Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Das menschliche Auge. Als in einem Spiegel drükket,Und zum Mittelpuncte schikket, Dran man eine schwarze Wand, Findet gleichsam ausgespannt. Wenn durch wässrichte Kristallen Die das äusre Licht berührt, Mancherlei Gestalten fallen; Werden sie dahin geführt, Wo sie diese Wand bestrahlen, Und sich gleichsam dran abmahlen, Da hernach der Geist erblikt, Was daran ist abgedrükt. Was noch sonsten ist zufinden, Von den Nerven, Muskeln, Haut, Woraus in den hohlen Gründen, Jst das runde Aug erbaut, Wollen wir nicht weiter zeigen, Sondern diesmahl nur verschweigen, Weil wir schon genug gesehn, Unsern Schöpfer zu erhöhn. Kein net die Hornhaut anzufeuchten, daß dieselbe hell und
durchsichtig bleibet. Die andre ist mehr ein dichtes als flüßiges Wesen, doch hell und durchsichtig, wird daher die Kristallene Feuchtigkeit, oder humor crystallinus genennet. Sie fasset die Lichtstrahlen auf, und läst sie weiter ins Auge hinein. Die dritte ist weder so flüßig als die wäsrichte, noch so dichte als die Kristallene, und ist einem geschmolzen Glase gleich, heisset daher die gläserne Feuchtigkeit oder humor vi- treus. Diese dienet dem Auge seine runde Gestalt zu geben, und die Nezförmige Haut ausgespannet zu er- halten. Das menſchliche Auge. Als in einem Spiegel druͤkket,Und zum Mittelpuncte ſchikket, Dran man eine ſchwarze Wand, Findet gleichſam ausgeſpannt. Wenn durch waͤſſrichte Kriſtallen Die das aͤuſre Licht beruͤhrt, Mancherlei Geſtalten fallen; Werden ſie dahin gefuͤhrt, Wo ſie dieſe Wand beſtrahlen, Und ſich gleichſam dran abmahlen, Da hernach der Geiſt erblikt, Was daran iſt abgedruͤkt. Was noch ſonſten iſt zufinden, Von den Nerven, Muskeln, Haut, Woraus in den hohlen Gruͤnden, Jſt das runde Aug erbaut, Wollen wir nicht weiter zeigen, Sondern diesmahl nur verſchweigen, Weil wir ſchon genug geſehn, Unſern Schoͤpfer zu erhoͤhn. Kein net die Hornhaut anzufeuchten, daß dieſelbe hell und
durchſichtig bleibet. Die andre iſt mehr ein dichtes als fluͤßiges Weſen, doch hell und durchſichtig, wird daher die Kriſtallene Feuchtigkeit, oder humor cryſtallinus genennet. Sie faſſet die Lichtſtrahlen auf, und laͤſt ſie weiter ins Auge hinein. Die dritte iſt weder ſo fluͤßig als die waͤsrichte, noch ſo dichte als die Kriſtallene, und iſt einem geſchmolzen Glaſe gleich, heiſſet daher die glaͤſerne Feuchtigkeit oder humor vi- treus. Dieſe dienet dem Auge ſeine runde Geſtalt zu geben, und die Nezfoͤrmige Haut ausgeſpannet zu er- halten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="22"> <pb facs="#f0155" n="139"/> <fw place="top" type="header">Das menſchliche Auge.</fw><lb/> <l>Als in einem Spiegel druͤkket,</l><lb/> <l>Und zum Mittelpuncte ſchikket,</l><lb/> <l>Dran man eine ſchwarze Wand,</l><lb/> <l>Findet gleichſam ausgeſpannt.