Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die herrliche Verbindung,
Nur falsche Hofnung giebt, und sanfte Polster
streut,

Worauf er ganz getrost, ohn sein Bemühn und
Schaffen,

Wird blos durch eigne Schuld, die Seeligkeit ver-
schlafen.

Der Jrthum fliest daher, dieweil er fälschlich meint,
Daß GOttes Lieb und Huld, die allenthalben
scheint,

Ohnmöglich ihn noch könn, zum ewgen Feuers-
flammen,

Da er die Liebe sey, ob er gleich Böß, verdammen.
Er denkt der Heiland sei, ja für die ganze Welt,
Als ein Erlöser auch für ihm mit dargestellt;
Und darum sey er frei von seiner Schuld der Sün-
den,

Weil in desselben Blut Bezahlung gnug zu finden.
Doch diese Meinung fällt, so bald man nur erwegt,
Was GOtt vor Eigenschaft in seinen Wesen hegt;
So bald man nur bedenkt, daß die Vollkommen-
heiten,

Gleich herrlich und also nicht mit einander streiten.
Barmherzig ist er stets, doch auch dabei gerecht,
Er liebt den Menschen woll, doch keinen Sünden-
knecht,

Der seine Güt misbraucht. Die Liebe ist bemühet,
Wie sie die böse Welt, aus dem Verderben ziehet:
Doch die Gerechtigkeit zeigt sich auch bei der Huld,
Und fordert allemahl das Opfer vor die Schuld.
Die Liebe ist bereit, die Sünden zu vergeben,
Doch kan sie dadurch nicht der Rache widerstre-
ben,

Die auf das Böse zürnt; bei GOttes Strafge-
richt,

Steht
Die herrliche Verbindung,
Nur falſche Hofnung giebt, und ſanfte Polſter
ſtreut,

Worauf er ganz getroſt, ohn ſein Bemuͤhn und
Schaffen,

Wird blos durch eigne Schuld, die Seeligkeit ver-
ſchlafen.

Der Jrthum flieſt daher, dieweil er faͤlſchlich meint,
Daß GOttes Lieb und Huld, die allenthalben
ſcheint,

Ohnmoͤglich ihn noch koͤnn, zum ewgen Feuers-
flammen,

Da er die Liebe ſey, ob er gleich Boͤß, verdammen.
Er denkt der Heiland ſei, ja fuͤr die ganze Welt,
Als ein Erloͤſer auch fuͤr ihm mit dargeſtellt;
Und darum ſey er frei von ſeiner Schuld der Suͤn-
den,

Weil in deſſelben Blut Bezahlung gnug zu finden.
Doch dieſe Meinung faͤllt, ſo bald man nur erwegt,
Was GOtt vor Eigenſchaft in ſeinen Weſen hegt;
So bald man nur bedenkt, daß die Vollkommen-
heiten,

Gleich herrlich und alſo nicht mit einander ſtreiten.
Barmherzig iſt er ſtets, doch auch dabei gerecht,
Er liebt den Menſchen woll, doch keinen Suͤnden-
knecht,

Der ſeine Guͤt misbraucht. Die Liebe iſt bemuͤhet,
Wie ſie die boͤſe Welt, aus dem Verderben ziehet:
Doch die Gerechtigkeit zeigt ſich auch bei der Huld,
Und fordert allemahl das Opfer vor die Schuld.
Die Liebe iſt bereit, die Suͤnden zu vergeben,
Doch kan ſie dadurch nicht der Rache widerſtre-
ben,

Die auf das Boͤſe zuͤrnt; bei GOttes Strafge-
richt,

Steht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0084" n="72"/>
          <fw place="top" type="header">Die herrliche Verbindung,</fw><lb/>
          <l>Nur fal&#x017F;che Hofnung giebt, und &#x017F;anfte Pol&#x017F;ter<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;treut,</hi></l><lb/>
          <l>Worauf er ganz getro&#x017F;t, ohn &#x017F;ein Bemu&#x0364;hn und<lb/><hi rendition="#et">Schaffen,</hi></l><lb/>
          <l>Wird blos durch eigne Schuld, die Seeligkeit ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlafen.</hi></l><lb/>
          <l>Der Jrthum flie&#x017F;t daher, dieweil er fa&#x0364;l&#x017F;chlich meint,</l><lb/>
          <l>Daß <hi rendition="#fr">GOttes</hi> Lieb und Huld, die allenthalben<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cheint,</hi></l><lb/>
          <l>Ohnmo&#x0364;glich ihn noch ko&#x0364;nn, zum ewgen Feuers-<lb/><hi rendition="#et">flammen,</hi></l><lb/>
          <l>Da er die Liebe &#x017F;ey, ob er gleich Bo&#x0364;ß, verdammen.</l><lb/>
          <l>Er denkt der Heiland &#x017F;ei, ja fu&#x0364;r die ganze Welt,</l><lb/>
          <l>Als ein Erlo&#x0364;&#x017F;er auch fu&#x0364;r ihm mit darge&#x017F;tellt;</l><lb/>
          <l>Und darum &#x017F;ey er frei von &#x017F;einer Schuld der Su&#x0364;n-<lb/><hi rendition="#et">den,</hi></l><lb/>
          <l>Weil in de&#x017F;&#x017F;elben Blut Bezahlung gnug zu finden.</l><lb/>
          <l>Doch die&#x017F;e Meinung fa&#x0364;llt, &#x017F;o bald man nur erwegt,</l><lb/>
          <l>Was <hi rendition="#fr">GOtt</hi> vor Eigen&#x017F;chaft in &#x017F;einen We&#x017F;en hegt;</l><lb/>
          <l>So bald man nur bedenkt, daß die Vollkommen-<lb/><hi rendition="#et">heiten,</hi></l><lb/>
          <l>Gleich herrlich und al&#x017F;o nicht mit einander &#x017F;treiten.</l><lb/>
          <l>Barmherzig i&#x017F;t er &#x017F;tets, doch auch dabei gerecht,</l><lb/>
          <l>Er liebt den Men&#x017F;chen woll, doch keinen Su&#x0364;nden-<lb/><hi rendition="#et">knecht,</hi></l><lb/>
          <l>Der &#x017F;eine Gu&#x0364;t misbraucht. Die Liebe i&#x017F;t bemu&#x0364;het,</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;ie die bo&#x0364;&#x017F;e Welt, aus dem Verderben ziehet:</l><lb/>
          <l>Doch die Gerechtigkeit zeigt &#x017F;ich auch bei der Huld,</l><lb/>
          <l>Und fordert allemahl das Opfer vor die Schuld.</l><lb/>
          <l>Die Liebe i&#x017F;t bereit, die Su&#x0364;nden zu vergeben,</l><lb/>
          <l>Doch kan &#x017F;ie dadurch nicht der Rache wider&#x017F;tre-<lb/><hi rendition="#et">ben,</hi></l><lb/>
          <l>Die auf das Bo&#x0364;&#x017F;e zu&#x0364;rnt; bei <hi rendition="#fr">GOttes</hi> Strafge-<lb/><hi rendition="#et">richt,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Steht</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0084] Die herrliche Verbindung, Nur falſche Hofnung giebt, und ſanfte Polſter ſtreut, Worauf er ganz getroſt, ohn ſein Bemuͤhn und Schaffen, Wird blos durch eigne Schuld, die Seeligkeit ver- ſchlafen. Der Jrthum flieſt daher, dieweil er faͤlſchlich meint, Daß GOttes Lieb und Huld, die allenthalben ſcheint, Ohnmoͤglich ihn noch koͤnn, zum ewgen Feuers- flammen, Da er die Liebe ſey, ob er gleich Boͤß, verdammen. Er denkt der Heiland ſei, ja fuͤr die ganze Welt, Als ein Erloͤſer auch fuͤr ihm mit dargeſtellt; Und darum ſey er frei von ſeiner Schuld der Suͤn- den, Weil in deſſelben Blut Bezahlung gnug zu finden. Doch dieſe Meinung faͤllt, ſo bald man nur erwegt, Was GOtt vor Eigenſchaft in ſeinen Weſen hegt; So bald man nur bedenkt, daß die Vollkommen- heiten, Gleich herrlich und alſo nicht mit einander ſtreiten. Barmherzig iſt er ſtets, doch auch dabei gerecht, Er liebt den Menſchen woll, doch keinen Suͤnden- knecht, Der ſeine Guͤt misbraucht. Die Liebe iſt bemuͤhet, Wie ſie die boͤſe Welt, aus dem Verderben ziehet: Doch die Gerechtigkeit zeigt ſich auch bei der Huld, Und fordert allemahl das Opfer vor die Schuld. Die Liebe iſt bereit, die Suͤnden zu vergeben, Doch kan ſie dadurch nicht der Rache widerſtre- ben, Die auf das Boͤſe zuͤrnt; bei GOttes Strafge- richt, Steht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/84
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/84>, abgerufen am 23.11.2024.