zu machen. Gegen die zweite Klasse der Kritiker vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn mir ist wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen kann, was der Aesthetiker lobenswerth findet, und daß Ersterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl- gefallen finden darf. Ferner sind die Nachrichten, welche wir aus dem sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt besitzen, so spärlicher Art, daß es in einer Darstellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich erscheint, den Anachronismus vollständig zu vermei- den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art lassen sich mit Fleiß und Aufmerksamkeit wohl umgehen, dagegen kann und darf sich der Autor niemals ganz frei- machen von den Grundanschauungen der Zeit und des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte er rein antike Menschen und Zustände schildern, so würde er für den modernen Leser theils unverständlich, theils ungenießbar werden. Die handelnden Personen werden zwar Persern, Aegyptern u. s. w. ähnlich sehen können; man wird aber doch ihren Worten und Handlungen den christlich germanischen Darstel- ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität seiner Zeit stehenden Erzähler anmerken müssen.
Die Perser und Griechen, welche ihrer Herkunft nach mit uns verwandt sind, bieten in dieser Be- ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer vom Nil der Wüste abgerungenen Fruchtinsel isolirt dastehenden Aegypter.
zu machen. Gegen die zweite Klaſſe der Kritiker vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn mir iſt wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen kann, was der Aeſthetiker lobenswerth findet, und daß Erſterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl- gefallen finden darf. Ferner ſind die Nachrichten, welche wir aus dem ſechſten Jahrhundert vor Chriſti Geburt beſitzen, ſo ſpärlicher Art, daß es in einer Darſtellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich erſcheint, den Anachronismus vollſtändig zu vermei- den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art laſſen ſich mit Fleiß und Aufmerkſamkeit wohl umgehen, dagegen kann und darf ſich der Autor niemals ganz frei- machen von den Grundanſchauungen der Zeit und des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte er rein antike Menſchen und Zuſtände ſchildern, ſo würde er für den modernen Leſer theils unverſtändlich, theils ungenießbar werden. Die handelnden Perſonen werden zwar Perſern, Aegyptern u. ſ. w. ähnlich ſehen können; man wird aber doch ihren Worten und Handlungen den chriſtlich germaniſchen Darſtel- ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität ſeiner Zeit ſtehenden Erzähler anmerken müſſen.
Die Perſer und Griechen, welche ihrer Herkunft nach mit uns verwandt ſind, bieten in dieſer Be- ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer vom Nil der Wüſte abgerungenen Fruchtinſel iſolirt daſtehenden Aegypter.
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0012"n="X"/>
zu machen. Gegen die zweite Klaſſe der Kritiker<lb/>
vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn<lb/>
mir iſt wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen<lb/>
kann, was der Aeſthetiker lobenswerth findet, und<lb/>
daß Erſterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl-<lb/>
gefallen finden darf. Ferner ſind die Nachrichten,<lb/>
welche wir aus dem ſechſten Jahrhundert vor Chriſti<lb/>
Geburt beſitzen, ſo ſpärlicher Art, daß es in einer<lb/>
Darſtellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich<lb/>
erſcheint, den Anachronismus vollſtändig zu vermei-<lb/>
den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art laſſen ſich mit<lb/>
Fleiß und Aufmerkſamkeit wohl umgehen, dagegen<lb/>
kann und darf ſich der Autor niemals ganz frei-<lb/>
machen von den Grundanſchauungen der Zeit und<lb/>
des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte<lb/>
er rein antike Menſchen und Zuſtände ſchildern, ſo<lb/>
würde er für den modernen Leſer theils unverſtändlich,<lb/>
theils ungenießbar werden. Die handelnden Perſonen<lb/>
werden zwar Perſern, Aegyptern u. ſ. w. ähnlich<lb/>ſehen können; man wird aber doch ihren Worten<lb/>
und Handlungen den chriſtlich germaniſchen Darſtel-<lb/>
ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität<lb/>ſeiner Zeit ſtehenden Erzähler anmerken müſſen.</p><lb/><p>Die Perſer und Griechen, welche ihrer Herkunft<lb/>
nach mit uns verwandt ſind, bieten in dieſer Be-<lb/>
ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer<lb/>
vom Nil der Wüſte abgerungenen Fruchtinſel iſolirt<lb/>
daſtehenden Aegypter.</p><lb/></div></front></text></TEI>
[X/0012]
zu machen. Gegen die zweite Klaſſe der Kritiker
vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn
mir iſt wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen
kann, was der Aeſthetiker lobenswerth findet, und
daß Erſterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl-
gefallen finden darf. Ferner ſind die Nachrichten,
welche wir aus dem ſechſten Jahrhundert vor Chriſti
Geburt beſitzen, ſo ſpärlicher Art, daß es in einer
Darſtellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich
erſcheint, den Anachronismus vollſtändig zu vermei-
den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art laſſen ſich mit
Fleiß und Aufmerkſamkeit wohl umgehen, dagegen
kann und darf ſich der Autor niemals ganz frei-
machen von den Grundanſchauungen der Zeit und
des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte
er rein antike Menſchen und Zuſtände ſchildern, ſo
würde er für den modernen Leſer theils unverſtändlich,
theils ungenießbar werden. Die handelnden Perſonen
werden zwar Perſern, Aegyptern u. ſ. w. ähnlich
ſehen können; man wird aber doch ihren Worten
und Handlungen den chriſtlich germaniſchen Darſtel-
ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität
ſeiner Zeit ſtehenden Erzähler anmerken müſſen.
Die Perſer und Griechen, welche ihrer Herkunft
nach mit uns verwandt ſind, bieten in dieſer Be-
ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer
vom Nil der Wüſte abgerungenen Fruchtinſel iſolirt
daſtehenden Aegypter.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/12>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.