gen derselben waren Sinnsprüche, mit Hieroglyphenzeichen von Gold und Silber eingelegt.
Amasis lachte viel mit seinen Gästen über die List des Gyges, ließ die jungen Helden ungezwungen mit sei- ner Familie verkehren und behandelte sie ganz, wie ein heiterer Vater seine munteren Söhne. Nur bei den Mahl- zeiten bewies er, daß der Aegypter in ihm nicht ganz er- storben sei, denn die Perser mußten an einem beson- deren Tische essen. Er würde sich nach dem Glauben sei- ner Väter verunreinigt haben, wenn er mit den Fremden an einer Tafel seine Mahlzeit eingenommen hätte 198).
Als Amasis endlich drei Tage nach der Freilassung des Gyges erklärte, daß seine Tochter Nitetis in zwei Wochen zur Abreise nach Asien bereit sein werde, so bedauerten alle Perser nicht länger in Aegypten bleiben zu dürfen.
Krösus gefiel sich im Umgange mit dem samischen Dichter und Bildhauer. -- Gyges theilte die Vorliebe seines Vaters für die hellenischen Künstler. Darius, welcher sich schon zu Babylon mit Sternkunde beschäftigt hatte 199), war eines Abends, als er den Himmel beob- achtete, unerklärlicher Weise, von dem greisen Oberpriester der Neith angeredet und eingeladen worden, ihm auf das Dach des Tempels zu folgen. Der wißbegierige Jüng- ling hatte sich das nicht zweimal sagen lassen und sam- melte allnächtlich, den Lehren des Greises lauschend, neue Kenntnisse.
Psamtik traf einst den Fremden bei seinem Meister, und fragte Neithoteph, als sich Darius entfernte, wie er dazu komme, diesen Perser in ägyptische Geheimnisse einzuweihen?
"Jch lehre ihn," antwortete der Oberpriester, "Dinge,
gen derſelben waren Sinnſprüche, mit Hieroglyphenzeichen von Gold und Silber eingelegt.
Amaſis lachte viel mit ſeinen Gäſten über die Liſt des Gyges, ließ die jungen Helden ungezwungen mit ſei- ner Familie verkehren und behandelte ſie ganz, wie ein heiterer Vater ſeine munteren Söhne. Nur bei den Mahl- zeiten bewies er, daß der Aegypter in ihm nicht ganz er- ſtorben ſei, denn die Perſer mußten an einem beſon- deren Tiſche eſſen. Er würde ſich nach dem Glauben ſei- ner Väter verunreinigt haben, wenn er mit den Fremden an einer Tafel ſeine Mahlzeit eingenommen hätte 198).
Als Amaſis endlich drei Tage nach der Freilaſſung des Gyges erklärte, daß ſeine Tochter Nitetis in zwei Wochen zur Abreiſe nach Aſien bereit ſein werde, ſo bedauerten alle Perſer nicht länger in Aegypten bleiben zu dürfen.
Kröſus gefiel ſich im Umgange mit dem ſamiſchen Dichter und Bildhauer. — Gyges theilte die Vorliebe ſeines Vaters für die helleniſchen Künſtler. Darius, welcher ſich ſchon zu Babylon mit Sternkunde beſchäftigt hatte 199), war eines Abends, als er den Himmel beob- achtete, unerklärlicher Weiſe, von dem greiſen Oberprieſter der Neith angeredet und eingeladen worden, ihm auf das Dach des Tempels zu folgen. Der wißbegierige Jüng- ling hatte ſich das nicht zweimal ſagen laſſen und ſam- melte allnächtlich, den Lehren des Greiſes lauſchend, neue Kenntniſſe.
Pſamtik traf einſt den Fremden bei ſeinem Meiſter, und fragte Neithoteph, als ſich Darius entfernte, wie er dazu komme, dieſen Perſer in ägyptiſche Geheimniſſe einzuweihen?
„Jch lehre ihn,“ antwortete der Oberprieſter, „Dinge,
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gen derſelben waren Sinnſprüche, mit Hieroglyphenzeichen
von Gold und Silber eingelegt.
Amaſis lachte viel mit ſeinen Gäſten über die Liſt
des Gyges, ließ die jungen Helden ungezwungen mit ſei-
ner Familie verkehren und behandelte ſie ganz, wie ein
heiterer Vater ſeine munteren Söhne. Nur bei den Mahl-
zeiten bewies er, daß der Aegypter in ihm nicht ganz er-
ſtorben ſei, denn die Perſer mußten an einem beſon-
deren Tiſche eſſen. Er würde ſich nach dem Glauben ſei-
ner Väter verunreinigt haben, wenn er mit den Fremden
an einer Tafel ſeine Mahlzeit eingenommen hätte 198).
Als Amaſis endlich drei Tage nach der Freilaſſung
des Gyges erklärte, daß ſeine Tochter Nitetis in zwei
Wochen zur Abreiſe nach Aſien bereit ſein werde, ſo
bedauerten alle Perſer nicht länger in Aegypten bleiben
zu dürfen.
Kröſus gefiel ſich im Umgange mit dem ſamiſchen
Dichter und Bildhauer. — Gyges theilte die Vorliebe
ſeines Vaters für die helleniſchen Künſtler. Darius,
welcher ſich ſchon zu Babylon mit Sternkunde beſchäftigt
hatte 199), war eines Abends, als er den Himmel beob-
achtete, unerklärlicher Weiſe, von dem greiſen Oberprieſter
der Neith angeredet und eingeladen worden, ihm auf das
Dach des Tempels zu folgen. Der wißbegierige Jüng-
ling hatte ſich das nicht zweimal ſagen laſſen und ſam-
melte allnächtlich, den Lehren des Greiſes lauſchend, neue
Kenntniſſe.
Pſamtik traf einſt den Fremden bei ſeinem Meiſter,
und fragte Neithoteph, als ſich Darius entfernte, wie er
dazu komme, dieſen Perſer in ägyptiſche Geheimniſſe
einzuweihen?
„Jch lehre ihn,“ antwortete der Oberprieſter, „Dinge,
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/173>, abgerufen am 22.07.2024.
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