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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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gend, vor ihm niedergesunken war. Sein schnell entflamm-
ter Zorn verwandelte sich in Mitleid. Er fühlte, daß er
zu hart gewesen sei, daß er mit seiner Erzählung einen
giftigen Pfeil in Psamtiks Seele geschleudert habe, und
gedachte an die vor vierzig Jahren verstorbene Mutter
des Unglücklichen. -- Seit langer Zeit zum Ersten-
male sah er, als Vater, als zum Troste Berufener,
auf diesen finsteren, jede Liebesbezeugung abweisenden,
ihm in allen Anschauungen so fremden Mann. Sein
weiches Herz fand sich jetzt zum Erstenmale in die Lage
versetzt, eine Thräne aus dem sonst so kalten Auge des
Sohnes trocknen zu können. Jn freudiger Hast ergriff er
diese Gelegenheit. Er beugte sich zu dem stöhnenden Mann
hernieder, küßte seine Stirn, richtete ihn auf und sprach
mit sanfter Stimme:

"Verzeihe mein Ungestüm, lieber Sohn. Die schlim-
men Worte, welche Dich kränkten, kamen nicht aus dem
Herzen des Amasis, sondern aus dem Munde des Jäh-
zorns. -- Du hast mich viele Jahre lang durch Kälte,
Härte, Widerspenstigkeit und fremdes Wesen gereizt. Heute
beleidigtest Du mich in meinen heiligsten Gefühlen, darum
ward ich zu überschäumender Heftigkeit fortgerissen. Jetzt
soll Alles wieder gut sein zwischen mir und Dir. Wenn
wir auch zu verschiedener Art sind, als daß sich unsere
Herzen recht innig verschmelzen könnten, so wollen
wir doch in Zukunft einig handeln und nachgiebig gegen
einander sein."

Psamtik küßte, sich stumm verneigend, das Kleid sei-
nes Vaters. "Nicht also," rief dieser, "küsse meinen
Mund! So ist's recht, so geziemt sich's zwischen Vater und
Sohn! Was den thörichten Traum betrifft, den ich Dir
erzählt habe, so sei unbesorgt. Träume sind Trug-

gend, vor ihm niedergeſunken war. Sein ſchnell entflamm-
ter Zorn verwandelte ſich in Mitleid. Er fühlte, daß er
zu hart geweſen ſei, daß er mit ſeiner Erzählung einen
giftigen Pfeil in Pſamtiks Seele geſchleudert habe, und
gedachte an die vor vierzig Jahren verſtorbene Mutter
des Unglücklichen. — Seit langer Zeit zum Erſten-
male ſah er, als Vater, als zum Troſte Berufener,
auf dieſen finſteren, jede Liebesbezeugung abweiſenden,
ihm in allen Anſchauungen ſo fremden Mann. Sein
weiches Herz fand ſich jetzt zum Erſtenmale in die Lage
verſetzt, eine Thräne aus dem ſonſt ſo kalten Auge des
Sohnes trocknen zu können. Jn freudiger Haſt ergriff er
dieſe Gelegenheit. Er beugte ſich zu dem ſtöhnenden Mann
hernieder, küßte ſeine Stirn, richtete ihn auf und ſprach
mit ſanfter Stimme:

„Verzeihe mein Ungeſtüm, lieber Sohn. Die ſchlim-
men Worte, welche Dich kränkten, kamen nicht aus dem
Herzen des Amaſis, ſondern aus dem Munde des Jäh-
zorns. — Du haſt mich viele Jahre lang durch Kälte,
Härte, Widerſpenſtigkeit und fremdes Weſen gereizt. Heute
beleidigteſt Du mich in meinen heiligſten Gefühlen, darum
ward ich zu überſchäumender Heftigkeit fortgeriſſen. Jetzt
ſoll Alles wieder gut ſein zwiſchen mir und Dir. Wenn
wir auch zu verſchiedener Art ſind, als daß ſich unſere
Herzen recht innig verſchmelzen könnten, ſo wollen
wir doch in Zukunft einig handeln und nachgiebig gegen
einander ſein.“

Pſamtik küßte, ſich ſtumm verneigend, das Kleid ſei-
nes Vaters. „Nicht alſo,“ rief dieſer, „küſſe meinen
Mund! So iſt’s recht, ſo geziemt ſich’s zwiſchen Vater und
Sohn! Was den thörichten Traum betrifft, den ich Dir
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[94/0112] gend, vor ihm niedergeſunken war. Sein ſchnell entflamm- ter Zorn verwandelte ſich in Mitleid. Er fühlte, daß er zu hart geweſen ſei, daß er mit ſeiner Erzählung einen giftigen Pfeil in Pſamtiks Seele geſchleudert habe, und gedachte an die vor vierzig Jahren verſtorbene Mutter des Unglücklichen. — Seit langer Zeit zum Erſten- male ſah er, als Vater, als zum Troſte Berufener, auf dieſen finſteren, jede Liebesbezeugung abweiſenden, ihm in allen Anſchauungen ſo fremden Mann. Sein weiches Herz fand ſich jetzt zum Erſtenmale in die Lage verſetzt, eine Thräne aus dem ſonſt ſo kalten Auge des Sohnes trocknen zu können. Jn freudiger Haſt ergriff er dieſe Gelegenheit. Er beugte ſich zu dem ſtöhnenden Mann hernieder, küßte ſeine Stirn, richtete ihn auf und ſprach mit ſanfter Stimme: „Verzeihe mein Ungeſtüm, lieber Sohn. Die ſchlim- men Worte, welche Dich kränkten, kamen nicht aus dem Herzen des Amaſis, ſondern aus dem Munde des Jäh- zorns. — Du haſt mich viele Jahre lang durch Kälte, Härte, Widerſpenſtigkeit und fremdes Weſen gereizt. Heute beleidigteſt Du mich in meinen heiligſten Gefühlen, darum ward ich zu überſchäumender Heftigkeit fortgeriſſen. Jetzt ſoll Alles wieder gut ſein zwiſchen mir und Dir. Wenn wir auch zu verſchiedener Art ſind, als daß ſich unſere Herzen recht innig verſchmelzen könnten, ſo wollen wir doch in Zukunft einig handeln und nachgiebig gegen einander ſein.“ Pſamtik küßte, ſich ſtumm verneigend, das Kleid ſei- nes Vaters. „Nicht alſo,“ rief dieſer, „küſſe meinen Mund! So iſt’s recht, ſo geziemt ſich’s zwiſchen Vater und Sohn! Was den thörichten Traum betrifft, den ich Dir erzählt habe, ſo ſei unbeſorgt. Träume ſind Trug-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/112>, abgerufen am 27.11.2024.