Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Die Seele. Jhr Weisen, was wolt ihr euch quälen, Das wahre Wesen einzusehn: Jhr fragt umsonst was unsre Seelen Worin sie eigentlich bestehn: Jhr wolt mit der Gedanken Schwingen, Jns dunkle Reich der Geister dringen; Der Seelen Flügel sind zu matt, Was wollet ihr euch denn erheben, Nach deutlichen Begriff zu streben, Den man von keinem Geiste hat. Genug für uns, wenn wir nur wissen, Was sich nicht an der Seele sind, Jhr Wesen völlig aufzuschliessen, Jst der Verstand hier viel zu blind. So lang die Seel und Leib verbunden, Wird von uns nimmermehr erfunden, Worin sie eigentlich besteh; Es wird das Licht das helle funkelt, Von körperlichen Dunst verdunkelt, Und der umnebelt dessen Höh. Genug wenn wir allhie erkennen, Jm Lande trüber Eitelkeit, Daß unsre Seel ein Geist zu nennen, Von herrlicher Vollkommenheit; Ein Geist der sich durch die Gedanken, Erhebet aus des Körpers Schranken, Der in sich selbst und auswerts sieht, Der durch der Sinnen äusre Röhren Kann fühlen, riechen, schmekken, hören, Aus allen sein Vergnügen zieht. Wie
Die Seele. Jhr Weiſen, was wolt ihr euch quaͤlen, Das wahre Weſen einzuſehn: Jhr fragt umſonſt was unſre Seelen Worin ſie eigentlich beſtehn: Jhr wolt mit der Gedanken Schwingen, Jns dunkle Reich der Geiſter dringen; Der Seelen Fluͤgel ſind zu matt, Was wollet ihr euch denn erheben, Nach deutlichen Begriff zu ſtreben, Den man von keinem Geiſte hat. Genug fuͤr uns, wenn wir nur wiſſen, Was ſich nicht an der Seele ſind, Jhr Weſen voͤllig aufzuſchlieſſen, Jſt der Verſtand hier viel zu blind. So lang die Seel und Leib verbunden, Wird von uns nimmermehr erfunden, Worin ſie eigentlich beſteh; Es wird das Licht das helle funkelt, Von koͤrperlichen Dunſt verdunkelt, Und der umnebelt deſſen Hoͤh. Genug wenn wir allhie erkennen, Jm Lande truͤber Eitelkeit, Daß unſre Seel ein Geiſt zu nennen, Von herrlicher Vollkommenheit; Ein Geiſt der ſich durch die Gedanken, Erhebet aus des Koͤrpers Schranken, Der in ſich ſelbſt und auswerts ſieht, Der durch der Sinnen aͤuſre Roͤhren Kann fuͤhlen, riechen, ſchmekken, hoͤren, Aus allen ſein Vergnuͤgen zieht. Wie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0066" n="50"/> <fw place="top" type="header">Die Seele.</fw><lb/> <lg n="6"> <l><hi rendition="#in">J</hi>hr Weiſen, was wolt ihr euch quaͤlen,</l><lb/> <l>Das wahre Weſen einzuſehn:</l><lb/> <l>Jhr fragt umſonſt was unſre Seelen</l><lb/> <l>Worin ſie eigentlich beſtehn:</l><lb/> <l>Jhr wolt mit der Gedanken Schwingen,</l><lb/> <l>Jns dunkle Reich der Geiſter dringen;</l><lb/> <l>Der Seelen Fluͤgel ſind zu matt,</l><lb/> <l>Was wollet ihr euch denn erheben,</l><lb/> <l>Nach deutlichen Begriff zu ſtreben,</l><lb/> <l>Den man von keinem Geiſte hat.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l><hi rendition="#in">G</hi>enug fuͤr uns, wenn wir nur wiſſen,</l><lb/> <l>Was ſich nicht an der Seele ſind,</l><lb/> <l>Jhr Weſen voͤllig aufzuſchlieſſen,</l><lb/> <l>Jſt der Verſtand hier viel zu blind.</l><lb/> <l>So lang die Seel und Leib verbunden,</l><lb/> <l>Wird von uns nimmermehr erfunden,</l><lb/> <l>Worin ſie eigentlich beſteh;</l><lb/> <l>Es wird das Licht das helle funkelt,</l><lb/> <l>Von koͤrperlichen Dunſt verdunkelt,</l><lb/> <l>Und der umnebelt deſſen Hoͤh.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l><hi rendition="#in">G</hi>enug wenn wir allhie erkennen,</l><lb/> <l>Jm Lande truͤber Eitelkeit,</l><lb/> <l>Daß unſre Seel ein Geiſt zu nennen,</l><lb/> <l>Von herrlicher Vollkommenheit;</l><lb/> <l>Ein Geiſt der ſich durch die Gedanken,</l><lb/> <l>Erhebet aus des Koͤrpers Schranken,</l><lb/> <l>Der in ſich ſelbſt und auswerts ſieht,</l><lb/> <l>Der durch der Sinnen aͤuſre Roͤhren</l><lb/> <l>Kann fuͤhlen, riechen, ſchmekken, hoͤren,</l><lb/> <l>Aus allen ſein Vergnuͤgen zieht.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [50/0066]
Die Seele.
Jhr Weiſen, was wolt ihr euch quaͤlen,
Das wahre Weſen einzuſehn:
Jhr fragt umſonſt was unſre Seelen
Worin ſie eigentlich beſtehn:
Jhr wolt mit der Gedanken Schwingen,
Jns dunkle Reich der Geiſter dringen;
Der Seelen Fluͤgel ſind zu matt,
Was wollet ihr euch denn erheben,
Nach deutlichen Begriff zu ſtreben,
Den man von keinem Geiſte hat.
Genug fuͤr uns, wenn wir nur wiſſen,
Was ſich nicht an der Seele ſind,
Jhr Weſen voͤllig aufzuſchlieſſen,
Jſt der Verſtand hier viel zu blind.
So lang die Seel und Leib verbunden,
Wird von uns nimmermehr erfunden,
Worin ſie eigentlich beſteh;
Es wird das Licht das helle funkelt,
Von koͤrperlichen Dunſt verdunkelt,
Und der umnebelt deſſen Hoͤh.
Genug wenn wir allhie erkennen,
Jm Lande truͤber Eitelkeit,
Daß unſre Seel ein Geiſt zu nennen,
Von herrlicher Vollkommenheit;
Ein Geiſt der ſich durch die Gedanken,
Erhebet aus des Koͤrpers Schranken,
Der in ſich ſelbſt und auswerts ſieht,
Der durch der Sinnen aͤuſre Roͤhren
Kann fuͤhlen, riechen, ſchmekken, hoͤren,
Aus allen ſein Vergnuͤgen zieht.
Wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |