Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Die Tadelsucht. Jn seiner Seele wohnt der Geist der schwarzen Lü-gen, Er ist auch Raben-Art, weil er nichts anders kan, Als daß er solche schimpft, die ihn nur sehen an: Schweig still, entferne dich und laß ihn immer to- ben, Der Lästrer Tadelsucht ist gut bei Schmeichlers Lo- ben. Die Tadelsucht.
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Die falsche Tadelsucht ist eine Pest der Zeiten, Sie sucht nach blinden Wahn das Gute zu bestreiten, Und weil sie sich nicht gros um das was wahr bemüht, Nur durch der Einbildung, be- triegrisch Blendglas sieht, So muß ihr oft was schön, als was verdorbnes scheinen, Es ist ihr Grundgesez, ein ungegründet Meinen. Sie geifert immer fort, und greift dasselbe an, Was ihr drum misgefällt, weil sie nicht leisten kan, Was andre in der Welt, als Tugenden beweisen, Das was sie an sich hat ist nur allein zu preisen. Doch nur in diesem Fall sind ihre Thaten schön, So
Die Tadelſucht. Jn ſeiner Seele wohnt der Geiſt der ſchwarzen Luͤ-gen, Er iſt auch Raben-Art, weil er nichts anders kan, Als daß er ſolche ſchimpft, die ihn nur ſehen an: Schweig ſtill, entferne dich und laß ihn immer to- ben, Der Laͤſtrer Tadelſucht iſt gut bei Schmeichlers Lo- ben. Die Tadelſucht.
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Die falſche Tadelſucht iſt eine Peſt der Zeiten, Sie ſucht nach blinden Wahn das Gute zu beſtreiten, Und weil ſie ſich nicht gros um das was wahr bemuͤht, Nur durch der Einbildung, be- triegriſch Blendglas ſieht, So muß ihr oft was ſchoͤn, als was verdorbnes ſcheinen, Es iſt ihr Grundgeſez, ein ungegruͤndet Meinen. Sie geifert immer fort, und greift daſſelbe an, Was ihr drum misgefaͤllt, weil ſie nicht leiſten kan, Was andre in der Welt, als Tugenden beweiſen, Das was ſie an ſich hat iſt nur allein zu preiſen. Doch nur in dieſem Fall ſind ihre Thaten ſchoͤn, So
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Die Tadelſucht.
Jn ſeiner Seele wohnt der Geiſt der ſchwarzen Luͤ-
gen,
Er iſt auch Raben-Art, weil er nichts anders kan,
Als daß er ſolche ſchimpft, die ihn nur ſehen an:
Schweig ſtill, entferne dich und laß ihn immer to-
ben,
Der Laͤſtrer Tadelſucht iſt gut bei Schmeichlers Lo-
ben.
Die Tadelſucht.
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Die falſche Tadelſucht iſt eine
Peſt der Zeiten,
Sie ſucht nach blinden Wahn
das Gute zu beſtreiten,
Und weil ſie ſich nicht gros um
das was wahr bemuͤht,
Nur durch der Einbildung, be-
triegriſch Blendglas ſieht,
So muß ihr oft was ſchoͤn, als
was verdorbnes ſcheinen,
Es iſt ihr Grundgeſez, ein ungegruͤndet Meinen.
Sie geifert immer fort, und greift daſſelbe an,
Was ihr drum misgefaͤllt, weil ſie nicht leiſten
kan,
Was andre in der Welt, als Tugenden beweiſen,
Das was ſie an ſich hat iſt nur allein zu preiſen.
Doch nur in dieſem Fall ſind ihre Thaten ſchoͤn,
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