Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Die Seele. Wie schnell entsteht das rege Denken, Das aus den innren Trieb entspringt, Wie wunderbar pflegt sich zu lenken, Der Körper den sein Wollen zwingt; Kaum hat der Körper was gespüret, So wird der Geist dadurch gerühret; Es wird durch das geheime Band Das Seel und Leib zusammen strikket, Der Körper von dem Geist gezükket Dabei das wie? bleibt unbekandt. Kein Tropfe treibet so den andern, Jn einer ungedämmten Flut, Die bei dem immer regen Wandern, Niemahls in ihren Wirbeln ruht, Als ein Gedanke der entstehet, Auf einen andern folgt und gehet, Und wiederum den dritten bringt: Kaum ist derselbige entstanden, So ist ein anderer vorhanden Woraus ein neuer schon entspringt. Wer kan den regen Trieb bemerken, Der in der Seele sich dewegt, Ohn diese Warheit zu bestärken, Daß GOttes Bild darin geprägt. Bedenken wir, wie die Jdeen, Aus der Empfindung gleich entstehen: So stuzt der ganz verschlungne Sinn, Es öffnen sich der Lippen Schranken, Man hört den Ausspruch der Gedanken: Jch spür daß ich ein Wunder bin. Be- D 2
Die Seele. Wie ſchnell entſteht das rege Denken, Das aus den innren Trieb entſpringt, Wie wunderbar pflegt ſich zu lenken, Der Koͤrper den ſein Wollen zwingt; Kaum hat der Koͤrper was geſpuͤret, So wird der Geiſt dadurch geruͤhret; Es wird durch das geheime Band Das Seel und Leib zuſammen ſtrikket, Der Koͤrper von dem Geiſt gezuͤkket Dabei das wie? bleibt unbekandt. Kein Tropfe treibet ſo den andern, Jn einer ungedaͤmmten Flut, Die bei dem immer regen Wandern, Niemahls in ihren Wirbeln ruht, Als ein Gedanke der entſtehet, Auf einen andern folgt und gehet, Und wiederum den dritten bringt: Kaum iſt derſelbige entſtanden, So iſt ein anderer vorhanden Woraus ein neuer ſchon entſpringt. Wer kan den regen Trieb bemerken, Der in der Seele ſich dewegt, Ohn dieſe Warheit zu beſtaͤrken, Daß GOttes Bild darin gepraͤgt. Bedenken wir, wie die Jdeen, Aus der Empfindung gleich entſtehen: So ſtuzt der ganz verſchlungne Sinn, Es oͤffnen ſich der Lippen Schranken, Man hoͤrt den Ausſpruch der Gedanken: Jch ſpuͤr daß ich ein Wunder bin. Be- D 2
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Die Seele.
Wie ſchnell entſteht das rege Denken,
Das aus den innren Trieb entſpringt,
Wie wunderbar pflegt ſich zu lenken,
Der Koͤrper den ſein Wollen zwingt;
Kaum hat der Koͤrper was geſpuͤret,
So wird der Geiſt dadurch geruͤhret;
Es wird durch das geheime Band
Das Seel und Leib zuſammen ſtrikket,
Der Koͤrper von dem Geiſt gezuͤkket
Dabei das wie? bleibt unbekandt.
Kein Tropfe treibet ſo den andern,
Jn einer ungedaͤmmten Flut,
Die bei dem immer regen Wandern,
Niemahls in ihren Wirbeln ruht,
Als ein Gedanke der entſtehet,
Auf einen andern folgt und gehet,
Und wiederum den dritten bringt:
Kaum iſt derſelbige entſtanden,
So iſt ein anderer vorhanden
Woraus ein neuer ſchon entſpringt.
Wer kan den regen Trieb bemerken,
Der in der Seele ſich dewegt,
Ohn dieſe Warheit zu beſtaͤrken,
Daß GOttes Bild darin gepraͤgt.
Bedenken wir, wie die Jdeen,
Aus der Empfindung gleich entſtehen:
So ſtuzt der ganz verſchlungne Sinn,
Es oͤffnen ſich der Lippen Schranken,
Man hoͤrt den Ausſpruch der Gedanken:
Jch ſpuͤr daß ich ein Wunder bin.
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