Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Verstoß gegen die alte Sitte vergeben, zumal jedwede That,
welche der König gut heißt, keinen Einwand der Unter-
thanen zuläßt. -- Auch liefert die iranische Geschichte Bei-
spiele genug, daß selbst Sclavinnen Könige zeugten 207).
Die Mutter des Herrschers, welche in ebenso hohem An-
sehen steht, als dieser selbst, wird dem Glück ihres jüng-
sten und Lieblingssohnes nichts in den Weg legen. --
Wenn sie sieht, daß Bartja nicht von Sappho ablassen
will, wenn sie bemerkt, daß das lachende Antlitz des an-
gebeteten Ebenbildes ihres großen verstorbenen Gatten sich
verfinstert, dann würde sie ihm, glaube ich, um ihn wie-
der fröhlich zu machen, selbst nicht verweigern, eine Scy-
thin heimzuführen. Auch Kambyses wird, wenn die Mut-
ter zur rechten Stunde in ihn dringt, seine Einwilligung
nicht versagen."

"Nun so wären ja alle Schwierigkeiten beseitigt,"
rief Rhodopis voller Freude.

"Nicht die Vermählung, sondern die Zeit nach der-
selben macht mir Sorge."

"Meinst Du, daß Bartja --"

"Von seiner Seite fürchte ich Nichts. Er hat ein
treues Herz und ist der Liebe so lange fremd geblieben,
daß er, nun sie ihn einmal überwältigt hat, warm und
dauernd lieben wird."

"Aber --"

"Aber Du mußt bedenken, daß, wenn auch alle Män-
ner die anmuthige Gattin ihres Lieblings jubelnd empfan-
gen sollten, tausend Weiber in den Frauengemächern per-
sischer Großen müßig verweilen, welche sich's zum Geschäfte
machen werden, der armen Sappho mit Ränken und Schlichen
aller Art zu schaden, deren höchste Freude es sein wird, das
unerfahrene Kind zu verderben und unglücklich zu machen."

Verſtoß gegen die alte Sitte vergeben, zumal jedwede That,
welche der König gut heißt, keinen Einwand der Unter-
thanen zuläßt. — Auch liefert die iraniſche Geſchichte Bei-
ſpiele genug, daß ſelbſt Sclavinnen Könige zeugten 207).
Die Mutter des Herrſchers, welche in ebenſo hohem An-
ſehen ſteht, als dieſer ſelbſt, wird dem Glück ihres jüng-
ſten und Lieblingsſohnes nichts in den Weg legen. —
Wenn ſie ſieht, daß Bartja nicht von Sappho ablaſſen
will, wenn ſie bemerkt, daß das lachende Antlitz des an-
gebeteten Ebenbildes ihres großen verſtorbenen Gatten ſich
verfinſtert, dann würde ſie ihm, glaube ich, um ihn wie-
der fröhlich zu machen, ſelbſt nicht verweigern, eine Scy-
thin heimzuführen. Auch Kambyſes wird, wenn die Mut-
ter zur rechten Stunde in ihn dringt, ſeine Einwilligung
nicht verſagen.“

„Nun ſo wären ja alle Schwierigkeiten beſeitigt,“
rief Rhodopis voller Freude.

„Nicht die Vermählung, ſondern die Zeit nach der-
ſelben macht mir Sorge.“

„Meinſt Du, daß Bartja —“

„Von ſeiner Seite fürchte ich Nichts. Er hat ein
treues Herz und iſt der Liebe ſo lange fremd geblieben,
daß er, nun ſie ihn einmal überwältigt hat, warm und
dauernd lieben wird.“

„Aber —“

„Aber Du mußt bedenken, daß, wenn auch alle Män-
ner die anmuthige Gattin ihres Lieblings jubelnd empfan-
gen ſollten, tauſend Weiber in den Frauengemächern per-
ſiſcher Großen müßig verweilen, welche ſich’s zum Geſchäfte
machen werden, der armen Sappho mit Ränken und Schlichen
aller Art zu ſchaden, deren höchſte Freude es ſein wird, das
unerfahrene Kind zu verderben und unglücklich zu machen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="173"/>
Ver&#x017F;toß gegen die alte Sitte vergeben, zumal jedwede That,<lb/>
welche der König gut heißt, keinen Einwand der Unter-<lb/>
thanen zuläßt. &#x2014; Auch liefert die irani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte Bei-<lb/>
&#x017F;piele genug, daß &#x017F;elb&#x017F;t Sclavinnen Könige zeugten <hi rendition="#sup">207</hi>).<lb/>
Die Mutter des Herr&#x017F;chers, welche in eben&#x017F;o hohem An-<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;teht, als die&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t, wird dem Glück ihres jüng-<lb/>
&#x017F;ten und Lieblings&#x017F;ohnes nichts in den Weg legen. &#x2014;<lb/>
Wenn &#x017F;ie &#x017F;ieht, daß Bartja nicht von Sappho abla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
will, wenn &#x017F;ie bemerkt, daß das lachende Antlitz des an-<lb/>
gebeteten Ebenbildes ihres großen ver&#x017F;torbenen Gatten &#x017F;ich<lb/>
verfin&#x017F;tert, dann würde &#x017F;ie ihm, glaube ich, um ihn wie-<lb/>
der fröhlich zu machen, &#x017F;elb&#x017F;t nicht verweigern, eine Scy-<lb/>
thin heimzuführen. Auch Kamby&#x017F;es wird, wenn die Mut-<lb/>
ter zur rechten Stunde in ihn dringt, &#x017F;eine Einwilligung<lb/>
nicht ver&#x017F;agen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun &#x017F;o wären ja alle Schwierigkeiten be&#x017F;eitigt,&#x201C;<lb/>
rief Rhodopis voller Freude.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht die Vermählung, &#x017F;ondern die Zeit nach der-<lb/>
&#x017F;elben macht mir Sorge.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein&#x017F;t Du, daß Bartja &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von &#x017F;einer Seite fürchte ich Nichts. Er hat ein<lb/>
treues Herz und i&#x017F;t der Liebe &#x017F;o lange fremd geblieben,<lb/>
daß er, nun &#x017F;ie ihn einmal überwältigt hat, warm und<lb/>
dauernd lieben wird.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Du mußt bedenken, daß, wenn auch alle Män-<lb/>
ner die anmuthige Gattin ihres Lieblings jubelnd empfan-<lb/>
gen &#x017F;ollten, tau&#x017F;end Weiber in den Frauengemächern per-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;cher Großen müßig verweilen, welche &#x017F;ich&#x2019;s zum Ge&#x017F;chäfte<lb/>
machen werden, der armen Sappho mit Ränken und Schlichen<lb/>
aller Art zu &#x017F;chaden, deren höch&#x017F;te Freude es &#x017F;ein wird, das<lb/>
unerfahrene Kind zu verderben und unglücklich zu machen.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0191] Verſtoß gegen die alte Sitte vergeben, zumal jedwede That, welche der König gut heißt, keinen Einwand der Unter- thanen zuläßt. — Auch liefert die iraniſche Geſchichte Bei- ſpiele genug, daß ſelbſt Sclavinnen Könige zeugten 207). Die Mutter des Herrſchers, welche in ebenſo hohem An- ſehen ſteht, als dieſer ſelbſt, wird dem Glück ihres jüng- ſten und Lieblingsſohnes nichts in den Weg legen. — Wenn ſie ſieht, daß Bartja nicht von Sappho ablaſſen will, wenn ſie bemerkt, daß das lachende Antlitz des an- gebeteten Ebenbildes ihres großen verſtorbenen Gatten ſich verfinſtert, dann würde ſie ihm, glaube ich, um ihn wie- der fröhlich zu machen, ſelbſt nicht verweigern, eine Scy- thin heimzuführen. Auch Kambyſes wird, wenn die Mut- ter zur rechten Stunde in ihn dringt, ſeine Einwilligung nicht verſagen.“ „Nun ſo wären ja alle Schwierigkeiten beſeitigt,“ rief Rhodopis voller Freude. „Nicht die Vermählung, ſondern die Zeit nach der- ſelben macht mir Sorge.“ „Meinſt Du, daß Bartja —“ „Von ſeiner Seite fürchte ich Nichts. Er hat ein treues Herz und iſt der Liebe ſo lange fremd geblieben, daß er, nun ſie ihn einmal überwältigt hat, warm und dauernd lieben wird.“ „Aber —“ „Aber Du mußt bedenken, daß, wenn auch alle Män- ner die anmuthige Gattin ihres Lieblings jubelnd empfan- gen ſollten, tauſend Weiber in den Frauengemächern per- ſiſcher Großen müßig verweilen, welche ſich’s zum Geſchäfte machen werden, der armen Sappho mit Ränken und Schlichen aller Art zu ſchaden, deren höchſte Freude es ſein wird, das unerfahrene Kind zu verderben und unglücklich zu machen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/191
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/191>, abgerufen am 23.11.2024.