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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"O nein, mein Theurer," gab Ladike zurück, "darin
seid ihr Aegypter allen anderen Männern vorzuziehen, daß
ihr treu und beständig, euch an dem genügen laßt, was
euch einmal lieb geworden ist; ja ich wage es dreist zu
behaupten, daß keine Frau so glücklich sei, als das Weib
eines Aegypters 149a)! Selbst die Griechen, die uns sonst
in vielen Dingen als Muster vorschweben können, verstehen
nicht das Weib zu würdigen, wie es gewürdigt werden
muß! Jn ihren dumpfen Stuben von Müttern und Schaff-
nerinnen zur Arbeit am Webestuhl und Spinnrocken an-
gehalten, vertrauern die meisten hellenischen Jungfrauen
ihre Kindheit, um, wenn sie mannbar werden, in das
stille Haus eines ihnen unbekannten Gatten geführt zu
werden, dessen Thätigkeit für den Staat und das Le-
ben ihm nur selten gestattet das Frauengemach zu betre-
ten. Nur wenn die nächsten Freunde und Verwandten
bei dem Gatten verweilen, darf sie sich, aber selbst dann
nur schüchtern und zaghaft, zu den Männern gesellen, um
von dem Weltgetriebe zu hören und zu lernen. Ach, auch
in uns wohnt der Drang nach Wissen, und gerade unserm
Geschlechte dürfte man gewisse Kenntnisse nicht vorenthal-
ten, damit wir, als Mütter, Lehrerinnen unserer Kinder
werden könnten. -- Was soll eine attische Mutter, welche
selbst nichts weiß und erfahren hat, ihren Töchtern geben,
als Unwissenheit? So genügt denn auch dem Hellenen nur
gar selten seine angetraute, ihm geistig untergeordnete, Gat-
tin, und er geht in die Häuser jener Hetären, welche, im
steten Verkehre mit dem anderen Geschlechte, alles Wissen
der Männer erlauschen und dasselbe mit den Blumen weib-
licher Anmuth und dem Salze ihres feineren, zarteren
Witzes zu würzen verstehen *). -- Jn Aegypten ist es

*) Siehe Anmerkung 10.

„O nein, mein Theurer,“ gab Ladike zurück, „darin
ſeid ihr Aegypter allen anderen Männern vorzuziehen, daß
ihr treu und beſtändig, euch an dem genügen laßt, was
euch einmal lieb geworden iſt; ja ich wage es dreiſt zu
behaupten, daß keine Frau ſo glücklich ſei, als das Weib
eines Aegypters 149a)! Selbſt die Griechen, die uns ſonſt
in vielen Dingen als Muſter vorſchweben können, verſtehen
nicht das Weib zu würdigen, wie es gewürdigt werden
muß! Jn ihren dumpfen Stuben von Müttern und Schaff-
nerinnen zur Arbeit am Webeſtuhl und Spinnrocken an-
gehalten, vertrauern die meiſten helleniſchen Jungfrauen
ihre Kindheit, um, wenn ſie mannbar werden, in das
ſtille Haus eines ihnen unbekannten Gatten geführt zu
werden, deſſen Thätigkeit für den Staat und das Le-
ben ihm nur ſelten geſtattet das Frauengemach zu betre-
ten. Nur wenn die nächſten Freunde und Verwandten
bei dem Gatten verweilen, darf ſie ſich, aber ſelbſt dann
nur ſchüchtern und zaghaft, zu den Männern geſellen, um
von dem Weltgetriebe zu hören und zu lernen. Ach, auch
in uns wohnt der Drang nach Wiſſen, und gerade unſerm
Geſchlechte dürfte man gewiſſe Kenntniſſe nicht vorenthal-
ten, damit wir, als Mütter, Lehrerinnen unſerer Kinder
werden könnten. — Was ſoll eine attiſche Mutter, welche
ſelbſt nichts weiß und erfahren hat, ihren Töchtern geben,
als Unwiſſenheit? So genügt denn auch dem Hellenen nur
gar ſelten ſeine angetraute, ihm geiſtig untergeordnete, Gat-
tin, und er geht in die Häuſer jener Hetären, welche, im
ſteten Verkehre mit dem anderen Geſchlechte, alles Wiſſen
der Männer erlauſchen und daſſelbe mit den Blumen weib-
licher Anmuth und dem Salze ihres feineren, zarteren
Witzes zu würzen verſtehen *). — Jn Aegypten iſt es

*) Siehe Anmerkung 10.
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[106/0124] „O nein, mein Theurer,“ gab Ladike zurück, „darin ſeid ihr Aegypter allen anderen Männern vorzuziehen, daß ihr treu und beſtändig, euch an dem genügen laßt, was euch einmal lieb geworden iſt; ja ich wage es dreiſt zu behaupten, daß keine Frau ſo glücklich ſei, als das Weib eines Aegypters 149a)! Selbſt die Griechen, die uns ſonſt in vielen Dingen als Muſter vorſchweben können, verſtehen nicht das Weib zu würdigen, wie es gewürdigt werden muß! Jn ihren dumpfen Stuben von Müttern und Schaff- nerinnen zur Arbeit am Webeſtuhl und Spinnrocken an- gehalten, vertrauern die meiſten helleniſchen Jungfrauen ihre Kindheit, um, wenn ſie mannbar werden, in das ſtille Haus eines ihnen unbekannten Gatten geführt zu werden, deſſen Thätigkeit für den Staat und das Le- ben ihm nur ſelten geſtattet das Frauengemach zu betre- ten. Nur wenn die nächſten Freunde und Verwandten bei dem Gatten verweilen, darf ſie ſich, aber ſelbſt dann nur ſchüchtern und zaghaft, zu den Männern geſellen, um von dem Weltgetriebe zu hören und zu lernen. Ach, auch in uns wohnt der Drang nach Wiſſen, und gerade unſerm Geſchlechte dürfte man gewiſſe Kenntniſſe nicht vorenthal- ten, damit wir, als Mütter, Lehrerinnen unſerer Kinder werden könnten. — Was ſoll eine attiſche Mutter, welche ſelbſt nichts weiß und erfahren hat, ihren Töchtern geben, als Unwiſſenheit? So genügt denn auch dem Hellenen nur gar ſelten ſeine angetraute, ihm geiſtig untergeordnete, Gat- tin, und er geht in die Häuſer jener Hetären, welche, im ſteten Verkehre mit dem anderen Geſchlechte, alles Wiſſen der Männer erlauſchen und daſſelbe mit den Blumen weib- licher Anmuth und dem Salze ihres feineren, zarteren Witzes zu würzen verſtehen *). — Jn Aegypten iſt es *) Siehe Anmerkung 10.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/124>, abgerufen am 26.11.2024.