ſo glühend, daß er eine ungeheure Summe hin- gab, um ſie dem feilſchenden Xanthos, welcher in die Hei- mat zurückzukehren wünſchte, abzukaufen. Sappho ver- ſpottete den Bruder, dieſes Kaufes wegen, mit beißenden Verſen; Alkaeos aber gab dem Charaxos Recht, und be- ſang Rhodopis in glühenden Liedern. „Der Bruder der Dichterin, der ſich früher unter den Fremden in Naukratis verloren hatte, ward plötzlich durch

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/26>, abgerufen am 24.11.2024.