</l> </lg><lb/> <lg n="23"> <l><hi rendition="#in">W</hi>enn durch waͤſſrichte Kriſtallen</l><lb/> <l>Die das aͤuſre Licht beruͤhrt,</l><lb/> <l>Mancherlei Geſtalten fallen;</l><lb/> <l>Werden ſie dahin gefuͤhrt,</l><lb/> <l>Wo ſie dieſe Wand beſtrahlen,</l><lb/> <l>Und ſich gleichſam dran abmahlen,</l><lb/> <l>Da hernach der Geiſt erblikt,</l><lb/> <l>Was daran iſt abgedruͤkt.</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l><hi rendition="#in">W</hi>as noch ſonſten iſt zufinden,</l><lb/> <l>Von den Nerven, Muskeln, Haut,</l><lb/> <l>Woraus in den hohlen Gruͤnden,</l><lb/> <l>Jſt das runde Aug erbaut,</l><lb/> <l>Wollen wir nicht weiter zeigen,</l><lb/> <l>Sondern diesmahl nur verſchweigen,</l><lb/> <l>Weil wir ſchon genug geſehn,</l><lb/> <l>Unſern Schoͤpfer zu erhoͤhn.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Kein</fw><lb/> <note xml:id="f04" prev="#f03" place="foot" n="(**)">net die Hornhaut anzufeuchten, daß dieſelbe hell und<lb/> durchſichtig bleibet. Die andre iſt mehr ein dichtes<lb/> als fluͤßiges Weſen, doch hell und durchſichtig, wird<lb/> daher die <hi rendition="#fr">Kriſtallene Feuchtigkeit,</hi> oder <hi rendition="#aq">humor<lb/> cryſtallinus</hi> genennet. Sie faſſet die Lichtſtrahlen auf,<lb/> und laͤſt ſie weiter ins Auge hinein. Die dritte iſt<lb/> weder ſo fluͤßig als die waͤsrichte, noch ſo dichte als<lb/> die Kriſtallene, und iſt einem geſchmolzen Glaſe gleich,<lb/> heiſſet daher die glaͤſerne Feuchtigkeit oder <hi rendition="#aq">humor vi-<lb/> treus.</hi> Dieſe dienet dem Auge ſeine runde Geſtalt zu<lb/> geben, und die Nezfoͤrmige Haut ausgeſpannet zu er-<lb/> halten.</note><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [139/0155]
Das menſchliche Auge.
Als in einem Spiegel druͤkket,
Und zum Mittelpuncte ſchikket,
Dran man eine ſchwarze Wand,
Findet gleichſam ausgeſpannt.
Wenn durch waͤſſrichte Kriſtallen
Die das aͤuſre Licht beruͤhrt,
Mancherlei Geſtalten fallen;
Werden ſie dahin gefuͤhrt,
Wo ſie dieſe Wand beſtrahlen,
Und ſich gleichſam dran abmahlen,
Da hernach der Geiſt erblikt,
Was daran iſt abgedruͤkt.
Was noch ſonſten iſt zufinden,
Von den Nerven, Muskeln, Haut,
Woraus in den hohlen Gruͤnden,
Jſt das runde Aug erbaut,
Wollen wir nicht weiter zeigen,
Sondern diesmahl nur verſchweigen,
Weil wir ſchon genug geſehn,
Unſern Schoͤpfer zu erhoͤhn.
Kein
(**)
(**) net die Hornhaut anzufeuchten, daß dieſelbe hell und
durchſichtig bleibet. Die andre iſt mehr ein dichtes
als fluͤßiges Weſen, doch hell und durchſichtig, wird
daher die Kriſtallene Feuchtigkeit, oder humor
cryſtallinus genennet. Sie faſſet die Lichtſtrahlen auf,
und laͤſt ſie weiter ins Auge hinein. Die dritte iſt
weder ſo fluͤßig als die waͤsrichte, noch ſo dichte als
die Kriſtallene, und iſt einem geſchmolzen Glaſe gleich,
heiſſet daher die glaͤſerne Feuchtigkeit oder humor vi-
treus. Dieſe dienet dem Auge ſeine runde Geſtalt zu
geben, und die Nezfoͤrmige Haut ausgeſpannet zu er-
halten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/155 |
Zitationshilfe: | Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/155>, abgerufen am 16.02.2025. |