Der Nil hatte sein Bett verlassen. Weit und breit dehnte sich da, wo sonst üppige Saatfelder und blühende Beete zu sehen waren, eine unermeßliche Wasserfläche. Nur die von Dämmen beschützten Städte mit ihren Riesentem- peln und Palästen, die Dächer der Dörfer, so wie die Kronen der hochstämmigen Palmen und Akazien überrag- ten den Spiegel der Fluth. Die Zweige der Sykomoren und Platanen hingen in den Wellen, während die hohen Silberpappeln mit aufwärts strebenden Aesten das feuchte Element meiden zu wollen schienen. Der volle Mond war aufgegangen und goß sein mildes Licht über den mit dem westlichen Horizonte verschwimmenden libyschen Höhen- zug. Jm Norden schimmerte, kaum erkennbar, das mittel- ländische Meer. Auf dem Spiegel des Wassers schwammen blaue und weiße Lotosblumen. Fledermäuse verschiedener Art schwangen und schnellten sich durch die stille, von dem Duft der Akazien und Jasminblüthen erfüllte Nachtluft. Jn den Kronen der Bäume schlummerten wilde Tauben und andere Vögel, während, beschützt von dem Papyrosschilfe und den Nilbohnen, die am Ufer grünten, Pelikane, Störche und Kraniche hockten. Erstere verbargen im Schlafe die langge-
Ebers, Eine ägyptische Königstochter. I. 1
Erſtes Kapitel.
Der Nil hatte ſein Bett verlaſſen. Weit und breit dehnte ſich da, wo ſonſt üppige Saatfelder und blühende Beete zu ſehen waren, eine unermeßliche Waſſerfläche. Nur die von Dämmen beſchützten Städte mit ihren Rieſentem- peln und Paläſten, die Dächer der Dörfer, ſo wie die Kronen der hochſtämmigen Palmen und Akazien überrag- ten den Spiegel der Fluth. Die Zweige der Sykomoren und Platanen hingen in den Wellen, während die hohen Silberpappeln mit aufwärts ſtrebenden Aeſten das feuchte Element meiden zu wollen ſchienen. Der volle Mond war aufgegangen und goß ſein mildes Licht über den mit dem weſtlichen Horizonte verſchwimmenden libyſchen Höhen- zug. Jm Norden ſchimmerte, kaum erkennbar, das mittel- ländiſche Meer. Auf dem Spiegel des Waſſers ſchwammen blaue und weiße Lotosblumen. Fledermäuſe verſchiedener Art ſchwangen und ſchnellten ſich durch die ſtille, von dem Duft der Akazien und Jasminblüthen erfüllte Nachtluft. Jn den Kronen der Bäume ſchlummerten wilde Tauben und andere Vögel, während, beſchützt von dem Papyrosſchilfe und den Nilbohnen, die am Ufer grünten, Pelikane, Störche und Kraniche hockten. Erſtere verbargen im Schlafe die langge-
Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 1
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Erſtes Kapitel.
Der Nil hatte ſein Bett verlaſſen. Weit und breit
dehnte ſich da, wo ſonſt üppige Saatfelder und blühende
Beete zu ſehen waren, eine unermeßliche Waſſerfläche. Nur
die von Dämmen beſchützten Städte mit ihren Rieſentem-
peln und Paläſten, die Dächer der Dörfer, ſo wie die
Kronen der hochſtämmigen Palmen und Akazien überrag-
ten den Spiegel der Fluth. Die Zweige der Sykomoren
und Platanen hingen in den Wellen, während die hohen
Silberpappeln mit aufwärts ſtrebenden Aeſten das feuchte
Element meiden zu wollen ſchienen. Der volle Mond
war aufgegangen und goß ſein mildes Licht über den mit
dem weſtlichen Horizonte verſchwimmenden libyſchen Höhen-
zug. Jm Norden ſchimmerte, kaum erkennbar, das mittel-
ländiſche Meer. Auf dem Spiegel des Waſſers ſchwammen
blaue und weiße Lotosblumen. Fledermäuſe verſchiedener Art
ſchwangen und ſchnellten ſich durch die ſtille, von dem Duft
der Akazien und Jasminblüthen erfüllte Nachtluft. Jn den
Kronen der Bäume ſchlummerten wilde Tauben und andere
Vögel, während, beſchützt von dem Papyrosſchilfe und den
Nilbohnen, die am Ufer grünten, Pelikane, Störche und
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/19>, abgerufen am 02.03.2025.
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