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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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welche jeder gelehrte Chaldäer zu Babylon ebensogut weiß,
als wir, und mache uns dadurch einen Mann zum Freunde,
dessen Gestirne die des Kambyses überstrahlen, wie die
Sonne den Mond. -- Dieser Darius, sage ich Dir, wird
einstmals ein mächtiger Herrscher werden; -- ja ich habe
seinen Planeten selbst über Aegypten leuchten sehen. Dem
Weisen ziemt es, nicht allein in der Gegenwart zu ver-
weilen, sondern auch in die Zukunft zu schauen, nicht nur
seinen Weg, sondern auch dessen Umgebungen zu betrach-
ten. Kommst Du an einem Hause vorbei, so weißt Du
nicht, ob Dir in demselben kein Wohlthäter für die Zu-
kunft auferzogen wird. Laß nichts unbeachtet, was an
Deinem Pfade steht; vor Allem aber blicke hinauf zu den
Sternen. Wie der Hund des Nachts sonder Schlaf auf
die Diebe lauert, so wache ich seit fünfzig Jahren auf
die Wanderer am Himmel, die ewigen im Aether glühen-
den Verkünder des Schicksals, welche dem Menschen Som-
mer und Winter, aber auch Glück und Unglück, Ruhm
und Schande verkünden. -- Sie, die Untrüglichen, haben
mir in Darius eine Pflanze gezeigt, welche zum großen
Baum erwachsen wird, dessen schattige Aeste sich auch über
Aegypten ausbreiten werden."

Bartja waren diese nächtlichen Lehrstunden seines
Freundes sehr willkommen, denn sie veranlaßten denselben,
länger als gewöhnlich zu schlafen und erleichterten ihm
also seine heimlichen Morgenritte nach Naukratis, auf
welchen ihn Zopyros, den er zu seinem Vertrauten gemacht
hatte, zu begleiten pflegte. -- Während er selbst bei
Sappho verweilte, bemühte sich sein Freund und die Die-
nerschaft desselben, einige Springhasen, Schnepfen oder
Schakale zu erlegen. Die Heimgekehrten behaupteten dann,
dem Mentor Krösus gegenüber, auf ihren Ausflügen die

welche jeder gelehrte Chaldäer zu Babylon ebenſogut weiß,
als wir, und mache uns dadurch einen Mann zum Freunde,
deſſen Geſtirne die des Kambyſes überſtrahlen, wie die
Sonne den Mond. — Dieſer Darius, ſage ich Dir, wird
einſtmals ein mächtiger Herrſcher werden; — ja ich habe
ſeinen Planeten ſelbſt über Aegypten leuchten ſehen. Dem
Weiſen ziemt es, nicht allein in der Gegenwart zu ver-
weilen, ſondern auch in die Zukunft zu ſchauen, nicht nur
ſeinen Weg, ſondern auch deſſen Umgebungen zu betrach-
ten. Kommſt Du an einem Hauſe vorbei, ſo weißt Du
nicht, ob Dir in demſelben kein Wohlthäter für die Zu-
kunft auferzogen wird. Laß nichts unbeachtet, was an
Deinem Pfade ſteht; vor Allem aber blicke hinauf zu den
Sternen. Wie der Hund des Nachts ſonder Schlaf auf
die Diebe lauert, ſo wache ich ſeit fünfzig Jahren auf
die Wanderer am Himmel, die ewigen im Aether glühen-
den Verkünder des Schickſals, welche dem Menſchen Som-
mer und Winter, aber auch Glück und Unglück, Ruhm
und Schande verkünden. — Sie, die Untrüglichen, haben
mir in Darius eine Pflanze gezeigt, welche zum großen
Baum erwachſen wird, deſſen ſchattige Aeſte ſich auch über
Aegypten ausbreiten werden.“

Bartja waren dieſe nächtlichen Lehrſtunden ſeines
Freundes ſehr willkommen, denn ſie veranlaßten denſelben,
länger als gewöhnlich zu ſchlafen und erleichterten ihm
alſo ſeine heimlichen Morgenritte nach Naukratis, auf
welchen ihn Zopyros, den er zu ſeinem Vertrauten gemacht
hatte, zu begleiten pflegte. — Während er ſelbſt bei
Sappho verweilte, bemühte ſich ſein Freund und die Die-
nerſchaft deſſelben, einige Springhaſen, Schnepfen oder
Schakale zu erlegen. Die Heimgekehrten behaupteten dann,
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[156/0174] welche jeder gelehrte Chaldäer zu Babylon ebenſogut weiß, als wir, und mache uns dadurch einen Mann zum Freunde, deſſen Geſtirne die des Kambyſes überſtrahlen, wie die Sonne den Mond. — Dieſer Darius, ſage ich Dir, wird einſtmals ein mächtiger Herrſcher werden; — ja ich habe ſeinen Planeten ſelbſt über Aegypten leuchten ſehen. Dem Weiſen ziemt es, nicht allein in der Gegenwart zu ver- weilen, ſondern auch in die Zukunft zu ſchauen, nicht nur ſeinen Weg, ſondern auch deſſen Umgebungen zu betrach- ten. Kommſt Du an einem Hauſe vorbei, ſo weißt Du nicht, ob Dir in demſelben kein Wohlthäter für die Zu- kunft auferzogen wird. Laß nichts unbeachtet, was an Deinem Pfade ſteht; vor Allem aber blicke hinauf zu den Sternen. Wie der Hund des Nachts ſonder Schlaf auf die Diebe lauert, ſo wache ich ſeit fünfzig Jahren auf die Wanderer am Himmel, die ewigen im Aether glühen- den Verkünder des Schickſals, welche dem Menſchen Som- mer und Winter, aber auch Glück und Unglück, Ruhm und Schande verkünden. — Sie, die Untrüglichen, haben mir in Darius eine Pflanze gezeigt, welche zum großen Baum erwachſen wird, deſſen ſchattige Aeſte ſich auch über Aegypten ausbreiten werden.“ Bartja waren dieſe nächtlichen Lehrſtunden ſeines Freundes ſehr willkommen, denn ſie veranlaßten denſelben, länger als gewöhnlich zu ſchlafen und erleichterten ihm alſo ſeine heimlichen Morgenritte nach Naukratis, auf welchen ihn Zopyros, den er zu ſeinem Vertrauten gemacht hatte, zu begleiten pflegte. — Während er ſelbſt bei Sappho verweilte, bemühte ſich ſein Freund und die Die- nerſchaft deſſelben, einige Springhaſen, Schnepfen oder Schakale zu erlegen. Die Heimgekehrten behaupteten dann, dem Mentor Kröſus gegenüber, auf ihren Ausflügen die

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/174>, abgerufen am 23.11.2024.